Nostalgie: Der UEFA-Cup-Thriller zwischen Liverpool und Alaves
Europa League 18.Mai.2016 David Goigitzer 0
Lang ist’s her: 2001 war das letzte Uefa-Cup- (jetzt: Europa League-) Finale, das der FC Liverpool bestritt. Auch damals ging es gegen eine spanische Mannschaft, gegen den für viele mittlerweile unbekannten CD Alavés, der jedoch aufsteigen und 2016/17 wieder an der Primera División teilnehmen wird. Das Finale, das im damaligen Westfalenstadion stattfand, haben wir für euch analysiert.
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Prinzipielle Aufstellungen
Der FC Liverpool trat im klassischen englischen 4-4-2 an, mit der Doppelspitze Owen/Heskey. Im Aufbau kippte McAllister diagonal ab, um mit mehr Platz den Ball verteilen zu können, jedoch schob dabei Rechtsverteidiger Babbel nicht höher, womit die Raumaufteilung der Engländer also suboptimal war. Der Aufbau, sofern es nur ein wenig Gegenwehr gab, wurde primär über hohe Bäle ausgeführt. Zielspieler war hier der körperlich starke Heskey.
In der Defensive agierte man ebenfalls im 4-4-2 und war dabei sehr positionsorientiert, jedoch alles andere als kompakt. Vor allem die vertikale Kompaktheit ließ zu wünschen übrig, weshalb der Zwischenlinienraum von den Spaniern recht einfach zu bespielen war. Dies führte zu vielversprechenden Stafetten der Basken, die sich aufgrund der typisch englischen Einstellung, dass Verteidiger nur im allerhöchsten Notfall aus der Formation rücken dürfen, oft mit viel Platz drehen und den Ball untereinander manövrieren konnte.
Alavés formierte sich in einem 1-3-4-1-1 mit Libero Karmona und Jordi Cruyff, Sohn des Johan (Gott hab ihn selig), auf der Zehn. Man war deutlich kombinativer ausgelegt und versuchte sich über Flachpassspiel nach vorne zu kombinieren, wenngleich man auch manchmal durchaus auch mit frühen hohen Bällen versuchte, da die Abwehr der Briten sehr tief stand und die beiden Stürmer sehr hoch schieben konnten.
In der Defensive agierte man trotz Libero raumorientiert und oft in einer 4-4-2-Pressing-Staffelung wobei die Flügelverteidiger oft weit nach vorne schoben um den Ballführenden nahe der Outlinie zu attackieren. Nach Ballverlust gab es meist individuelles Gegenpressing des nächstgelegenen Spielers, während der umliegende Rest die Passwege abschnitt, jedoch nicht ballorientiert hin verschob.
Alavés dominant, Liverpool eiskalt
Früh ging der FC Liverpool durch ein Kopfballtor von Markus Babbel in Führung, der in Minute 4 nach Freistoß von Gary McAllister im Fünferraum zur Stelle war und das 1:0 erzielte. Deportivo kristallisierte sich jedoch als die dominantere Mannschaft heraus, mit ihrem Flachpassspiel versuchten sie sich sukzessive nach vorne zu kombinieren, vor allem die gut besetzte Mitte wurde hier fokussiert. Dennoch gingen die Reds in Minute 16 durch Gerrard erneut in Führung: Nach einem argen Fehlpass im Aufbau der Basken kam Owen an den Ball und schickte den jungen Gerrard in den Strafraum, der aus elf Metern ins kurze Eck abzog. Die in blau gekleideten Spanier verloren das Spiel nun etwas aus der Kontrolle, man ließ sich von Liverpools Spielanlage anstecken und vom eigenen Rückstand beeinflussen und schlug zu viele hohe Bälle von hinten auf Cruyff und Moreno, die gegen Hyppiä und Henchoz physisch deutlich unterlegen waren. Die beiden Innenverteidiger dominierten diese Duelle, dennoch kam der Anschlusstreffer durch ein Kopfballtor: Iván Alonso bekam eine Flanke auf die zweite Stange, Rechtsverteidiger Babbel hatte eine schlechte Körperstellung zum Flankenball von Cosmin Contra und wurde vom spanischen Flügelstürmer übersprungen. Die Spanier waren wieder die dominantere Mannschaft, wusste die Zwischenlinienräume durch Positionswechsel von Cruyff und Astudillo gut bespielen konnten. Der Sohn von Legende Johan Cruyff ließ sich immer wieder in die zweite Aufbaulinie fallen und agierte sehr strategisch. Im Pressing agierte man ebenfalls klug, in Bogenläufen sperrte man Verlagerungen ab, die ballnahe Flügeloption wurde ebenfalls zugestellt und aufgrund der schwachen Raumaufteilung musste Liverpool so gut wie immer zum hohen Ball greifen.
