Rapid „immer gleich“: Vom 1:2 in Helsinki und wieso das Gezeigte nicht nur als „Phase“ zu bewerten ist
Europa League 21.August.2014 Daniel Mandl 11
Der SK Rapid Wien unterlag HJK Helsinki auswärts mit 1:2. Die Leistung, die die Grün-Weißen dabei boten, ist vereinfacht als blamabel zu bezeichnen. Die Spieler präsentierten sich erneut ideen- und größtenteils verantwortungslos, die Körpersprache ließ zu wünschen übrig und dennoch sind nun eher Rapids Trainer bzw. die sportliche Führung gefragt, um noch rechtzeitig zurück zu rudern, ehe man sich in einem Konzept verfährt, das Rapid zum Mittelständler macht. abseits.at analysiert das „Warum“.
Was bereits zuvor zu erwarten war, bestätigte sich im heutigen Abendspiel: Der finnische Meister HJK Helsinki ist insgesamt bis dato Rapids schwächster Gegner im Playoff der Europa League. Die spielerische Qualität der Finnen ist überschaubar, das Aufbauspiel unterdurchschnittlich, lediglich auf kämpferischer Ebene konnte die Mannschaft von Trainer Mika Lehkosuo überzeugen. Das Konzept HJKs war jedoch erwartungsgemäß altmodisch, stark auf Einzelaktionen ausgelegt und destruktiv – eben so, wie es Rapid nicht liegt.
Keineswegs dominant und gut geordnet
Trainer Zoran Barisic betonte vor dem Spiel, dass mit HJK ein Gegner auf seine Mannschaft warte, der in Ballbesitz sehr dominant auftritt und gut geordnet ist. Hierbei handelt es schlichtweg um eine Fehlanalyse, denn HJK ist maximal eine läuferisch recht aktive Kontermannschaft, die das Mittelfeld überbrückt und in Ballbesitz nicht nur unsicher am Ball, sondern auch völlig ideenlos und unpräzise im Spielaufbau ist.
Die beiden Gastgeschenke Rapids
Auch als „ordentliche“ Mannschaft sind die Finnen keineswegs zu bezeichnen. Der finnische Rekordmeister hatte aber gegen den österreichischen zwei einfache taktische Vorteile, die nicht in ihrer Hand lagen, sondern von Rapid so serviert wurden:
- Rapids Spielaufbau ging, in der Hoffnung die Finnen ein wenig herauslocken zu können, viel zu langsam vonstatten, wodurch das sture Formieren in zwei Ketten für HJK ein Leichtes war.
- Rapid praktizierte nur zehn Minuten lang mannschaftlich geschlossenes Gegenpressing – und zwar genau in der Phase, die Louis Schaub mit dem 1:0 für die Wiener beendete. Das Gegenpressing funktionierte, obwohl sich nur zwei bis drei Spieler Rapids daran beteiligten, was wiederum die Unterdurchschnittlichkeit Helsinkis im Spielaufbau unterstreicht. Trotzdem hielt Rapid diesen Druck danach nicht aufrecht (ebenso wenig wie in der 1.Halbzeit) und „joggte“ in eine peinliche Niederlage.
4-2-3-1 statt 4-3-3
Dass HJK im Spielaufbau viel zu selten unter Druck gesetzt wurde, zeugt ebenso wie die Startaufstellung von mangelnder Vorbereitung vonseiten Rapids. Die Variante mit dem immer wieder einrückenden Steffen Hofmann überlud erst recht wieder die Zentralachse, von der bekannt war, dass HJK sie zentral-defensiv stark überlädt, während die Halbpositionen und Schnittstellen nach außen anfällig auf Schnitzer sind.
„Immer gleich“
Dies führt uns zu einem großen Grundproblem des SK Rapid 2014/15: Vereinfacht ausgedrückt spielt Rapid „immer gleich“. Die mangelnde Durchschlagskraft ist ein Resultat aus Personalplanung und spielerischem Konzept und kann in naher Zukunft praktisch nicht abgestellt werden. Es ist derzeit schlichtweg extrem einfach gegen Rapid zu spielen – eine konzentrierte Abwehrleistung und gezieltes Umschaltspiel von Defensive auf Offensive ziehen Rapid praktisch immer den Zahn.
