Rapid im Fokus (4) – Empfindliche Klatsche im ersten internationalen Härtetest 2016
Europa League 20.Februar.2016 abseits.at Redaktion 0
In den letzten Wochen gab es viel Kritik zur der Spielweise des SK Rapid Wien. Dabei wurde auch nach Siegen auf bestimmte Schwachpunkte hingedeutet, welche gegen stärkere Mannschaften auf internationalem Boden ein Problem und Stolperstein werden könnten. Mit Valencia, das sich eigentlich in einer Krise befindet, kam der erste solche Prüfstein im Frühjahr. Die Kritik an Rapid sollte sich bewahrheiten. Die Iberer wurden zwar von Barcelona im Pokal letztens gedemütigt und befinden sich in der heimischen Liga nur auf Platz 12, doch gegen Rapid war man nach 35 Minuten bereits souverän in Führung; und zwar mit 5:0.
Dieses hohe Ergebnis war die Kulmination all der Mängel, die wir in den letzten Wochen geschildert haben – im Verbund mit starker Chancenverwertung Valencias in der ersten Halbzeit, individueller Unterlegenheit und physisch-mentalen Problemen nach dem Rückstand auf Seiten Rapids. Im Artikel fokussieren wir uns aber natürlich auf die taktischen Probleme.
Druck und strategische Entscheidungsfindung
Rapid musste in den ersten Teilen unserer Serie immer wieder Kritik einstecken, weil die Spieler auf dem Spielfeld eine unverbundene Orientierung haben. Die einzelnen Spieler scheinen keine Fixpunkte zu haben, woran sie sich orientieren sollen. Bei Ballannahmen von einer Seite fehlt der Blick zur anderen, die anderen Spieler positionieren sich auch nicht dementsprechend und häufig entstehen Situationen, in denen Passmöglichkeiten kaum möglich sind – oder man zuerst warten muss, bis sich ein Mitspieler passend anbietet. Grundsätzlich fehlt es an der korrekten Entscheidungsfindung aller Spieler, um eine schnelle und sichere Ballzirkulation zu ermöglichen. Insbesondere die Verbindung davon ist unpassend. In einer Szene gleich zu Beginn wurde dies sehr deutlich.
In dieser Situation steht der Passempfänger bereits etwas zu hoch; würde er tiefer stehen, hätte er mehr Abstand zum gegnerischen Pressingspieler und könnte sich leichter zur Seite drehen oder schlichtweg mit mehr Zeit einen Pass spielen. Der Spieler hinter dem Pressingspieler Valencias sollte sich außerdem etwas nach rechts – Richtung Seitenauslinie – anbieten, um für einen Direktpass offen zu sein. Dies passiert ebenfalls nicht; was natürlich halb so schlimm ist und auch bei herausragenden Mannschaften vorkommt. Diese Teams spielen aber dann im Normalfall in offene Räume und lassen den Ball dort laufen. Der Passempfänger in dieser Situation müsste also im Normalfall sofort in die andere Richtung annehmen und den Ball zurückspielen, in die Mitte passen oder verlagern. Dies geschieht aber nicht. Stattdessen versuchen sie auf diesem besetzten Flügel und in der unpassenden Staffelung weiterzuspielen, wodurch sie unter Druck kommen und den Ball letztlich durch einen Pass ins Seitenaus verlieren. Sogar leichter Druck Valencias zu Spielbeginn führte – in Wechselwirkung mit Rapids Problemen – zu solchen Ballverlusten. Ein paar Mal gab es sogar Ballverluste ohne wirklichen Druck.
Spieler wollen automatisch und unbewusst spielen; Fußball ist Intuition, wo man eigentlich nach Gefühl spielt. Diese Intuition muss aber durch das Training verbessert werden. Die Spieler sollen im Training lernen, wo die Mitspieler in einer Situation (ungefähr) stehen; schwaches Training führt dazu, dass dies nicht geschieht. Hier spielt der rechte Außenverteidiger unbedrängt einen Pass in die Mitte. Dieser ist technisch und taktisch schwach. Er dreht sich nicht in die Mitte, er spielt nicht mit einer sauberen Bewegung einen guten Pass, er findet keinen Mitspieler – dieser steht nämlich ein paar Meter tiefer anstatt auf dieser Position. Valencia erobert den Ball und kann attackieren.
Gleiche Probleme in anderen Spielphasen
Ob mit Ball oder ohne: Gewisse Probleme sind immer gleich und sichtbar. Auch ohne Ball sind die gleichmäßige Bewegung der Spieler und ihre Interaktion ungemein wichtig. Jeder Spieler sollte wissen, wie er sich zu bewegen hat, ohne die Verbindung zu seinem Mitspieler zu verlieren. Eine klare Aufgaben- und Rollenverteilung ist wichtig. Beim zweiten Gegentor sieht man exemplarisch, was damit gemeint ist:
Bereits die Entstehung dieser Situation ist problematisch. Santi Mina kann in die Mitte laufen, ohne wirklich unter Druck gesetzt zu werden. Valencia sollte als Mannschaft im Idealfall nicht einmal so hoch auf dem Feld stehen dürfen, der Mangel an Bedrängnis in dieser spezifischen Situation ist allerdings eine noch größere Fahrlässigkeit. Valencias Jungstar hat hier nämlich viele unterschiedliche Aktionsmöglichkeiten; er kann sogar seinen Pass verzögern, um seinem Mitspieler den Lauf in die Spitze zeitlich zu ermöglichen.
Die Bewegung der Rapid-Abwehrkette ist nicht einheitlich. Es rückt keiner rechtzeitig heraus, was in dieser Situation am ehesten der linke Innenverteidiger tun sollte. Auch der rechte Innenverteidiger ist eine Möglichkeit; die Folgebewegung des Teams ist hierbei entscheidend. Wäre einer hinausgerückt, hätten die anderen Spieler nämlich die Tiefe sichern müssen. Dies wird allerdings nicht einmal zu viert gemacht. Einer der beiden Spieler muss den Passweg auf den Spieler, der hier in die Tiefe geht, versperren (der rechte Innenverteidiger) oder ihn mannorientiert verfolgen (der rechte Außenverteidiger). Im Idealfall sollte man beides tun. Gemacht wurde nichts davon und Santi Minas Pass durch die geweiteten Schnittstellen führt zu einem simplen Tor. Auch in höheren Zonen gewährte man zu viel Raum.
In ein paar Situationen, wo das Anlaufen der gegnerischen Abwehrreihe fruchtete, wurde Valencia zu langen Bällen gezwungen. Weil die Abstände zwischen den Spielern bei Rapid jedoch nicht passten, konnten diese langen Bälle relativ problemlos erfolgreich abgelegt werden oder führten zu zweiten Bälle, die Valencia überdurchschnittlich häufig für sich entschied. Aus diesen Situationen konnte man vielversprechende Angriffe aus hohen Zonen mit wenigen Gegenspielern vor sich konstruieren.
Diese offenen Räume ermöglichten aber nicht nur erfolgreiche Ablagen und Balleroberungen nach Befreiungsschlägen, sondern vermieden teilweise auch die langen Bälle.
Hier kann Valencia effektiv eine enge Situation umspielen. Rapids Situation aus der ersten Grafik ist eine vergleichbare Situation, aber die etwas geringeren Abstände Valencias erzeugen mehr Druck und erfordern eine bessere technische Ausführung, weswegen Rapids Aktion scheiterte und Valencias Aktion funktionierte.
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