Rapid im Fokus (6) – Valencia legt erneut Rapids Schwachstellen gnadenlos offen
Europa League 26.Februar.2016 abseits.at Redaktion 0
Das Rückspiel in der Europa League zwischen Rapid Wien und Valencia hatte nicht nur formellen Charakter. Für Rapid ging es vor heimischem Publikum um Ehrenrettung und eine weitere Standortverortung in Europa. Das 6:0 Valencias aus dem Hinspiel würde man nicht einholen können, doch zumindest in Wien wollte man sich standesgemäß aus dem internationalen Wettbewerb verabschieden.
Die Vorzeichen waren eigentlich gut dafür: Für Valencia ging es um nichts mehr, da das Weiterkommen auch mit einer schwachen Leistung nicht gefährdet war. Weiters sollte sich die Elf Gary Nevilles eigentlich auf die heimische Liga konzentrieren, wo man einiges wieder gutzumachen hat. Dennoch gewannen die Spanier auswärts mit einem klaren 0:4 und schraubten somit das Ergebnis auf eine zweistellige Differenz über beide Spiele. Dabei zeigten dieses Mal die Gegentore besonders gut die Probleme Rapids.
Wo ist der Druck?
Johan Cruijff prägte einst das Zitat, dass ein schlechter Spieler nicht ein Spieler sei, der Eigentore mache. Ein schlechter Spieler sei jener, der unter Druck Fehler mache. Ohne Druck, so die Logik, könne jeder auf diesem Niveau starke Leistungen abrufen und gute Einzelaktionen zeigen. Im modernen Fußball ist das Attackieren des gegnerischen Ballführenden und/oder das Versperren der Anspielstationen enorm wichtig geworden. Wird dies nicht getan, bieten sich leicht bespielbare Situationen.
Rapid ließ diese Prämisse vermissen. Valencias erstes Tor war bereits in der Entstehung eindeutig. Schon vor der Vorlage zum Treffer selbst hatte Valencia das Pressing der Hütteldorfer simpel überspielt.
Wie hier zu sehen ist, gibt es zwischen Rapids Linien einen enorm großen Zwischenlinienraum. Obwohl das Mittelfeld von der Abwehr weit entfernt steht, schaffen sie es nicht, Druck aufzubauen. Dadurch ist ein einfacher Schnittstellenpass möglich. Der Passempfänger kann den Ball fast problemlos in die Mitte ablegen und Valencia gewinnt dadurch Raum; ein konstanter Aspekt in beiden Spielen gegen die Spanier. Rapid zieht sich allerdings vergleichsweise schnell zurück und zwingt Valencia zu einer nicht allzu gefährlichen Zirkulation.
Dennoch hat Valencia an Raum gewonnen; und nutzt dies sehr gut. Mit ein paar Rückpässen vom linken Flügel (nach einem Seitenwechsel) zum Torwart lässt sich Rapid herauslocken. Zwischen den Stürmern und den restlichen Spielern klaffen eklatante Löcher, weil das Verschieben nicht gleichzeitig stattfindet. Dadurch kann Valencia simpel nach vorne spielen und der Passempfänger im Sechserraum kann sich drehen.
Wie man sehen kann, hat Valencia hier viel Raum in der Mitte. Die zwei Viererketten Rapids decken kaum die relevanten Räume ab. So steht der linke Innenverteidiger zu hoch, der rechte Innenverteidiger und der rechte Außenverteidiger decken gleichzeitig Valencias linken Stürmer, ohne sich um die Tiefenstaffelung zu kümmern. Valencia hat hier einen Dynamikvorteil im Sechserraum und in der letzten Linie; keine gute Mischung.
Valencias technisch starke Mittelfeldspieler und die schnellen Angreifer können relativ einfach Pässe aus solchen Situationen hinter die gegnerische Linie bringen. Diese Situation ist also durch die Verfehlungen im Pressing Rapids entstanden und die Fehlerkette setzte sich dann basierend darauf weiterhin fort.