Rapids Konzept setzt sich langfristig nicht durch
Klar: Es werden Tage kommen, an dem sich Rapid durch die gegnerischen Abwehrreihen durchkombinieren kann und der letzte Pass glückt, aber wenn man das Konzept als großes Ganzes betrachtet, wird augenscheinlich, dass es sich weder mittel- noch langfristig durchsetzen wird. Die Gründe dafür sind mannigfaltig:
- Rapid ist als Mannschaft nicht durchschlagskräftig, weil man praktisch über keine durchschlagskräftigen Spieler verfügt.
- Gezieltes, mannschaftlich geschlossenes Pressing scheint im Konzept von Zoran Barisic nur eine untergeordnete Rolle zu spielen. Klar möchte Rapid schnell in Ballbesitz kommen, aber wenn ein spielerisches Konzept auf Ballbesitz in hohen Feldregionen und das Warten auf den richtigen Moment für den „tödlichen Pass“ ausgelegt ist, sollte Pressing (nach dem Vorbild Red Bull Salzburgs) in hohen Zonen des Spielfelds keine Randnotiz, sondern die oberste Maxime sein. Dies spießt sich bei Rapid aber schon daran, dass die Staffelung im zentralen Mittelfeld nicht passt und auch die Abwehrkette bei gegnerischem Aufbauspiel praktisch permanent zu tief steht.
- Den aktuell eingesetzten, zentralen (eher defensiven) Mittelfeldspielern Rapids fehlt es an Torgefährlichkeit, Spielwitz und dem Gespür für Raum und Zeit. Immer wieder wurde Rapids Aufbau- bzw. phasenweise sogar Umschaltspiel von der Doppelacht Wydra-Behrendt gebremst oder in die Breite gezogen. Spielverlagerungen geschehen zu selten bzw. zu langsam und das reine Kurzpassspiel im Dreieck, um den Ball in den eigenen Reihen zu behalten, gewinnt keine Spiele.
- Durch ebendieses Kurzpassspiel rund um den gegnerischen Strafraum hängt die einzige Spitze in der Luft bzw. zwischen gegnerischen Verteidigern und wartet an der Grenze zum Abseits auf Bälle, die schlussendlich sowieso nicht kommen, weil jeder Gegner gegen Rapid die Mitte dicht macht und in der unmittelbaren Gefahrenzone sehr mannorientiert agiert. Der Aktionsradius des Stürmers wird einerseits stark beschnitten, andererseits sind die Versuche ihn in aussichtsreiche Aktionen zu bringen zu eindimensional und können vom Gegner leicht unterbunden werden.
- Sämtliche Gegner zeigten auf, dass Rapids Konzept im Grunde überholt ist und die WM bewies, dass derart exzessiver Ballbesitzfußball, wie ihn Rapid betreibt, im Begriff ist, von mehr Dynamik (die geschichtlich betrachtet eher zu Rapid passt) abgelöst zu werden. Ein Großteil der Gegentore, die Rapid in der bisherigen Saison kassierte, unterstreicht dies. Rapid machte das Spiel, die Gegner präsentierten sich auf recht einfachem, direktem Wege effizient.
- Die totale Unausgewogenheit des Kaders erlaubt Rapid kein Umschwenken auf einen Plan B oder eine grundsätzlich andere Spielanlage, wenn es die Situation erfordern würde. Florian Kainz‘ Einwechslung in der Nachspielzeit und die Hoffnung auf eine Einzelaktion des leicht angeschlagenen Neuzugangs unterstrichen diese konzeptionelle Hilflosigkeit – sie wirkte eher wie ein halbherziges Signal nach außen, dass man doch alles unternehmen möchte, um das Spiel doch noch positiv zu gestalten.
