PAOKs Flexibilität bricht Rapids Ordnung – Chancen nach 1:2 dennoch intakt
Europa League 24.August.2012 Alexander Semeliker 3
Der SK Rapid Wien verlor das Hinspiel des Europa-League-Playoffs bei PAOK Thessaloniki mit 1:2. Zwar brachte Deni Alar die Hütteldorfer mit der ersten Chance in Führung, individuelle Fehler der Hintermannschaft kosteten aber eine bessere Ausgangslage für das Rückspiel. Athanasiadis und Katsikas drehten in der Schlussphase das Spiel zugunsten der Gastgeber, deren Sieg unterm Strich auch in Ordnung geht.
Aufgrund schwerer Krawalle kurz vor dem Spiel wurde der Anstoßzeitpunkt kurzfristig nach hinten verlegt. Obwohl zahlreiche Leuchtraketen durch die Gegend flogen, Böller explodierten und hunderte Fans das Spielfeld belagerten, beschloss Schiedsrichter Andre Marriner das Spiel anzupfeifen. Entgegen vieler Befürchtungen gab es während der Partie keine weiteren Ausschreitungen, wodurch diese standesgemäß zu Ende gespielt werden konnte.
PAOK zunächst ohne Stars
PAOKs Trainer Georgios Donis verzichtete auf seinen Starstürmer Salpingidis in der Startformation, brachte stattdessen Giannou. Die erwartete Aufgabenverteilung des Sturmduos veränderte sich dadurch geringfügig. Phasenweise kreiste nämlich Athanasiadis, ein eher statischer Stürmertyp, auch um seinen Partner, was im anderen Szenario nicht der Fall gewesen wäre. Außerdem saßen mit EM-Teilnehmer Fotakis und dem Premier-League-erfahrenen Lawrence zwei weitere Hochkaräter auf der Bank, auf der auch der neue Stammkeeper Jacobo platznahm.
Rapid ohne Drazan und Trimmel
Rapid musste Trimmel und Drazan verletzungsbedingt vorgeben. Als Reaktion darauf erwarteten sich viele, dass Alar Drazans Position übernehmen und Boyd ins Sturmzentrum rotieren würde. Doch Peter Schöttel überraschte mit Youngster Grozurek, der auf dem linken Flügel eine unauffällige Leistung zeigte und in der zweiten Hälfte ausgewechselt wurde. Ansonsten blieb im Vergleich zum 3:0-Sieg gegen Sturm Graz alles beim Alten. Im defensiven Mittelfeld fungierte Heikkinen als Zerstörer, während Ildiz einmal mehr seine Handlungsschnelligkeit unter Beweis stellte.
Nur Ildiz sorgt für Offensivimpulse
Der 21-Jährige hatte einen großen Aktionsradius, führte in der Defensive – genauso wie Innenverteidiger Gerson – intelligente Zweikämpfe und lief Pässe ab. In die Vorwärtsbewegung schaltete er schnell um und war im Prinzip der einzige Rapid-Akteur, von dem kreative Ideen ausgingen. Bestes Beispiel dafür ist das 1:0, zu dem er die Vorarbeit leistete. Mit seinem tiefen Schwerpunkt dribbelte er sich leichtfüßig durch die PAOK-Abwehr und legte geistesgegenwärtig auf Alar ab, der ebenso handlungsschnell den Ball ins Netz spitzelte. Ansonsten sah man das schlecht angelegte Aufbauspiel aus der Vorsaison. Die Innenverteidigung – vor allem Sonnleitner, der hauptsächlich Querpässe spielte – wirkte nicht so selbstbewusst wie in der Liga und ließ den Abstand zum Mittelfeld anwachsen. Nach der Führung agierte man zwar ruhiger, ein geordneter Spielaufbau war trotzdem nicht zu erkennen. Verantwortlich dafür war auch, dass PAOK die zentralen Mittelfeldspieler in der zweiten Ebene energisch anlief.
Rapid zwingt PAOK Passrichtung auf
Vielmehr konzentrierten sich die Grün-Weißen auf das Verhindern von Torchancen, was ihnen über weite Strecken der ersten Halbzeit sehr gut gelang. Die beiden Flügelspieler zogen sich gegen den Ball zurück, wodurch ein kompaktes 4-4-1-1 entstand. In diesem stellte Rapid die Schnittstellen zu, was zur Folge hatte, dass PAOK beim Spielaufbau meist nur wenige Möglichkeiten hatte den Ball weiterzupassen. Bevorzugt lenkte man das Spiel so auf die rechte Seite, wo PAOK aufgrund der Tatsache, dass Robert oft in die Mitte drängte, mit Lino nur einen Spieler hatte, der für Breite sorgte. Gegenüber dem Linksverteidiger hatte Rapid zwar eine nominelle zwei-gegen-eins-Überzahl, dennoch kam dieser zu relativ vielen Flanken – vor allem in der ersten Halbzeit. Danach musste der immerhin schon 35-jährige Brasilianer dem hohen Tempo und den hohen Temperaturen Tribut zollen, was dazu führte, dass er in den zweiten 45 Minuten untertauchte.
