Effizient und taktisch stark: Rapid besiegt Spartak Moskau
Europa League 21.September.2018 Daniel Mandl 0
Mit einem 2:0 gegen Spartak Moskau gelang Rapid am Donnerstagabend ein Befreiungsschlag. Goran Djuricin verschaffte sich auch mit einer guten taktischen Leistung ein wenig Luft. Jetzt gilt es, den Schwung in die heimischen Bewerbe mitzunehmen.
Den russischen Rekordmeister erwischte Rapid zu einem guten Zeitpunkt. Nicht zuletzt aufgrund eines kleinen Social-Media-Skandals reiste die Truppe des umstrittenen Italieners Massimo Carrera mit einer Rumpftruppe an. Die bestmögliche Spartak-Mannschaft hätte gleich an sechs Positionen anders ausgehen. Zudem rotierte Carrera wie erwartet und ließ mit Popov und Kombarov zwei potentielle Starter auf der Bank, womit er aber ein klares Ziel verfolgte.
Flügel dynamischer und Zentrum kompakter machen
Anstelle des defensiv soliden Linksverteidigers Kombarov brachte Carrera den Paraguayer Lorenzo Melgarejo, der die Flügel beleben sollte, was ihm in der ersten Halbzeit auch gelang. Zudem entschied sich Carrera anstelle des Zehners Popov für den Sechser Timofeev, was wiederum die Mitte kompakter machen sollte. Mit den Sechsern Fernando und Timofeev, sowie Zobnin, der leicht offensiver agierte, ergab sich so eine 6-6-8-Staffelung, anstelle der erwarteten 6-8-10-Staffelung.
Spartak überlässt Rapid den Aufbau
Die überraschendste Facette, die sich daraus ergab: Spartak überließ Rapid den Spielaufbau, wohl auch weil dieser in der zweiten Halbzeit gegen die Austria nicht gut funktionierte. Die Mitte der Russen sollte noch dichter sein und die Gegenstöße sollten von den offensiv ausgerichteten Außenverteidigern getragen werden. Rechts spielte Rasskazow wie zu erwarten eine unbekümmerte Partie und die unangenehme Dynamik von Melgarejo auf der anderen Seite sorgte unterm Strich für die gefährlichsten Spartak-Momente.
Fernandos Stärken nicht ausreichend forciert
Dass Spartak den Aufbau aus der Hand gibt, war nicht von Anfang an zu erwarten. Wahrscheinlicher war die Variante, dass Fernando häufiger abkippt und den im Aufbau zuletzt verbesserten Dzhikiya beim Herausspielen unterstützt. Durch die tiefere Gesamtposition des Teams wurden die Stärken Fernandos nicht ausreichend forciert und der spielstarke Sechser musste mehr gegen den Ball arbeiten, als es ihm vielleicht lieb war. Hierbei verbuchte er zwar immer wieder Teilerfolge, aber da Rapid im Mittelfeld über weite Strecken passsicher blieb, eroberte das Spartak-Mittelfeld vor allem in der zweiten Hälfte zu wenige Bälle.
Pendelbewegungen destabilisieren Spartak
Djuricin reagierte insgesamt stark auf die Situation. In der ersten Halbzeit war Spartak effektiv die gefährlichere Mannschaft und Rapid kam eher zu Halbchancen und einigen „Schüsschen“. In der zweiten Halbzeit wurden aber die Zwischenlinienräume und vor allem die Halbräume wesentlich besser bespielt, weil der verbesserte Ljubicic immer wieder pendelte, also sich nach außen fallen ließ. Dadurch wurde das als kompakt gedachte, zentrale Mittelfeld der Russen in der Breite destabilisiert.
Mit bester Aktionen der Saison zum 2:0
Beim ersten Treffer hatte Rapid Glück, aber das zweite Tor war ein Musterbeispiel dafür was passiert, wenn ein defensiv orientiertes Mittelfeldzentrum in der Breite geschwächt wird. Von der Balleroberung weg passte alles, die Pässe waren präzise, das Laufspiel ideal. So konnte sich Rapid diagonal von außen in die Mitte kombinieren und die gegnerische Ordnung durch niedrige Positionstreue stören. Dass Schwabs Idealpass den einrückenden Murg fand, war die Krönung einer der besten Rapid-Aktionen in der laufenden Saison.
x-ter Frühling: Sonnleitner als echter Leader
Nach einer taktisch eher uninteressanten ersten Hälfte, war es aber auch die gute Leistung der Rapid-Verteidiger, die die zweite Halbzeit erfolgreich gestaltete. Auch wenn er in seinen Vollsprints etwas gequälter aussieht als noch vor fünf, sechs Jahren, bewies Sonnleitner, dass er immer noch ein guter Läufer ist. Spartak-Stürmer Zé Lúis biss sich an der Kampfkraft Sonnleitners immer wieder die Zähne aus. Zudem zeigte sich der Steirer auch im Aufbauspiel im Vergleich zum Derby verbessert.
