Junge Mannschaft mit starkem 4-1-4-1-Pressing: Das ist die US Sassuolo!
Europa League 19.Oktober.2016 Alex Belinger 0
US Sassuolo ist ein international bisher noch relativ unbekannter, aber umso interessanterer Verein. Der Klub stammt aus Sassuolo, trägt seine Heimspiele jedoch im Mapei Stadium in Reggio Emilia aus. Das Bauunternehmen Mapei ist auch einer der Hauptgründe für den Aufstieg des Vereins aus einer Kleinstadt in der Emilia-Romagna. Dank der finanziellen Unterstützung von Mapei ging es für Sassuolo innerhalb weniger Jahre von der vierten Liga in die Europa League.
Ein weiterer wichtiger Grund für den Erfolg in den vergangenen Jahren ist Trainer Eusebio Di Francesco, der das Team 2012 in der Serie B übernahm und nun in die Europa League führte.
Der Di Francesco zur Verfügung stehende Kader weist vor allem zwei Besonderheiten auf. Erstens stehen darin für italienische Verhältnisse extrem wenige ausländische Spieler, zudem ist der Kader auch weitaus jünger als jener der meisten Ligakonkurrenten. Üblicherweise stehen acht oder neun Italiener in der Startelf von Sassuolo.
Kontrolliertes Ballbesitzspiel
Sassuolo möchte seine Angriffe immer möglichst kontrolliert beginnen, wenn möglich wird das Spiel daher flach von hinten heraus aufgebaut. Stellt der Gegner den Abstoß hoch zu, so bleibt die Mannschaft in ihrer tiefen und sehr breiten Formation und Torhüer Andrea Consigli versucht präzise lange Bälle, bevorzugt auf die Flügel, zu spielen.
Die Innenverteidiger der Mannschaft sind allesamt recht stark mit dem Ball am Fuß, ohne dabei aber ein auffallendes Passspiel zu zeigen. Francesco Acerbi hat sich langsam zu einem der stärksten Innenverteidiger der Liga entwickelt, der 28-Jährige ist sehr ballsicher und kann Bälle unter hohem Druck behaupten. Auch Cannavaro und Antei sind fußballerisch in Ordnung, ihr Passspiel sowie jenes von Acerbi konzentriert sich aber hauptsächlich auf wenig risikoreiche kurze Pässe auf die Außenverteidiger oder auf den Sechser Magnanelli. Bei größerem Druck des Gegners auf den Spielaufbau wird nur wenig Risiko genommen, sind die Situationen spielerisch nicht so einfach zu lösen, wird oft zu langen Bällen gegriffen.
Schlüsselspieler Magnanelli
Der Ball wird zunächst ruhig zwischen den Innenverteidigern und Magnanelli hin und her zirkuliert, wobei Magnanelli nach möglichen vertikalen Anspielstationen Ausschau hält und diese wenn verfügbar, was eher selten der Fall ist, auch gut findet. Auch die Achter bringen sich ein wenig in diese tiefe Ballzirkulation ein, lassen den Ball aber meist direkt zurückklatschen und vergrößern durch mit ihnen herausrückende Gegenspieler nur eventuell den Zwischenlinienraum.
Breite Grundstaffelung bei Ballbesitz der Innenverteidiger
Den Ball in höhere Zonen bringt vor allem Francesco Magnanelli, der Dreh- und Angelpunkt der Mannschaft. Der Sechser wechselte bereits zu Sassuolo, als der Verein noch in der vierten Liga spielte, doch mittlerweile entwickelte er sich zu einem der stärksten, und am meisten unterschätzten Sechser der Liga. Magnanelli ist überaus spielintelligent, defensiv antizipiert er sehr gut und fängt viele Bälle ab. Offensiv zeichnet er sich durch sein pressingresistentes, fehlerloses Spiel aus. Der 31-jährige Kapitän des Teams spielt vertikale Pässe mit hoher Präzision, im System von Di Francesco sind aber vor allem seine langen Diagonalpässe auf die Flügel gefragt.