Untypische Zuordnung infolge von PAOKs Flexibilität
Der Grund dafür, dass Lino in der ersten Hälfte seinen Gegenspieler überlief, beruht darauf, dass sich PAOKs Offensivspieler intelligent bewegten. Robert suchte wie bereits erwähnt oft den Weg ins Zentrum, wo er von Heikkinen gedeckt wurde. Weiters driftete Stürmer Giannou immer wieder auf die linke Seite ab, wo er Rapids Überzahl aufhob und Schimpelsberger teilweise auch aus der Position zog. Dadurch, dass Georgiadis auf der rechten Seite ebenfalls situativ einrückte und Ildiz blockierte, konnte einer der beiden zentralen Spieler – meist war dies Lazar – den antrittsschnellen Lino einsetzen. Im Abwehrzentrum konnten Sonnleitner und Gerson jedoch ihre Überlegenheit gegen Athanasiadis bei Flanken, so diese überhaupt ankamen, ausspielen, weshalb man ohne Gegentor die Seiten wechselte.
Systemumstellung bei PAOK
Zur zweiten Hälfte brachte Donis schließlich die beiden griechischen Nationalspieler Salpingidis und Fotakis, stellte zudem das System um. Mit einer Raute wollte man das Zentrum noch mehr überladen um die Räume auf den Flügeln zu öffnen. Dazu positionierte sich Salpingidis bei tiefem Spielaufbau neben Georgiadis, der die Rautenspitze bildete. Dadurch erlang PAOK im günstigsten Fall eine fünf-zu-drei-Überzahl. Nachdem Lino die Luft ausging, fuhr PAOK nun die Angriffe über dessen Landsmann Etto auf der gegenüberliegenden Seite. In der ersten Halbzeit hielt sich dieser noch weitestgehend zurück, bildete mit den beiden Innenverteidigern eine Dreierkette zur Absicherung. Nur in einzelnen Situationen stieß er aus der Tiefe mit vor.
Abstimmungsprobleme auf Rapids linker Seite
Genau dieses aus-der-Tiefe-Kommen machte ihn dann in der zweiten Halbzeit so gefährlich. Dadurch, dass er sich nicht so offensiv positionierte wie Lino und Fotakis auf der Halbposition spielte, war er auf dem Papier weder Grozurek noch Katzer zugeordnet. Den beiden fehlten sichtlich die Abstimmung, was sich PAOK zunutze machte – Athanasiadis‘ Lattenkopfball, vorbereitet durch eine Flanke von der rechten Seite, ist ein Beispiel dafür. Entgegenwirken wollte Schöttel diesem Problem dadurch, dass er mit Schrammel einen defensivorientierteren Spieler fürs linke Mittelfeld brachte.
Lawrence-Einwechslung dreht Spiel
Den entscheidenden Schachzug vollzog aber Schöttels Trainerkollege. In der 68. Minute ersetzte Donis Georgiadis mit Lawrence, der seinen Mitspieler nicht eins zu eins ersetzte. Zwar war der Ire auch offensiv orientiert, allerdings verharrte er nicht stur im Zentrum. Mit seinen Bewegungen änderte sich auch die Formation gravierend – neben der Raute konnte man so auch ein flaches 4-4-2 und vor dem 1:1 auch ein 4-3-3 erkennen. Aus seiner zentralen Position heraus sprintete er auf den linken Flügel, während in der Mitte Salpingidis und Athanasiadis auf die Hereingabe warteten. Letzterer konnte schließlich auch einnicken, da Sonnleitner ebenso wie Heikkinen, der Lawrence ziehen ließ, die letzte Konsequenz vermissen ließ.
Was ist im Rückspiel möglich?
Auch das zweite Gegentor wäre zu verhindern gewesen. Nicht nur, dass es hochgradig unnötig war sich von dezimierten Griechen noch derartig unter Druck setzen zu lassen, wurde Katzers verunglückter Klärungsversuch kaum abgesichert, da der Sechzehner-Rückraum völlig frei war – abgesehen davon, dass der Ball unter keinen Umständen dort landen hätte dürfen. Damit gab Rapid eine äußerst gute Ausgangsposition aus der Hand. Nichtsdestotrotz scheint das Tor zur Gruppenphase der Europa League weiter geöffnet. Mit einer ähnlich starken Defensivleistung wie in den ersten 45 Minuten und dem selbstsicheren Aufbauspiel aus der Bundesliga, sollte die Qualifikation gelingen.
Alexander Semeliker, abseits.at
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