Am Donnerstag tritt Rapid in der Qualifikation zur UEFA Europa League auswärts bei Trabzonspor an. Für die Wiener geht es gegen den Vorjahresdritten der... Teamanalyse: Das ist Rapid-Gegner Trabzonspor!

Am Donnerstag tritt Rapid in der Qualifikation zur UEFA Europa League auswärts bei Trabzonspor an. Für die Wiener geht es gegen den Vorjahresdritten der Türkei bereits um den fixen Einzug in eine Gruppenphase. Würde man das Duell mit dem „Sturm vom Schwarzen Meer“ überstehen, hätte man zumindest die Conference League sicher. Wir analysieren den Gegner der Grün-Weißen vorab im Detail.

Im Jahr 2022 wurde Trabzonspor erstmals seit 38 Jahren wieder türkischer Meister, was in der Stadt im Osten des Landes alle Dämme brechen ließ. Die Sehnsucht nach einem Erfolg war schon lange groß und mit Stützen wie den Altstars Marek Hamsik und Gervinho, den auch heute noch bei Trabzon aktiven Cakir, Denswil oder Visca, sowie Top-Leuten der Meistersaison wie Cornelius, Ömür oder Bakasetas gelang der ersehnte Titel schließlich.

Als „Ganzes“ einen Level über Rapid

Man kann Trabzonspor als Ganzes auf einem Level verorten, das für Rapid erreichbar ist, aber noch einen Klassensprung der Wiener benötigt. Der Verein kauft Spieler um bis zu fünf Millionen Euro, mit ein paar Ausreißern nach oben, wie etwa Rekordeinkauf Majeed Waris, der 2014 um sieben Millionen von Spartak Moskau kam.

Nur zwei Verkäufe der Vereinsgeschichte liegen über den Top-Transfers in Rapids Geschichte: Der Wechsel von Ahmetcan Kaplan unmittelbar nach dem Meistertitel zu Ajax Amsterdam um 9,5 Millionen Euro, sowie der Verkauf von Yusuf Yazici an Lille im Jahr 2019 um 18,5 Millionen Euro.

Schmerzliche Abgänge nach dem Meistertitel

Nach dem Meistertitel konnte Trabzonspor seine stark eingespielte Mannschaft nicht zusammenhalten. Einige Stützen verließen die Mannschaft, Trabzon rüstete aber clever nach und griff dafür auch auf einige Leihen zurück. So holte man etwa Rekordverkauf Yazici für ein Jahr retour. In der vergangenen Saison lieh man zudem mit dem 201cm-Stürmer Paul Onuachu einen echten Torgaranten, der 2023/24 auf 15 Saisontore kam, aber für Trabzon nicht zu halten war. Einstige Stützen wie Ömür, Djaniny, Bakasetas oder der Spanier Marc Bartra verließen den Klub.

Günstige Neuverpflichtungen vor der neuen Saison

Vor der neuen Saison rüstete Trabzonspor nochmal um neun Millionen Euro auf, holte beispielsweise Malheiro, Canak, Tufan, sowie die ablösefreien Stefan Savic von Atlético Madrid oder John Lundstram von den Rangers. Neben dem bereits erwähnten Onuachu verließen auch Belgiens Routinier Thomas Meunier und Arsenals einstiger 80-Millionen-Mann Nicolas Pépé den Klub.

Kaderplanung noch nicht abgeschlossen

Eine der guten Nachrichten für Rapid: Trabzonspors Kaderplanung ist noch nicht abgeschlossen. So wurde etwa die wichtige Mittelstürmerposition von Paul Onuachu noch nicht ganz adäquat nachbesetzt. Zwar kam mit dem rumänischen Teamstürmer Denis Dragus einer, der für viele Tore gut ist, Trabzonspor soll aber beispielsweise auch noch an Wout Weghorst interessiert sein.

Neun Spieler nicht im Europacupkader

Der Kader des türkischen Topklubs ist außerordentlich breit und zählt aktuell 36 Spieler. Demnach konnten mehrere nicht für den Europacup genannt werden – so auch der Ex-Rapidler Taxiarchis Fountas, mit dem es demnach zu keinem Wiedersehen kommen wird. Neun Spieler aus dem A-Kader wurden nicht genannt und es erwischte auch Spieler wie den Uruguayer Maxi Gómez, Stürmer Umut Bozok oder den kroatischen Zehner Tonio Teklic. Die Spieler stehen nicht mal auf der „B-Liste“ der UEFA.

Klare Grundordnung von Trainer Avci

Trabzonspor-Coach Abdullah Avci lässt seine Mannschaft nominell in einem 4-2-3-1 auflaufen, das aber durch die offensive Ausrichtung der beiden offensiven Flügel im Ballbesitz eher wie ein 4-3-3 anmutet. Das Zentrum des türkischen Klubs lebt von zwei ausgesprochen kampfstarken und auch passsicheren Sechsern, die noch dazu gegen den Ball von gut einrückenden Außenverteidigern unterstützt werden, um den Spieldrang von Zehner Bardhi besser abfedern zu können.

