Liverpool und Dortmund – in den Farben getrennt, doch in vielem vereint
Europa League 7.April.2016 Werner Sonnleitner 0
Heute Abend erwartet unzähligen Fußball-Fans ein ganz besonderer Leckerbissen. Jürgen Klopp kehrt mit dem FC Liverpool nur 320 Tage nach seinem emotionalen Abschied von der Südtribüne an seine alte Wirkungsstätte zurück. Sieben Jahre war der Signal Iduna Park die Heimat des Deutschen Meistermachers. Doch nicht nur Jürgen Klopp ist eine Gemeinsamkeit, die die beiden Klubs verbindet. Der FC Liverpool und Borussia Dortmund sind zwei Vereine mit ähnlichen Wurzeln und zahlreichen Parallelen. Einige davon möchten wir uns hier näher ansehen.
Die Stadt – industrieller Charme, statt glitzernder Metropole
Schon bei den beiden Heimatstädten findet man erste Gemeinsamkeiten. Liverpool und Dortmund, das sind zwei überschaubare, mittelgroße Arbeiterstädte. Da der raue Ruhrpott-Flair, dort der ehemals wichtige Handelshafen mit den zahlreichen, heute oft stillgelegten Fabrikgebäuden. Beide sind keine weltbewegenden Metropolen oder von allzu großen Touristen-Scharen überrannt. Eher industriell geprägt, verfügen sie dazu über eine feine Kulturszene und warten mit vielen interessanten Insidertipps auf. So bieten Städtetrips zwar weniger Sightseeing-Foto-Objekte als strahlenden Metropolen wie London oder München, dafür aber das besondere Flair einer fußballverrückten Arbeiterstadt.
Im Schatten des Klassenprimus
In Deutschland gibt es langfristig wohl kaum ein Vorbeikommen am FC Bayern München. Mit nachhaltiger Arbeit, geschickten Transfers und natürlich auch dem nötigen Glück-Können-Mix mauserte sich der BVB aus einer schwierigen Phase nach der erfolgreichen Zeit um die Jahrtausendwende wieder zur Nummer zwei in Deutschland und positionierte sich zum Anführer der Bayern-Jägerschar. Die Schwarz-Gelben haben sich in Deutschland wieder zu einer festen Größe etabliert, trotzdem ist der FC Bayern sowohl wirtschaftlich als auch vom weltweiten Fanpotential momentan schier uneinholbar.
Auch in England spricht der Fußballfan zuerst über größere, aktuell erfolgreichere, mit klingenderen Namen bestückte Vereine. Im Gegensatz zu den Schwarzgelben konnten sich die Reds aber nicht als der große Verfolger der finanzstarken Vereine aus London und Manchester langfristig positionieren. Dazu wurde in der Vergangenheit einfach zu viel falsch gemacht. Liverpool stagniert – über mehrere Saisonen betrachtet, Schwankungen nach oben wie 2013/14 einmal ausgenommen – eher schon im grauen Niemandsland, statt unter den absoluten Topteams im Spitzenfeld der Tabelle. Dorthin wo übrigens auch der BVB abrutschte, bevor ein gewisser Jürgen Klopp die Geschicke übernahm.
Große Vergangenheit, hohe Ansprüche
Doch unabhängig vom realistischen Zustand des Kaders, gilt der FC Liverpool jeden Sommer als der Favorit auf den Titel. Zumindest unter den eigenen Fans, die Jahr für Jahr die Hoffnung auf einen Titel – den ersten seit 1990 – nicht aufgeben wollen. Wenn dann meist im Herbst die ersten Blätter von den Bäumen rund um Anfield fallen, ist der Traum vom großen Coup meist schon wieder ausgeträumt und die Realität schlug knallhart zurück. Die glorreiche Vergangenheit führt zu hohen Ansprüchen an der Merseyside, die ein nicht mehr mit wirklichen Weltklasse-Kickern bestücktes Team ohne einen taktischen Masterplan oder einen Ergebnis-Lauf kaum erreichbar sind. Ähnlich auch die Lage beim BVB, dort wird ebenfalls mindestens Platz zwei erwartet, bestenfalls sogar Platz eins erhofft. Bis auf die menschlich natürlich-verständliche Ausrutscher-Saison 2014/15 konnte der BVB die Ansprüche in den letzten Jahren immer gut erfüllen.