Philipp Eitzinger von ballverliebt.eu schrieb auch auf Twitter, dass Rapid mehrere Gegentore auf die grundsätzlich selbe Art und Weise erhalten hatte gegen Valencia. Zwar ist dies natürlich nicht buchstäblich gemeint, die taktischen Aspekte selbst waren häufig unterschiedlich, doch grundsätzlich waren es die gleichen Fehler, welche ähnliche Angriffsmuster entstehen ließen. Dies sieht man beim zweiten Treffer.
Es ist eine grundsätzlich ähnliche strategische Situation: Rapid verhält sich im Pressing nicht adäquat, ist nicht kompakt genug und verschiebt nicht im gleichen Rhythmus. Es öffnen sich Räume, die Valencia bespielen kann – und diese Räume befinden sich auch noch innerhalb der Formation Rapids und auf den gegnerischen Ballführenden im Zentrum wird kein Druck aufgebaut. Dadurch kann dieser einen Spieler hinter die hoch aufgerückte, aber ungeschützte und unpassend aufgestellte Rapid-Abwehrkette spielen, die mit einem Dynamiknachteil einen athletisch überlegenen Angreifer verteidigen soll. Abermals endet dies in einem Gegentor.
Dass dies nicht nur in organisierten Pressingsituationen der Fall war, sondern es ein Problem ist, welches sich durch alle Phasen und Situationen zieht, war beim dritten Treffer erkennbar.
Die Situation beginnt mit Ballbesitz Rapids weit in der gegnerischen Hälfte. Die Grün-Weißen zirkulieren am gegnerischen Strafraum den Ball, aber stehen schlecht gestaffelt. Sie hatten sehr viele Spieler flach in der letzten Linie formiert, wodurch es kaum Anspielstationen und gleichzeitig wenig Absicherung in tieferen Zonen gab. Als der Ball verloren geht, reicht ein gewonnener Zweikampf und ein Pass, damit Feghouli ganze neun Sekunden(!) unbedrängt über das Feld marschieren kann.
Rapids Verteidiger weichen zurück und sind passiv, dazu befindet sich schlichtweg kein einziger Spieler vor ihnen, der sie unterstützen oder zumindest den Angriff Valencias entschleunigen könnte. Das Gegenpressing Rapids war nicht besonders aggressiv und durch die schlechte Staffelung ohnehin nicht erfolgsversprechend, auch das defensive Umschalten danach funktioniert nicht. Feghouli stößt noch weiter nach vorne und spielt wieder einen Schnittstellenpass, der mustergültig zum 0:3 verwandelt wird.
Diese Probleme zeigten sich in den letzten Wochen schon mehrmals bei Rapid. Valencia bestrafte es über beide Spiele konstant. Immer wieder gab es sehr simple Ballzirkulationen über eine breit gefächerte und tief gestaffelte Positionsstruktur, welche Rapids Formation komplett desorganisierte. Das Pressing war zu unkompakt und über die Flügel sowie Ablagen in die Mitte oder eben Schnittstellenpässe konnte Valencia nicht nur Raum gewinnen, sondern in zentralen Räumen mit Sichtfeld nach vorne innerhalb der gegnerischen Formation den Ball kontrollieren.
Das 0:4 kurz vor Schluss, welches das zusammengezählte Ergebnis zweistellig machte, entstand nach einer anderen Schwachstelle, die jüngst erwähnt wurde.
Deckungsverhalten bei Standards
Raum- oder Manndeckung: Zwar ist statistisch und taktisch die Raumdeckung bei Standards leicht überlegen, doch immer sind die genaue Mischung, die Spielertypen und die Bewegung wichtig. Rapid zeigte kurz vor Spielschluss ein Negativbeispiel.
Fünf Spieler stehen in einer Linie, drei andere sollen davor manndecken, sind aber in der Unterzahl. Diese Mischung ist an sich kein Problem, wenn die Kommunikation passt. Die Manndecker sollen Bewegungen blocken und die Raumdecker müssen aggressiv auf den Ball gehen, um diesen klären zu können. Die Raumdecker sind allerdings passiv, rücken nicht heraus und die Manndecker wiederum verfolgen ihre Gegenspieler nicht. Diese Mischung macht es Valencia einfach und führt zum Gegentor.
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