Barac braucht ein Erfolgserlebnis
Weiterhin eine Schwachstelle im Aufbauspiel ist der Kroate Mateo Barac, der sich aber Spiel für Spiel zumindest gegen den Ball verbessert. Bei ihm sieht man die Entwicklungsfortschritte speziell in der Körpersprache, die bereits anders aussieht als noch vor einem Monat. Man hat das Gefühl, dass Barac ein Erfolgserlebnis braucht, um dann richtig durchstarten zu können. Im Spiel nach vorne fehlt es ihm schlichtweg am nötigen Selbstvertrauen und einer Selbstverständlichkeit im Passspiel.
Müldür kämpft sich in die Partie
Die Story des Abends lieferte aber Mert Müldür, der nach der Pause den Führungstreffer für Rapid erzwang. Der junge Austro-Türke ist einfach kein Außenverteidiger, was im Offensivspiel deutlich wird. Aber Müldür kämpfte sich in die Partie, überzeugte mit seiner Zweikampfführung, auch wenn er Melgarejo in der Anfangsphase einmal gefährlich passieren ließ. Diese Fehler sind bei einem 19-Jährigen wohl (vorerst) nicht vermeidbar, aber ähnlich wie Barac braucht auch er ein Erfolgserlebnis, um eine Selbstverständlichkeit in sein Spiel zu bringen. Dieses dürfte ihm mit seinem „Fast-Tor“ nun gelungen sein. Kein Erfolgserlebnis scheint indes Marvin Potzmann zu benötigen: Der 24-Jährige spielte seine Partie einmal mehr staubtrocken und sehr solide runter.
Neue Facetten durch Pavlovic
Eine kleine Ahnung, was Rapid offensiv noch stärker machen könnte, bekam man in der Schlussviertelstunde nach der Einwechslung von Andrija Pavlovic anstelle von Deni Alar. Der Neuzugang aus Kopenhagen wirkt in seinen Bewegungen noch nicht hundertprozentig rund, ist aber ein intensiver Zweikämpfer und kann Bälle gut behaupten. Damit ist er der krasse Gegensatz zum filigraneren Alar, der den letzten Punch in potentiell schmerzhaften Zweikämpfen scheut, wie der Teufel das Weihwasser. Alar ist für Rapids Spiel vor allem ohne Ball wertvoll, aber Pavlovic setzt in seinem Spiel stärker auf Physis, lässt seine Gegenspieler wissen, dass er da ist. Die beiden würden vermutlich gut zusammenpassen, sofern Alar aber dafür nicht auf die Zehn zurückrücken muss, sondern auf einer Höhe mit Pavlovic spielen darf. Die Beobachtungen der Tugenden beider Stürmer legt gerade gegen qualitativ unterlegene Mannschaft Optionen wie ein 4-1-3-2 oder auch ein klassisches 4-4-2 nahe. Dies wäre dann der so häufig geforderte Plan B, den Rapid in Wahrheit schon seit Jahren sucht.
„Wieso nicht in der Liga so?“
Vor dem Spiel war die Stimmung unter den Fans etwas seltsam. Echte Vorfreude kam vor dem ersten Gruppenspiel der Saison nicht auf. Nach dem Spiel wurden Spiel und Ergebnis aber noch kräftig gefeiert. Das allgemeine Echo: „Wieso können wir Spartak Moskau daheim beherrschen und besiegen und dann in der Liga gegen kleine Teams wieder ausschütten?“ – Das ist die große Frage, die wieder das Mentalitätsthema ins Spiel bringt. Rapid kann Europacup und die große Bühne schmeckt den Hütteldorfern, die jetzt seit sechs Europacup-Heimspielen und sogar seit elf Gruppenphasen-Heimspielen unbesiegt ist. Die letzte Niederlage auf heimischem Rasen in der Europa-League-Gruppenphase gab es am 25.Oktober 2012 beim 0:4 gegen Bayer Leverkusen, also vor fast sechs Jahren!
Nach Salzburg: Chance auf eine neue Serie
Der Sieg gegen Spartak war wieder sinnbildlich für den Liga/Europacup-Unterschied. Gegen die Austria wurde der Treffer noch nicht erzwungen, ebenso wenig gegen Wolfsberg oder Altach. Gegen Spartak konnte man vor den Toren den unbedingten Willen erkennen, das Tor zu machen. Diesen Willen in die Liga zu übertragen ist de facto die Hauptaufgabe des Trainerteams, neben der oft beschriebenen Installation eines vernünftigen, mannschaftsumfassenden Pressingkonzepts. Europa-League-Erfolge sind das i-Tüpfelchen und ein wichtiger finanzieller Faktor. Über die Zukunft von Djuricin und Co. wird aber in der Liga entschieden. Bis Ende Oktober gibt es den Schlager gegen Salzburg am Sonntag das Cup-Spiel in Mattersburg und danach vier „Pflichtsiege“ mit drei Heimspielen (St.Pölten h, Mattersburg h, Hartberg a, Admira h). Wenn Rapid in diesen Spielen auftritt wie in der zweiten Halbzeit gegen Spartak und dazu vielleicht noch die eine oder andere taktische Facette etabliert wird (Plan B mit zwei Stürmern, Pressingkonzept), muss man sich um die Hütteldorfer keine großen Sorgen machen…
Daniel Mandl, abseits.at
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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