Ganz klar: Innerhalb einer Woche kann man eine Mannschaft nicht in ihren Grundzügen verändern. Nicht mal, wenn man der „Fußballgott“ ist. Das 0:2 gegen... Kommentar: Zu brav, zu mutlos, zu viel Respekt vor dem Gegner

Ganz klar: Innerhalb einer Woche kann man eine Mannschaft nicht in ihren Grundzügen verändern. Nicht mal, wenn man der „Fußballgott“ ist. Das 0:2 gegen West Ham kam für Rapid natürlich nicht unerwartet, aber es zeigte auch, dass sich die allermeisten Spieler hinterfragen müssen, denn die Hütteldorfer ließen Grundtugenden vermissen, wie sie eigentlich nicht von einem Trainer vorgegeben werden müssen.

Rapid versuchte gegen die „Hammers“ möglichst brav zu spielen, keine Fehler zu machen. Die Orientierung in Ballbesitz verlagerte sich extrem häufig in die Breite bzw. nach hinten. Aufdrehbewegungen oder der unbedingte Wille schnell einige Meter mit dem Ball zurückzulegen oder gar eine Pressinglinie der Engländer mit Dynamik zu attackieren und zu überspielen, hatten absoluten Seltenheitswert.

Das Resultat dessen waren einmal mehr die Feldpositionen der Ballverluste. Rapid verlor 105 Bälle, West Ham 107 – also vergleichbare Werte. Allerdings verlor Rapid 27 Bälle im eigenen Drittel, West Ham nur 16. Rapid verlor 37 Bälle im letzten Drittel, West Ham gleich 53. Ins erfolgreiche Gegenpressing kam Rapid im letzten Drittel nur elfmal. West Ham schaffte dies zwar auch nur 14-mal, hatte dafür im zweiten Drittel mit 36:28 deutlich die Nase vorn. Es ist ein statistisches Problem, das sich auch in der Bundesliga immer wieder beobachten lässt.

Durch diesen fehlenden Zug zum Tor bzw. ins letzte Drittel, war es für Rapid außerordentlich schwer in gute Abschlusspositionen zu kommen. Es wirkte so, als wolle man im Zentrum und vor allem im zweiten Drittel keine Fehler machen, um West Ham nicht zum schnellen Kontern einzuladen. Der Tempounterschied, speziell mit dem Ball, war allerdings eklatant, was damit zusammenhing, dass die West-Ham-Spieler stets in Bewegung waren und Rapid viel zu statisch.

Das Herausarbeiten klarer Torchancen scheiterte auch am fehlenden Tiefgang ohne Ball und dem sofort sichtbaren, physischen Unterschied zwischen einigen Protagonisten. Rapid war somit auf möglichst schnelle Abschlüsse angewiesen – durchschnittlich fanden die Abschlüsse der Wiener aus 23,96 Metern statt. Nur im Auswärtsspiel gegen West Ham schloss man durchschnittlich von noch weiter weg ab. Zum Vergleich: Die West-Ham-Abschlüsse im gestrigen Spiel wurden aus durchschnittlich 10,72 Metern gesucht. Ein riesiger Unterschied.

Es ging gegen den Vierten der Premier League, somit ist klar, dass Rapid dem Gegner nicht die Türe einrennt und sich im Angriffsdrittel festsetzt. Das hat natürlich auch niemand erwartet. Man darf gegen West Ham verlieren und zwar auch 0:3 oder 0:4. Selbst nach einigen Rotationen konnte man deutlich sehen, dass diese Mannschaft intakt ist und hohe Qualität mitbringt. Dass Rapid aber in jeglichen Pressingaktionen in einem Heimspiel derart passiv und unstrukturiert agieren würde, dachten wohl nicht mal David Moyes und seine Spieler.

Das Problem liegt hier aber nicht im Matchplan oder einer grundlegend falschen Herangehensweise gegen spielerisch und physisch stärkere Gegner. Das Problem ist der Gesamtplan. Die Rapid-Spieler haben einfach keine allgemein gültigen Werkzeuge im Spiel gegen den Ball, müssen sich im Pressing weitgehend schnell ergeben, weil nicht ausreichend Spieler daran teilnehmen und kaum jemand antizipiert. Dadurch kann der ohnehin starke Gegner seine Dominanz unter Beweis stellen, sich immer wieder mit Hilfe von recht banaler Präzision befreien, was die Angelegenheit für Rapid auch mental schwieriger macht.

Und dann sieht man als Spieler eben, dass beim Gegner jeder mit der Kugel umgehen kann und Eins-gegen-Eins-Duelle allgemein schwer werden, weil West Ham als Mannschaft geschlossen in die ballnahen Zonen nachrückt. Das Resultat ist, dass man in Ballbesitz nicht zu viel riskiert, um keine Fehler zu begehen. Sicherheitshalber quer oder retour, Verantwortung so gut es geht abgeben, die komplizierteren Ideen im Spielaufbau oder im Spiel durchs Mittelfeld jemand anderem überlassen. Klare Spielzüge, Überladungen mit dem und gegen den Ball – es sind diese Alleinstellungsmerkmale, die über Jahre kaum nachhaltig ausgearbeitet wurden und deren Mangel man gegen starke, strukturierte Mannschaften am augenscheinlichsten wird.

Dass die langfristigen Konzepte nicht ausreichend für dieses Level sind, ist nicht die Schuld der Spieler. Aber was zahlreiche Details und Eigeninitiative betrifft, müssen sich auch diese klar und deutlich hinterfragen. Ebenso übrigens wie Zoran Barisic, der es vor allem im letzten Jahr verabsäumte, echte Mentalitätsmonster – vor allem fürs Mittelfeld – zum Verein zu holen. Man hatte kämpferisch und bei vielen Kleinigkeiten immer das Gefühl, dass auch einsatztechnisch mehr herauszuholen gewesen wäre. Einfach mal dazwischenhauen, einfach mal dafür sorgen, dass ein blauer Fleck den einen oder anderen West-Ham-Spieler an seinen Wien-Ausflug erinnert. Für Punkte hätte es gegen ein ballsicheres, kampfstarkes West Ham wahrscheinlich dennoch nicht gereicht – aber die gefühlte Realität wäre eine andere gewesen. So bleibt nur eine pomadige Darbietung, die niemandem richtig Freude machte und keinerlei Euphorie vor den wichtigen, bevorstehenden Aufgaben entfachte. Wenngleich durch das 1:1 von Genk in Zagreb „nichts passierte“ und die Ausgangslage vor dem Finish in Belgien dieselbe bleibt. Bei Rapid kommt’s eben immer mehr auf das „Wie“ an, als bei allen anderen heimischen Klubs…

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen