Am ersten Spieltag der UEFA Europa League kommt es für die Wiener Austria gleich zu einem richtigen Kracher. Der große italienische Traditionsverein AC Milan... Das ist der (neue) AC Mailand: Kader und Spielsystem der Italiener

Am ersten Spieltag der UEFA Europa League kommt es für die Wiener Austria gleich zu einem richtigen Kracher. Der große italienische Traditionsverein AC Milan gastiert im Wiener Prater und kommt mit einer runderneuerten Mannschaft in die österreichische Bundeshauptstadt. Die große Transferoffensive in diesem Sommer warf naturgemäß einen großen Schatten über den Verein und ließ dementsprechend die Ambitionen emporsteigen, weshalb die Ziele hochgesteckt wurden und das Maximum angestrebt wird. Im ersten Teil unseres großen Milan-Specials analysieren wir die Mannschaft von Vincenzo Montella, wobei wir einerseits die Neuzugänge vorstellen und andererseits auch das Spielsystem erklären. Im zweiten Teil verraten wir euch wie die Wiener Austria das Spiel anlegen sollte, um nach 90 Minuten nicht mit leeren Händen dazustehen.

Neu zusammengewürfelte Mannschaft trifft auf hohe Erwartungen

42 Millionen, 38 Millionen, 32 Millionen, 25 Millionen, 25 Millionen, 22 Millionen, 18 Millionen, 18 Millionen, 17 Millionen und 6 Millionen. Was haben diese Zahlen gemeinsam? Richtig, sie stehen für das große Einkaufsprogramm und die Investitionen in neue Spieler, die aufgrund der Übernahme des AC Milan durch eine chinesische Investorengruppe ermöglicht wurden. Leonardo Bonucci, Andre Silva, Franck Kessie, Andrea Conti, Nikola Kalinic, Hakan Calhanoglu, Mateo Musacchio, Ricardo Rodriguez, Lucas Biglia und Fabio Borini.

Sie alle wechselten für die stolze Summe von kolportierten 243 (!) Millionen ins altehrwürdige Guiseppe Meazza Stadion. Hochtalentierte Spieler gemischt mit einigen Routiniers sollen in Zukunft für ein homogenes Gebilde sorgen. Sie stehen damit sinnbildlich für den Anbruch einer neuen Zeitrechnung und die anvisierte Rückkehr zu glorreichen vergangenen Tagen, nachdem man das letzte Mal vor mehr als sechs Jahren den Scudetto erringen konnte. Darüber hinaus qualifizierte man sich zuletzt vor etwas mehr als vier Jahren für die lukrative UEFA Champions League. Seither gelang der Sprung in das internationale Geschäft gar nicht mehr und man hechelte in der Liga den großen Drei Juventus, Napoli und Roma bloß hinterher. Für die erfolgsverwöhnten Tifosi war dies naturgemäß nur sehr schwer zu ertragen, weshalb die Aufbruchstimmung nach den großen Investitionen umso größer ist.

Doch Geld bedeutet nicht zwangsläufig auch sofortigen Erfolg und der Wettkampf im Konzert der Großen wird immer härter und härter. Für Trainer Montella galt es daher, in der Vorbereitung eine Mannschaft zu formen, die den großen Ambitionen auch gerecht werden kann. Jedoch stellte sich die Aufgabe alles andere als einfach dar. Ein reges Kommen und Gehen sorgte für eine hohe Fluktuation innerhalb des Kaders, wodurch kaum Ruhe und Zeit vorhanden war, um noch intensiver an gewissen Automatismen zu feilen. Überhaupt stießen Wunschspieler wie der Stratege Biglia oder Mittelstürmer Kalinic erst relativ spät zur Mannschaft hinzu, was die Integration der neuen Spieler in das Team nicht gerade erleichtert. Doch diese Argumente werden die temperamentvollen Fans nicht allzu lange ruhigstellen. Erfolg muss her, am besten schon gestern!

Offensive Ausrichtung und zum Teil großes individuelles Potenzial

Kommen wir nun zum Spiel des AC Milan. Trainer Montella präferiert grundsätzlich eine eher offensive Philosophie, gepaart mit einer durchaus aktiven Spielweise. Das bevorzugte System des Italieners ist eine 4-3-3 / 4-1-4-1 Anordnung, aus der man bevorzugt gepflegt nach vorne kommen will. Dabei präsentiert sich Montella auch durchaus flexibel und nimmt gerne punktuelle Anpassungen an den Gegner vor, weshalb auch schon mal ein 3-4-3 / 3-5-2 zum Einsatz kommen kann. Durch die vielen Neuzugänge und ständig veränderten Aufstellungen ist es gar nicht so leicht, die Mailänder Mannschaft einzuschätzen und eingehender zu analysieren. Jedoch lassen sich trotz wechselndem Personal, gewisse Grundprinzipien im Spiel der Italiener festmachen.

Wie bereits zuvor kurz angeschnitten, bevorzugen die Italiener das gepflegte Ballbesitzspiel und die flache Spieleröffnung von hinten heraus. Dabei hat man mit Musacchio und vor allem Bonucci zwei richtig starke Aufbauspieler in den eigenen Reihen, die mit ihren Pässen in der Spieleröffnung jede Mannschaft aufreißen können. Speziell Bonucci zählt in dieser Kategorie wohl zu den besten Spielern der Welt, wodurch er über die Jahre hinweg ein überaus gefragter Mann war und viel Interesse auf sich zog. Diese beiden bauen also grundsätzlich das Spiel von hinten auf.

Jedoch gesellt sich ein weiterer Spieler immer wieder in die erste Aufbaulinie der Mailänder hinzu. Interessant ist dabei vor allem, dass Montella zu einem ähnlichen Stilmittel wie sein Gegenüber Austria-Trainer Fink greift, nämlich den asymmetrischen Außenverteidigern. Linksverteidiger Rodriguez kippt immer wieder in die erste Aufbaulinie ab, während sein Pendant auf der rechten Seite Conti im Gegensatz dazu sehr weit hochschiebt. Diese Rollen scheinen auch durchaus zu den Fähigkeiten der Außenverteidiger zu passen. Rodriguez ist ein spielerisch starker Verteidiger, mit einem begnadeten linken Fuß, wodurch er prädestiniert ist für diese Aufgabe, jedoch seine Qualitäten genauso weiter vorne hat. Sein Mitspieler auf der anderen Seite Conti ist ein gänzlich anderer Typ. Der italienische Nationalspieler hat einen enormen Drang nach vorne und spult ein hohes Laufpensum ab, wodurch er viel Druck über seine Seite ausübt und eine ständige Gefahr darstellt. Im Verbund mit Suso ist er ganz klar die Gefahrenstelle für jeden Gegner, da Trainer Montella sein Spiel auch auf die starke rechte Seite ausrichtet.

Das Zentrum vor der Abwehr werden höchstwahrscheinlich Biglia und Kessie besetzten. Die beiden zentralen Mittelfeldspieler unterscheiden sich dabei von ihren Fähigkeiten vollkommen. Biglia ist zwar nicht der klingendste oder bekannteste Name im Weltfußball, jedoch lässt er das Herz vieler Fachleute höherschlagen. Der argentinische Nationalspieler überzeugt mit seiner herausragenden Spielintelligenz und Übersicht, wodurch er auf dieser Position als Stratege ungemein wichtig für seine Mannschaft ist und ihr viel Stabilität verleiht. Allerdings kam er erst kurz vor Transferschluss und feierte gegen Lazio kürzlich sein Startelf-Debüt, wodurch die Spielidee von Montella wohl noch nicht vollkommen implementiert ist.

Ergänzt wird Biglia von dem jungen Kessie, der vergangene Saison bei Atalanta Bergamo für Furore sorgte. Der erst zwanzigjährige Mittelfeldspieler ist ein ungemein wuchtiger Spieler, mit einer herausragenden Physis und Durchschlagskraft. Seine Vorstöße aus der Etappe werden in ganz Italien gefürchtet und sind nur schwer zu verteidigen. Dem Box-to-Box Spieler kommt allgemein eine wichtige Rolle zu, da er die offensiv ausgerichtete rechte Seite ausbalancieren muss, aber andererseits sich durch sein Naturell auch immer wieder mit nach vorne einschalten will. Die beiden Spieler besetzen konstant den Sechserraum und halten beständig den Kontakt zur ersten Aufbaulinie, wodurch sie für eine passende Anbindung des Zentrums sorgen sollen und als sichere Anspielstation fungieren. Kessie hat dabei noch eine etwas freizügigere Rolle, indem er sich auch mal hinter den Rechtsverteidiger Conti fallen lässt und auf die Seite schiebt, während Biglia ausschließlich das Zentrum besetzt.

Für die dritte und etwas höhere Rolle im Zentrum kommen insgesamt drei Spieler infrage. Das Trio Locatelli, Calhanoglu und Montolivo bekam schon jeweils Einsätze auf der Position, wobei im letzten Spiel gegen Lazio letzterer den Vorzug bekam und immerhin den Ehrentreffer bei der 1:4 Niederlage erzielte. Grundsätzlich bleibt die Rolle trotz des wechselnden Personals und der verschiedenen Spielertypen auf der Position relativ gleich. Hier sollen die Spieler relativ flexibel agieren, indem sie nach vorne für Verbindungen zu der Angriffsreihe sorgen sollen, aber andererseits auch im Spielaufbau eine Rolle bei dem Übergang in höhere Zonen übernehmen. Immer wieder sollen sie sich in den defensiven linken Halbraum fallen lassen (zwischen Rodriguez und Borini, relativ ähnlich wie auf der anderen Seite), um von dort dann entweder Spielverlagerungen auf die rechte Seite einzustreuen, oder per vertikalen und hohen Pässen nach vorne zu kommen. Dies sorgt insgesamt für einen massiven Aufbau, was Vor- und Nachteile mit sich bringt. Einerseits hat man dadurch eine stabile Ballzirkulation in der Spieleröffnung, andererseits fehlt es dadurch in höheren Zonen immer wieder an Präsenz, weshalb der Übergang von hinten nach vorne nicht immer sauber verläuft.

