Kompakt, aber nicht unverwundbar: Das ist Salzburgs heutiger Gegner Dinamo Minsk
Europa League 20.August.2015 Daniel Mandl 0
In den letzten 17 Jahren wurde Dinamo Minsk nur einmal Meister. Die Vorherrschaft in Weißrussland gehört seit einigen Jahren BATE Borisov, das in den letzten neun Saisonen immer den Titel holen konnte. Heuer könnte sich das aber ändern, denn ein überraschender Europacuperfolg im letzten Jahr läutete einen Lauf des Hauptstadtklubs ein, der es heute mit Red Bull Salzburg zu tun bekommt.
Dinamo Minsk spielte letztes Jahr in der Europa-League-Gruppenphase und holte aus den ersten fünf Spielen gerademal einen Punkt gegen EA Guingamp. In der Qualifikation spielte Dinamo überraschend stark und warf MyPa aus Finnland, CFR Cluj aus Rumänien und Nacional de Madeira aus Portugal aus dem Bewerb. Die durchwachsene Gruppenphase wurde mit einem Paukenschlag beendet: Die Weißrussen gewannen auswärts bei der Fiorentina mit 2:1.
Heuer wieder Titelkandidat
Dieser Erfolg läutete eine (bisher) erfolgreiche Saison 2015 ein. Nach kurzen Anlaufschwierigkeiten kamen die Blau-Weißen nun so richtig in die Gänge. Die aktuelle Statistik liest sich ordentlich: Von den letzten 19 Pflichtspielen verlor Dinamo nur eines (0:1 in Brest), vor zehn Tagen wurde der große Konkurrent BATE auswärts mit 1:0 besiegt. Nach sieben Siegen in Folge in der weißrussischen Liga liegen die Minsker zur Saisonhalbzeit nur noch drei Punkte hinter BATE zurück und haben die große Chance auf den ersten Titel seit elf Jahren.
Cherno More und Zürich eliminiert
Auch in Europa sorgte man einmal mehr für Furore. In der zweiten Quali-Runde zur Europa League wurde Cherno More Varna aus Bulgarien nach einem 1:1 auswärts mit einem satten 4:0 zu Hause ausgeschaltet. In der dritten Runde der Qualifikation gelang Dinamo eine weitaus größere Sensation: Der FC Zürich wurde nach Verlängerung eliminiert. In Zürich erzielte der montenegrinische Stürmer Fatos Beqiraj das Goldtor zum 1:0, in Minsk traf wieder der bullige Angreifer, diesmal in der 118.Minute zum 1:1. Dank dieses Erfolgs qualifizierte sich Minsk für das Playoff, wo nun eine ersatzgeschwächte Mannschaft von Red Bull Salzburg wartet.
Zielspieler Beqiraj
Ebendieser Fatos Beqiraj ist der Mann, auf den die Salzburger gut vorbereitet sein müssen. Der 27-Jährige ist aktueller montenegrinischer Nationalspieler und spielte auch bei der 0:1-Niederlage Montenegros in Wien durch. Beim erfolgreichen CL-Playoff der Wiener Austria gegen Dinamo Zagreb machte ein tolles Tor Beqirajs in Wien die Sache noch einmal spannend. In der laufenden Saison traf der 188cm-Mann in 25 Pflichtspielen 16-mal. Er ist der Zielspieler im physisch starken Offensivspiel der Weißrussen.
Die Mittelfeldzentrale
Der erst 42-jährige serbische Trainer der Weißrussen, Vuk Rasovic, hat sein präferiertes System vorerst noch nicht gefunden, tendiert aber zu einem 4-4-2, das er teils mit einer Mittelfeldraute, teils mit einer Doppelsechs auflaufen lässt. Auffällig ist hier die Mischung aus Jung und Alt, denn zwischen den beiden wichtigen Spielern auf der Mittelfeldzentralachse liegen 16 Jahre. Der 20-jährige Nikita Korzun gilt schon lange als großes Talent, dürfte aber heuer endgültig den Durchbruch schaffen. Der defensive Mittelfeldspieler gibt dem offensiveren Vladimir Korytko Rückendeckung. Der wiederum ist 36 Jahre alt und kehrte erst im Juni nach Weißrussland zurück, nachdem er zuvor 14 Jahre lang in Russland, der Ukraine und der Slowakei spielte.