Selbstvertrauen, Körpersprache, Verantwortung – und die Erinnerung an Pacult
Weitere Probleme Rapids liegen nicht im konzeptionellen, sondern mehr im mentalen Bereich. Auch diese Hindernisse wurden einmal mehr gegen HJK Helsinki offensichtlich.
- Die Körpersprache der Spieler war über weite Strecken unter jeder Kritik. Bei vielen Spielern hatte man den Eindruck, dass der letzte Wille zum Erfolg, der Biss und die Bereitschaft Verantwortung zu übernehmen fehlt.
- Damit einhergehend wird von Fans und Experten derzeit immer wieder die Ära Pacult als Umkehrbeispiel herangezogen. Bei Rapid hat derzeit niemand „Angst“ davor, eine schlechte Leistung abzuliefern. Schwache Leistungen werden (wohl auch notgedrungen aufgrund der einseitigen Personalsituation) sogar eher noch mit weiteren Einsätzen belohnt.
- Sich auf routinierte Spieler zu verlassen, die die Kohlen aus dem Feuer holen, ist praktisch nicht möglich, weil Rapid im Sommer noch mehr verjüngt wurde und es vor allem in der Offensive an Stützen bzw. Typen fehlt. Viele der jungen Spieler sollten wesentlich mehr Verantwortung übernehmen, nur scheint dieser wichtige Aspekt in der Kommunikation zu kurz zu kommen. Oder aber: Die Spieler können dies einfach nicht. Kaum ein junger Spieler entwickelte sich in den letzten Monaten merklich weiter, wobei am ehesten Mario Pavelic als positives Beispiel erwähnt werden muss. Doch auch dieses Beispiel darf man noch nicht überbewerten, denn Pavelic bestritt gerade mal 15 Pflichtspiele für Rapid. Fast alle Ex-Amateure Rapids stagnieren, keiner sticht über mehrere Spiele hinweg hinaus.
- Mangelndes Selbstvertrauen und der wachsende Druck sind natürlich Themen, die gerade in Phasen wie diesen automatisch aufkommen und in der Öffentlichkeit behandelt werden. Nur sollte der Trainer in der Lage sein, der Mannschaft das Selbstvertrauen wieder einzuimpfen und durch entsprechende Öffentlichkeitsarbeit den Druck von seinen Spielern zu nehmen. Dies gelingt Barisic derzeit offensichtlich nicht –in den zuletzt beschriebenen Punkten ist aber gerade er gefragt, zumal auch er es war, der sich für eine solch junge Mannschaft und die umstrittene Spielidee entschied.
Eine Niederlage ist kein Problem – aber…
Das 1:2 in Helsinki stellt für Rapid keinen Beinbruch dar und die Chancen die Gruppenphase zu erreichen sind intakt. Wie so oft kam aber auch heute wieder auf das „Wie“ an und man ist geneigt nicht mehr nur von einer schlechten Phase zu sprechen – denn Rapid 2014/15 ist sowohl personell, als auch konzeptionell nicht viel besser als bisher gesehen.
Umschwenken oder festhalten?
Man manövriert sich weiter in eine Krise, die durch die weiche Außendarstellung weiter angeheizt wird und die Stimmung der Fans ist bereits jetzt im Begriff zu kippen. Nicht, weil Rapid zuletzt vier Spiele in Folge nicht gewinnen konnte und auch nicht, weil man einzelnen Spielern das Talent absprechen möchte. Sondern weil der Kader so einseitig wie schon lange nicht mehr ist, das spielerisch-taktische Konzept weder attraktiv, noch innovativ und weil die Mischung dieser Aspekte dazu führt, dass Spiele gegen Rapid derzeit nicht nur für clevere Gegner eine recht einfache Konzentrationsübung darstellen. Das größte Problem ist aber, dass die fehlende Innovationen und das zum Scheitern verurteilte spielerische Konzept keine Momentaufnahme sind, sondern voraussichtlich eisern weiter verfolgt werden, zumal die abgeschlossene Kaderplanung gar nichts anderes zulässt. Die sichtbaren Fehler macht Rapid jetzt – die schwerwiegenderen Fehler machte man schon.
Daniel Mandl, abseits.at
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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