Die hoch gesteckte Erwartungshaltung resultiert von den Erfolgen der Vergangenheit. Beide Trophäenschranke sind sowohl mit Champions-League- und UEFA- oder Pokalsieger-Cup-Trophäen, als auch mit nationalen Meister- und Cup-Pokalen bestens bestückt.
Die Hymne
Wenn kurz vor Anpfiff die Schals in Anfield oder in Dortmund ausgebreitet werden und aus den Lautsprecher „You’ll never walk alone“ ertönt, ist Gänsehautstimmung pur angesagt. Aus zehntausenden enthusiastischen Kehlen ertönt dann die Hymne, die bei den Spielern für den nötigen Extra-Kick sorgen soll. Erstmals ertönte der ursprüngliche Musical-Song 1963 in Anfield und gehört seitdem zum fixen Repertoire der Reds. Damals wie heute stammt die Version von „Gerry and the Pacemakers“, einer Band aus Liverpool. Als die Soundanlage in den Sechzigern wieder einmal streikte, sangen die Fans einfach selber ihr Lied und so ist es noch bis heute. Aus einer Panne wurde eine Tradition geboren. Auch auf der Südtribüne gehört der Song nun vor und nach dem Spiel zum fixen Bestandteil eines BVB-Heimspiels, natürlich bestens intoniert von der gelben Wand. Gänsehaut pur, als vor wenigen Wochen ein BVB-Fan einen tödlichen Herzinfarkt in der Fankurve erlitt. Das gemeinsame „You‘ ll never walk alone“ zwischen Mannschaft, Fans und den Mainzer Gästen, wird als einer der emotionalsten Momente des Fußballjahres Geschichte machen.
Südtribüne vs. Kop
Hier sind wir auch schon beim Herzstück der Vereine, die Tatsache, die wohl beide Klubs unverwechselbar macht: Die unabdingbare Liebe der Fans zu ihrem Verein. Keine Tribüne ist auf der britischen Insel so bekannt und so berüchtigt wie der legendäre Kop, hinterm Tor an der südwestlichen Seite der Anfield Road. Dort wo sich der harte Kern der Reds-Fans formiert um in einem Stadion, dass immer mehr von weniger engagierten Touristen überlaufen wird, noch das ursprüngliche Flair aufrecht zu erhalten. Der gleiche Kultfaktor gilt auch für die – etwas größer dimensionierte, weil knapp 90 Jahre jünger – Südtribüne oder „die gelbe Wand“. Trotz einer hochgehaltenen Fankultur in unserem Nachbarland, kommt kein Stadion an die unverwechselbare Stimmung ran, wenn die knapp 25.000 auf der steilen Süd ihr Team nach vorne peitschen.
Jürgen Klopp
Kaum ein Trainer versprüht aktuell dermaßen an Charisma wie der 49-Jährige gebürtige Schwabe. Wenn Jürgen Klopp an der Seitenauslinie turnt, sind Emotionen garantiert. Auch wenn sein intensiver Spielstil immer wieder kritisch beäugt wird (Stichwort: Oberschenkelverletzungen) und auch die taktische Flexibilität (der berühmte Plan B) ihm von seinen Kritikern abgesprochen wird, eins macht Kloppo wohl unverwechselbar: Egal ob in Mainz, Dortmund oder nun in Liverpool, der 1,90-Hüne bringt es immer überzeugend rüber, als ob er gerade der größte Fan seines jeweiligen Klubs ist. Genau dies, was bei den fußballverrückten, in ihren Verein verliebten Fans aus Dortmund oder Liverpool die Erfolgsformel zum Publikumsliebling ist. Sympathisch oder nicht, dies kann jeder für sich selbst entschieden. Doch unbestritten ist, dass er den Fußball lebt, frischen Wind und Dynamik in seine Mannschaften bringt. Dazu gelingt es ihm meist, die vorgelebte Leidenschaft seinen Spielern einzuimpfen, womit auch individuelle Schwächen oftmals mannschaftlich kaschiert werden können. In Liverpool musste man aber mittlerweile schon erkennen, dass selbst er nicht der personifizierte Fußball-Messias ist, der gemütlich über die Merseyside spaziert. Aber immerhin hauchte er schon dem BVB wieder neues Leben ein, eine schwierige Mission die jetzt auch beim ehemaligen englischen Rekordmeister gelingen soll.
Doch nicht nur abseits des Platzes verbindet die Gelben mit den Roten einiges. Auch am Grün gab es schon interessante Duelle, auf die wir im nächsten Bericht zurückblicken möchten.
Werner Sonnleitner, abseits.at
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