Flügelfokus mit breiten Achtern
Diese spielt Magnanelli auf die Außenverteidiger oder auf die Flügelstürmer, vereinzelt auch auf einen auf den Flügel ausweichenden Achter. Die Außenverteidiger im Team sind Federico Peluso oder der Niederländer Timo Letschert auf links, sowie Pol Lirola auf rechts. Der 19-jährige Spanier Lirola ist ein guter Dribbler, legt seine Dribblings dabei auch recht diagonal an, was für Sassuolos Abläufe auf dem Flügel sehr hilfreich ist.
Sassuolos Ballbesitzspiel konzentriert sich sehr stark auf die Flügel. Bei Ballbesitz der Innenverteidiger gibt es eine sehr breite Grundstaffelung in der sowohl beide Außenverteidiger als auch beide Flügelstürmer den Flügel besetzen, ist der Ball auf einer Seite rücken die ballfernen Flügelspieler ein wenig in den Halbraum. Für das Spiel auf dem Flügel haben die beiden Achter eine hohe Bedeutung. Derzeit sind mit Simone Missiroli und dem 23-jährigen Alfred Duncan zwei starke Achter verletzt, zuletzt spielte der zweikampf- und laufstarke Davide Biondini mit dem soliden 20-jährigen Lorenzo Pellegrini, wobei auch der ebenfalls nur 20 Jahre alte Luca Mazzitelli heuer auf seine Einsätze kam. Hauptaufgabe der Achter ist es in Ballbesitz den Flügel zu überladen.
Der Achter positioniert sich auf dem Flügel, der Flügelstürmer rückt in den Halbraum
Dazu lässt sich einer der Achter entweder zwischen Außenverteidiger und Flügelstürmer auf den Flügel fallen, oder er attackiert mit diagonalen Läufen die Schnittstelle zwischen Innenverteidiger und Außenverteidiger des Gegners. Die genauen Positionierungen der Spieler wechseln hierbei sehr oft. Bewegt sich der Achter etwa in den Raum zwischen Außenverteidiger und Flügelstürmer, ist er entweder frei, da sich seine Teamkollegen am Flügel die gegnerischen Spieler binden, oder er zieht einen gegnerischen Spieler heraus und öffnet dadurch Raum im Zentrum.
Der Flügelstürmer bleibt breit, der Achter attackiert die Schnittstelle zwischen Innen- und Außenverteidiger.
Oft sind Wechselbewegungen zwischen Achter und Flügelstürmer zu sehen: Sobald sich der Achter Richtung Flügel bewegt, rückt der Flügelstürmer in den Halbraum. Magnanelli bewegt sich zudem sehr nahe an den Ball, um für Anbindung ins Zentrum zu sorgen und eventuell Verlagerungen auf die andere Seite zu spielen. Das Flügelspiel ist insgesamt recht linear ausgelegt, die Dreiecke sind oft sehr flach, wobei dies auf der rechten Seite dank dem variablen Lirola etwas besser als auf links ist.
Da Starspieler Domenico Berardi verletzt ist, werden gegen Rapid wohl Matteo Politano und Federico Ricci starten. Vor allem der 23-jährige Politano ist ein interessanter Mann, ein guter Dribbler und er verfügt über einen sehr starken linken Fuß. Seine Spielweise ist stark diagonal angelegt und er dribbelt oft sehr weit bis ins Zentrum. Im Sturm bekommt derzeit Gregoire Defrel den Vorzug gegenüber Alessandro Matri und Pietro Iemmello. Defrel ist mit sieben Treffern gemeinsam mit Berardi auch der beste Torschütze des Teams (wobei Berardi dafür nur 478 Minuten brauchte, Defrel als Mittelstürmer doppelt so viele). Torchancen kreiert Sassuolo vor allem nach Flanken oder durch Aktionen über die Richtung Zentrum dribbelnden Flügelstürmer. Recht gefährlich sind auch die Standards des Teams, die häufig kurz abgespielt werden, wobei es verschiedene Varianten gibt, die hauptsächlich dazu dienen, die Hereingaben aus kürzerer Distanz zu spielen.