Henchoz muss diesen Ball aufgrund von hoher Bedrängnis hoch wegschlagen. Die tiefen Außenverteidiger, die fehlende Einbindung des Torwarts und die schwachen Bewegungen sind die Ursache für die fehlende nVerbindungen nach vorne, was Alavés den Ballgewinn im Pressing erleichtert.
Einzig die Chancenaufarbeitung von Alavés war zu sehr auf den Zufall gebaut, Durchbrüche suchte man primär über die Seiten und versuchte danach zu flanken. Man war recht ungeduldig und wenn diese Durchbrüche nicht gelangen, dann flankte man oft aus dem Halbfeld. Zwar wurde der Strafraum immer wieder dynamisch und mit zwei, drei Spielern besetzt, jedoch konnte die gute Strafraumverteidigung der Scouses diese Bälle meist entschärfen.
Kurz vor der Halbzeit konnten die Spanier mit einem Schnellangriff die schwache vertikale Kompaktheit der Liverpooler fast ausnutzen, Moreno vergab freistehend vor Torwart Westerveld und damit auch den Ausgleich. Quasi „zur Strafe“ gelang Gary McAllister per Elfmeter nach einem Foul die 3:1 Führung, vier Minuten vor der Pause.
Zweite Halbzeit und Verlängerung
Die Spanier führten ihr vorheriges Spiel weiter, dominierten den Ballbesitz und fokussierten sich auf Flügeldurchbrüche mit Flanken. Kurz nach Wiederanpfiff konnte man auch gleich das 3:2 erzielen: Nach starkem Dribbling vom an diesem Tag herausragenden Contra und folgender Flanke war Moreno per Kopf zur Stelle: Er hatte sich mit klugen, kurzen Bewegungen aus dem Sichtfeld der Verteidiger bewegt, die Zuordnung war nicht mehr klar und er konnte den Ball zum Anschluss ins Tor köpfen. Zwei Minuten später war es erneut Moreno, der mit einem traumhaften Freistoß den Ausgleich erzielte. Liverpool bolzte konsequent weiter und wechselte in der 55. Minute mit Smicer auch einen offensiven Mittelfeldspieler für Innenverteidiger Henchoz ein. Dies erlaubte den Briten natürlich erfolgreicher im Kampf um den zweiten Ball zu agieren. Die Reds machten das Spiel chaotisch, Alavés verlierte mit fortlaufender Spielzeit die Kontrolle über den Ball, wenngleich man immer wieder längere Phasen der Ballzirkulation hatte, die jedoch nur wenig einbrachten. Durch den instabilen Fokus auf Flanken gab es auch viele Ballverluste, die nicht immer vom Gegenpressing aufgefangen werden konnten. Das entstandene Chaos und die vielen Kontersituationen spielte den physisch stärkeren Liverpoolern in die Karten, und in Minute 77 kombinierte sich diese individuelle Überlegenheit mit der Unterlegenheit des Spiels mit Libero. Fowler nutzte die nicht vorhandene Abseitsfalle und setzte sich im Duell im Strafraum nach Pass von McAllister durch und erzielte das 4:3. McAllister steuerte bei diesem Treffer seinen zweiten Assist bei.
McAllister mit Übersicht, Karmona hebt das Abseits auf und Fowler sprintet in den Strafraum
Die Spanier gaben sich jedoch nicht auf und wollten diese verrückte Schlacht weiterführen, taten dies jedoch mit Bedacht und zogen weiterhin ihr System durch. Sie erhöhten den Druck auf die Abwehr der Reds, viele Flanken und Ecken waren das Resultat. Eine dieser Ecken köpfte Jordi Cruyff zum 4:4, dieses Tor, womit es in die Verlängerung ging. Diese war geprägt von vielen Fehlern, die Müdigkeit auf beiden Seiten wurde deutlich. Bezeichnend dafür: In Minute 117 entschied ein unglückliches Eigentor von Delfí Geli die Partie zugunsten der Reds.
Fazit
Zwei absolut gegensätzliche Zugänge zum Fußball trafen sich an diesem Tag und führten ein spannendes Duell, beide wussten ihr System konsequent durchzuführen, wenngleich beide auch ihre Schwachstellen hatten, welche die Gegner auch auszunutzen wussten. Ein sehr knappes und aufregendes Spiel, das hoffentlich für das heutige Finale ein Vorbote ist.
David Goigitzer, abseits.at
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David Goigitzer
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