Letztlich kann man konstatieren, dass das Aufbauspiel darauf ausgerichtet ist, die starke rechte Seite und vor allem Spielmacher Suso ins Spiel zu bringen. Der Mechanismus des hochschiebenden Rechtsverteidigers, ermöglicht dem Spanier eine relativ freie Rolle, wodurch er immer wieder auch ins Zentrum einrücken kann und dort für Unordnung beim Gegner sorgen soll bzw. anspielbar für die hochwertigen Zuspiele von Bonucci sein muss. Um das Ganze auch graphisch darzustellen, so sieht die Aufbaustruktur der Rossoneri ungefähr aus:

Wie könnte die Austria dagegen am besten angehen? Grundsätzlich sollte man danach trachten, das Zentrum komplett dicht zu machen und vor allem Suso in lose Manndeckung zu nehmen. Dieser positioniert sich zwar immer wieder gut im Zwischenlinienraum, hat jedoch ab und an Probleme, sich mit passenden Bewegungen von seinen Gegenspielern zu lösen, sobald er enger gedeckt wird. Das Hauptziel sollte also sein, einerseits das Zentrum mit losen Manndeckungen zu verdichten und Milan auf die Flügel zu leiten, um sie dort dann zu isolieren und zum Rückpass bzw. Neuaufbau zu zwingen. Darüber hinaus sollte man auf die Aufrückbewegungen von Rechtsverteidiger Conti passend reagieren. Entweder muss die Übergabe der Gegenspieler zwischen Martschinko und Pires reibungslos funktionieren, oder Pires muss die Wege mit nach hinten gehen, was jedoch einerseits mit einem enormen Laufpensum verbunden wäre und man ihn andererseits als überragenden Umschaltspieler auch weiter vorne bräuchte.

Fokus auf Flügelangriffe, Probleme im Positionsspiel

Wenn Milan in höhere Zonen des gegnerischen Spielfeldes vorstößt, dann ist meist auch sofort ersichtlich, wo der strategische Mittelpunkt im Ballbesitzspiel der Italiener liegt. Dieser soll einerseits auf das Spiel über die Seiten gelegt werden, genauer gesagt über die starke rechte Angriffsseite. Hier soll das Trio Conti, Kessie und Suso für Raumüberladung und Durchbrüche sorgen. Darüber hinaus schlägt Suso mit seinem starken linken Fuß gerne Flanken aus dem Halbfeld, die scharf und mit viel Schnitt in den Strafraum kommen und für Gefahr sorgen. Ebenfalls nicht zu vernachlässigen ist der bereits oben angeschnittene Kessie, der mit seiner Wucht und Dynamik gerne mit dem Ball in Richtung Strafraum zieht und da nur sehr schwer zu stoppen ist, wenn er mal Fahrt aufgenommen hat. Da gilt es Wachsam zu agieren und sich klug zu positionieren, um dessen Durchbrüche nach vorne zu verhindern.

Im Gegensatz dazu fällt die linke Angriffsseite qualitativ um einiges ab. Das liegt auch an der individuellen Qualität, da ein Borini mehr ein Stürmer als ein kreativer Flügelspieler ist, aber auch von der spielerischen Klasse her mit Suso nicht mithalten kann. Dadurch nimmt er auch eine sehr breite Rolle ein und stößt immer wieder relativ simpel in den Strafraum, um die einzige Sturmspitze zu unterstützen. Er ist also der wesentlich direktere Spielertyp, der ohne viel Schnörkel zum Abschluss kommen will. Unterstützt wird er immer wieder von Montolivo oder Calhanoglu, wobei diese ebenfalls zum Qualitätsabfall auf dieser Seite beitragen. Ersterer tut sich in höheren Sphären schwer und hat seine beste Position wohl etwas tiefer als aktuell, während Calhanoglu noch wie ein Fremdkörper im Spiel der Rossoneri wirkt und wohl noch etwas Zeit braucht.

Komplettiert wird die Offensive mit der Sturmspitze Cutrone, welcher die große Überraschung in der Vorbereitung war. In dieser machte das Eigengewächs mit einigen Treffern auf sich aufmerksam und erkämpfte sich dadurch vorerst einen Stammplatz, wodurch er zum Beispiel den Vorzug vor dem zweitteuersten Neuzugang Andre Silva bekam. Cutrone ist wohl als klassischer Strafraumstürmer einzuordnen, der sich im Sechszehner gut bewegt und zweifellos einen ausgeprägten Torriecher besitzt. Auch außerhalb des Strafraumes hält er die Bälle und verteilt sie recht ordentlich, jedoch ist er da noch unsauber und verbesserungswürdig. Dadurch ist er ziemlich davon abhängig, wie ihn seine Kollegen in Stellung bringen. Wenn die Offensive wie gegen Lazio keinen guten Tag erwischt, dann hängt der junge Mittelstürmer meist in der Luft und bleibt nahezu unsichtbar.

Im zweiten Teil sehen wir uns an wie die Wiener Austria das Spiel anlegen sollte und welche Aspekte für einen Punktegewinn der Veilchen sprechen.

Dalibor Babic, abseits.at

Dalibor Babic

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