Typische Ballbesitzszene von Sassuolo. Flacher Spielaufbau, hoher Wechselpass, ins Zentrum ziehenden Flügelstürmer und breiter (hier sogar hinterlaufender) Achter.
Durch die sehr breite Grundstruktur und die schwache Besetzung des Zentrums ist Sassuolo nicht ideal abgesichert für Ballverluste und schnelle Gegenangriffe der Gegner. Nach Ballverlust setzen die Spieler auch kaum nach, sondern versuchen sich schnell zurückzuziehen und neu zu organisieren.
Gut organisiertes Pressing
Ohne Ball zeigt die Mannschaft ein bereits seit Jahren einstudiertes 4-1-4-1-Pressing. In der Anfangszeit von Di Francesco wurde dies noch etwas höher ausgeübt, mittlerweile ist es ein Mittelfeldpressing mit vereinzelten Phasen mit Pressing in höheren Zonen.
4-1-4-1-Pressing mit herausrückenden linken Verteidiger gegen Genk.
Im Pressing zeigt Sassuolo zumeist gute vertikale Kompaktheit, verteidigt in der Horizontalen aber öfters ein wenig zu breit. Stürmer Defrel arbeitet gut gegen den Ball, was wohl auch ein wichtiger Grund ist, warum er den Vorzug gegenüber Matri erhält. Auf den gegnerischen Spielaufbau wird nur wenig Druck ausgeübt, Defrel versucht nur die Verteidiger ein wenig zu leiten und im Bogen anzulaufen. Im Mittelfeld spielen die drei zentralen Akteure ein wenig mannorientiert, wobei die Achter oft herausrücken, um auf Höhe des Stürmers zu pressen. Magnanelli schiebt dann nach, um die entstehenden Lücken aufzufüllen.
Sassuolos 4-1-4-1-Pressing mit abwechselnd herausrückenden Achtern im Spiel gegen Bilbao.
Dadurch kommen die Gegner zu längeren Ballbesitzphasen, allerdings ist es sehr schwierig, dass Mittelfeld von Sassuolo zu überspielen. Gewinnt Sassuolo den Ball, kann über die schnellen Flügelspieler gut gekontert werden.
Mögliche Anpassungen
Das 4-1-4-1-Pressing wird für Rapid nicht einfach zu bespielen sein. Prinzipiell wird dadurch die Grundformation von Rapid gespiegelt, wobei gerade die drei zentralen Mittelfeldspieler gewohnt mannorientiert agieren könnten. Das Abkippen Rapids wird aber kaum mannorientiert von einem Gegenspieler verfolgt werden. Eine Option wäre es, durch leicht zurückfallende Bewegungen, auch des Zehners, Sassuolos Mittelfeld leicht herauszulocken, den Zwischenlinienraum zu vergrößern und versuchen, die oft zu großen Schnittstellen zwischen Sassuolos Achtern und Flügelstürmern zu bespielen und direkt in die Halbräume auf die einrückenden Flügelstürmer zu kommen. So konnte vor allem Louis Schaub verstärkt gesucht werden, allerdings ist dafür auch passende Unterstützung nötig. Da Sassuolos Stärken aber mehr im Spiel ohne Ball liegen wäre es auch denkbar, sich selbst mehr auf ein schnelles Umschaltspiel zu konzentrieren und den Italienern vermehrt den Ball zu überlassen.
Fazit
Sassuolo ist eine sehr interessante Mannschaft mit vielen jungen Italienern. Das System von Trainer Di Francesco wird seit Jahren praktiziert und ist gut einstudiert, vor allem das 4-1-4-1-Pressing des Teams ist nicht einfach zu knacken. Sassuolo ist derzeit aber nicht ganz auf dem Niveau der vergangenen Saison, vor allem der Abgang von Nicola Sansone zu Villarreal war schmerzhaft, zudem ist mit Domenico Berardi der womöglich stärkste Spieler des Teams verletzt.
Alex Belinger, abseits.at
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Alex Belinger
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