Einige offene Fragen an den Seiten
Der 20-jährige Gleb Rassadkin, ein aktueller weißrussischer U21-Teamspieler, nimmt den antizipativen Part im Angriff von Dinamo ein. Wenn er sich zurückfallen lässt, wirkt das System des Salzburg-Gegners wie ein 4-1-4-1. Er ist es auch, der sich im Pressing etwas tiefer positioniert, während Beqiraj – eher passiv – die erste Pressinginstanz ist. Die beiden Flügelspieler rücken zur Mitte ein, machen das Zentrum dicht. Hier ist aber noch unklar, wer bei Dinamo beginnen wird: Der Serbe Nenad Adamovic ist die kreative Ader des Mittelfeld, kann links und rechts spielen – er sollte gesetzt sein. Der 31-jährige Yan Tigorev würde die Sicherheitsvariante darstellen. Er ist ein erfahrener Sechser, der erst vor wenigen Monaten von Lok Moskau kam. Er könnte mit Korzun die Doppelsechs bilden, was aber aufgrund des Heimvorteils und der Personalsituation bei den Salzburgern nicht die Idealformation für Dinamo darstellen würde. Eine offensivere Variante wäre der Rumäne Sergiu Neacsa, der eher für rechts gebraucht wird, allerdings defensive Mängel aufweist. Großes Potential hat der kapverdische Linksaußen Nivaldo, der sich jedoch noch nicht zu 100% eingelebt hat.
Schwächen in der Abwehr „wenn’s schnell geht“
Der auffälligste Mann in der Abwehr der Weißrussen ist Umaru Bangura aus Sierra Leone. Der Innenverteidiger ist nur 180cm groß, dafür aber enorm kampfstark und schnell. Beim Herausspielen hat er aber ebenso Probleme, wie sein Nebenmann und Abwehrchef. Sergei Politevich ist seit fünf Jahren Stammspieler bei Dinamo Minsk – jedoch stockt seine Weiterentwicklung. Der 25-Jährige ist deutlich langsamer als Bangura und der Spieler, den man im Aufbau stören muss. Mit schnellen Angreifern wird Politevich Probleme bekommen. Dazu kommen zwei unspektakuläre Außenverteidiger, die brav kämpfen und sich taktisch grundsätzlich richtig verhalten, aber keine Wunderdinge auf den Rasen zaubern: Roman Begunov auf rechts, Maksim Vitus auf links.
Top-Tormann
Neben Stürmer Beqiraj ist der Tormann der Star im Team Dinamos. Aleksandr Gutor ist 26 Jahre alt, lernte bei BATE Borisov und spielt seit 2 ½ Jahren für Dinamo. Seine seltenen Probleme bei Flanken und in der Strafraumbeherrschung macht er mit seinen fantastischen Reflexen auf der Linie wieder wett. Gutor zu überwinden wird kein Leichtes sein.
Die zentralen Punkte für heute Abend
- Fatos Beqiraj in den Griff bekommen. Auch im Auswärtsspiel hoch stehen, um den Montenegriner vom Strafraum fernzuhalten und ihm äußerst robust gegenüber treten.
- Im Pressing wird es darauf ankommen Nikita Korzun und Nenad Adamovic zuzustellen. Korzun sollte sogar verfolgt werden, wenn er die Rolle des abkippenden Sechsers einnimmt. Es ist bereits viel gewonnen, wenn die Innenverteidiger den Aufbau machen müssen und Korzun sich nicht entfalten kann.
- Sergei Politevich anbohren. Dem 190cm großen Innenverteidiger liegt das Spiel gegen die Roten Bullen nicht. Er bevorzugt große, robuste Gegenspieler, gegen die er seine Kopfballstärke ausspielen kann. Wenn’s am Boden flott geht, wird Politevich Probleme bekommen.
- Bei Angriffen von Dinamo Minsk sollte man Gleb Rassadkin nicht zu viele Freiheiten im Zwischenlinienraum geben, sondern gegebenenfalls mit ihm in ebendiesen rausrücken. Er ist anfällig auf Ballverluste und spielt für seine Rolle und Möglichkeiten etwas zu häufig mit dem Rücken zum gegnerischen Tor, was Kontermöglichkeiten zur Folge haben könnte.
Die möglichen Aufstellungen
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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