Rapid und die Setzliste – Favoritenschreck oder ewiger Ungesetzter?
Europa League 2.September.2012 Flo Schmidt 0
Donnerstag, 30. August 2012, 22:34: Steffen Hofmann lässt tausende Wohnzimmer in Bier- und Jubelergüssen untergehen. Sein „Empty Net“-Tor aus rund 50 Metern löste eine wahre Gerölllawine aus, als zahlreiche Steine von den österreichischen Fußballherzen fielen. Gilt es doch, die so wichtige 5-Jahreswertung in dieser beinahe verpatzten Saison doch noch zu retten. Grund zur Freude hatten aber natürlich alle Rapid-Fans, da ihr Verein es zum dritten Mal schaffte, als ungesetzte Mannschaft den Gruppenbewerb der Europa League zu erreichen.
Ein echtes Horrorlos für Gesetzte
Damit steht man international auf weiter Flur. Keinem anderen Verein ist es bislang seit dem Bestehen der Europa League gelungen, so oft als ungesetzte Mannschaft die Gruppenphase zu erreichen. In den vier bisherigen EL-Qualifikationen schafften es Insgesamt gerade einmal 30 Mannschaften, gegen einen gesetzten Playoff-Gegner in den Hauptbewerb einzuziehen. Keiner dieser Vereine schaffte dieses Kunststück mehr als ein Mal, außer natürlich Rapid Wien, das nach den beiden legendären Duellen mit Aston Villa dieses Jahr auch PAOK Saloniki auf die Plätze verwies. Neben der gut prämierten Gruppenphase sorgt dies natürlich auch für internationales Aufsehen und wirft ein gutes Licht auf den österreichischen Fußball.
Zweifelhafte Erfolge und fehlende Konstanz
Doch ist dieser außergewöhnliche Rekord überhaupt so sehr zu bejubeln? Muss man sich nicht viel eher fragen, wie es möglich ist, dass Rapid nach drei Europa-League-Teilnahmen überhaupt noch ungesetzt sein kann? Hier muss man den Klubkoeffizienten des Vereins betrachten, der sich ähnlich wie die 5-Jahreswertung, aus den Punkten der letzten fünf Saisonen zusammensetzt. Rapid liegt dabei in dem für diese Saison gültigen UEFA Team Ranking von 2012 mit 12.265 Punkten nur auf Platz 136, direkt hinter dem französischen Zweitligisten EA Guingamp und vor dem portugiesischen Verein Vitoria Setubal. Verantwortlich dafür sind die schwachen Saisonen, die sich vor allem im letzten Jahrzehnt scheinbar regelmäßig zwischen die starken Meisterschaften schieben. Hier ist zum Beispiel die gelungene Champions-League-Qualifikation 2005 zu nennen, woraufhin sich Rapid 2006 für keinen internationalen Bewerb qualifizieren konnte. In der nächsten Saison erreichte man allerdings über den UI-Cup den UEFA-Pokal 2007/08, der für das aktuelle Ranking noch gewertet wird. In der ersten Runde schied Rapid dabei jedoch knapp gegen Anderlecht aus.
Durch den Meisterschaftsgewinn in der folgenden Spielzeit erhoffte man sich wieder den Einzug in die Champions League-Gruppenphase, blamierte sich jedoch in der zweiten Qualifikationsrunde gegen Anorthosis Famagusta und schied aus dem Bewerb aus. Vor allem diese Leistung nagt mit 0,45 Punkten bisher am Teamkoeffizienten der Hütteldorfer.
Beim darauf folgenden internationalen Auftritt konnte man gegen Aston Villa jedoch auftrumpfen und in der Gruppenphase gegen Celtic Glasgow, den Hamburger SV und Hapoel Tel Aviv einige Punkte holen. Die 5,8 Punkte dieser Saison speisen bis heute das Gesamtkonto der Wiener, genauso wie die ungefähr halb so hohe Wertung des nächsten Jahres, als man nach dem wiederholten „Wunder“ gegen Villa in einer Gruppe mit Porto, Besiktas und ZSKA Sofia jedoch nur einen Sieg einholen konnte.
International gesehen folgte eine Horrorsaison, da man sich mit Platz fünf in der nationalen Tabelle nicht qualifizieren konnte. Somit musste Rapid bei den internationalen Punkten der anderen österreichischen Vereine mitnaschen, wovon immer ein Bruchteil (in diesem Fall: 1,4 Punkte) auf alle anderen nationalen Clubs umgerechnet wird. Die guten Ergebnisse der letzten Saisonen wurden dadurch wieder geschwächt, weshalb sich auch dieses Jahr keine Setzung (um ca. 1,8 Punkte) ausging. In dieser Saison erspielte Rapid Wien bereits 2,35 Punkte, die aber erst nächstes Jahr wichtig werden könnten.
Favoritenerfolge verhindern Topf 3-Setzung
Im Nachhinein kann man über den wohl unerwarteten Erfolg nicht einmal froh sein. Zwar hatte man mit PAOK einen attraktiven Gegner, ein volles Haus und eine gelungene Bewährungsprobe zugelost bekommen, allerdings werden die Auswirkungen der Ausschreitungen in Griechenland – insbesondere in der Form des wohl fixen Geisterspiels – lange zu spüren sein.
Der dreifache Einzug als ungesetzte Mannschaft ist ein schwacher Trost, auf den die Hütteldorfer jedoch zu Recht stolz sein dürfen, da die Favoriten in den Playoffs nicht immer Schwächen zeigen. Gerade in der aktuellen Runde schieden nur sieben gesetzte Vereine aus, was im Vergleich zu den vorigen zwei Saisonen mit 10 gesetzten Vereinen doch eher wenig ist. Mit einem ähnlichen Favoritensterben wäre Rapid bei der Auslosung für die Gruppenphase in Topf 3 statt im letzten Topf gewesen.
In den allerersten Europa-League-Playoffs schieden übrigens nur fünf gesetzte Mannschaften aus, davon zwei durch Rapid und Sturm. Auch interessant: Bereits sieben Mannschaften überstanden gleich die beiden letzten Qualifikationsrunden für die Gruppenphase als ungesetzte Vereine. Sturm Graz, Lausanne, Hajduk Split, Maccabi Tel Aviv, Legia Warschau, Larnaca, Stockholm und Videoton Szekesfehervar überraschten zweimal als teilweise krasse Außenseiter.
Aufstieg von ungesetzten Mannschaften in den EL-Playoffs. Mannschaften, die bereits in der vierten Qualifikationsrunde ungesetzt waren sind mit einer (2) gekennzeichnet.
2009
Genoa, Rapid Wien, BATE Borisov, Nacional Funchal, Sturm Graz(2),
2010
Aris Thessaloniki, Rapid Wien, PAOK Thessaloniki, Lech Posen, Karpaty Lviv, FC Utrecht, AA Gent, Lausanne Sports(2), DVSC Debrecen, Hajduk Split(2)
2011
Hannover 96, Vorskla Poltava, FC Vaslui, FC Sion, Maccabi Tel Aviv (2), Slovan Bratislava, Legia Warschau (2), NK Maribor, AEK Larnaca(2), Shamrock Rovers,
2012
Maritimo Funchal, Rapid Wien, Anzhi Makhachkala, AIK Stockholm (2), Molde FK , Videoton Fehervar (2), Neftchi Baku
Flo Schmidt
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