Trabzonspor bietet Räume an

Allgemein ist Trabzonspor eine spiel- und passsichere Mannschaft, die am Ball wenige Fehler macht und Optionen für erfolgreiche Aktionen eher im Raum anbietet. Die Innenverteidiger stehen verhältnismäßig tief und die durchschnittliche Feldposition der gesamten Truppe ist ebenfalls eher defensiv. Es ist häufig zu beobachten, dass Linksverteidiger Elmali sehr hoch schiebt und der Rückraum vom nach außen pendelnden Innenverteidiger Denswil abgesichert wird. Dennoch ist der Rücken der Außenverteidiger eine Zone, die man mit Tempo bespielen könnte, zumal das Pendeln der Innenverteidiger nach außen als Absicherung auch das Zentrum ein wenig öffnet. Ein Zweistürmersystem ist gegen Trabzonspor also eine gute Herangehensweise, um offene Räume zu finden und die Türken auch ein wenig aus ihrem Naturell herauszuzwingen.

Ähnlichkeiten in den Pressinglinien

Im hohen Pressing ist Trabzonspor noch nicht so weit, wie es Avci gerne hätte. Wesentlich schwieriger und ein zentralerer Schlüssel, um Torchancen gegen die Mannschaft zu kreieren, ist die tiefere, zweite Pressinglinie im defensiven Mittelfeld. Wenn man es schafft, diese zu umspielen oder erfolgreich gegenzupressen, wird man Räume vorfinden. Man könnte also konstatieren, dass Rapid und Trabzonspor sich in ihren Grundzügen recht ähnlich sind. Rapid könnte derzeit als Gesamtkonstrukt bereits etwas besser funktionieren (die türkische Ligasaison startet erst am Sonntag), Trabzonspor verfügt aber über die qualitativ besseren Einzelspieler.

Ruzomberok verdichtete das Zentrum

Der letzte Qualifikationsgegner von Trabzonspor zeigte bereits gut vor, was den Türken nicht behagt. Der slowakische Klub Ruzomberok legte die Flügel offen, bot Trabzonspor an, diese zu bespielen. Dafür verdichtete der Außenseiter das Zentrum massiv und machte es so stets eng für den Favoriten. Durch die guten Dribblings von Linksaußen Trezeguet und die starken Spielverlagerungen von Visca, auf die auch Rapid gefasst sein muss, wurde Trabzon zwar trotzdem immer wieder gefährlich, kam aber zumeist nur in Aktionen mit niedrigem xG-Wert, weil die Slowaken viele Beine im Weg und Trabzon somit selten ein offenes Visier aufs Tor hatten. Hinzu kommt, dass auch die Effizienz der Türken noch zu wünschen übrig ließ.

Defensive Probleme bei Flanken

Auf der anderen Seite war sichtbar, dass Trabzonspor Probleme im Verteidigen von Flanken hatte. Die Abstimmung zwischen den Innenverteidigern Denswil und Mendy passt nicht immer ideal und gerade wenn man im Zuge von Kontern zu Flanken kommt, kommt es auch vor, dass die hochgeschobenen Außenverteidiger nicht schnell genug hinter den Ball kommen und von einem der Sechser abgesichert werden müssen, die wiederum da und dort für individuelle Fehler in und um den eigenen Strafraum gut sind.

Auch Ruzomberok war am Schwarzen Meer nicht chancenlos

Ruzomberok schaffte es so, im Auswärtsspiel in Trabzon doch zu einigen guten Torchancen zu kommen. Das slowakische Team spielte durchaus geradlinig, scheiterte aber häufig an der eigenen Qualität in letzter Instanz. Es handelt sich am Schwarzen Meer also nicht um ein Auswärtsspiel, in dem man praktisch nie vors gegnerische Tor kommt. Es werden sich durchaus Möglichkeiten auftun und Rapid wird die erste, technisch gute Mannschaft sein, auf die Trabzonspor in der neuen Saison trifft. Auch im Hinspiel in der Slowakei bekam Ruzomberok immer wieder Chancen, verlor zwar mit 0:2, hatte bei den xG am Ende aber mit 2.39 : 1.40 die Nase vorn.

Heiße Anfangsphase zu erwarten

Wie schon gegen Wisla gilt es zudem massiv auf das „Momentum“ zu achten. Gerade im Hinspiel zu Hause darf erwartet werden, dass Trabzonspor los startet wie die Feuerwehr. Das Team will das Publikum sofort mitnehmen und ist bekannt dafür, eine Anfangsoffensive zu forcieren:

Die Angriffe pro Minute im Rückspiel Trabzonspor gegen Ruzomberok. Die durch die Gastgeber initiierte, intensive Anfangsphase ist deutlich sichtbar. [ Screenshot von WyScout S.p.a ]

Hier gilt es dagegenzuhalten und im Idealfall auch das Blatt ein wenig zu wenden, indem man für Entlastungsangriffe sorgt. Gerade in der Anfangsphase des Spiels wird Trabzonspor wild auftreten und klaren Fokus auf die Offensive legen, was auch auf Kosten der defensiven Absicherung gehen könnte.

Relativ kleine Mannschaft

Ein nicht zu verachtender Faktor ist zudem die Physis der Einzelspieler. Zwar sind die Spieler der Türken allesamt sehr kampfkräftig und nehmen ihre Zweikämpfe intensiv an, aber dem Team fehlt es an Gardemaß. Die beiden Innenverteidiger Denswil und Mendy sind 188cm bzw. 191cm groß, Mittelstürmer Dragus misst 185cm, aber alle anderen Spieler der Startelf sind zwischen 172cm und 182cm groß. Hier könnte Rapid einen Größenvorteil haben, der sich wohl auch in Standardsituationen niederschlagen kann.

Eher ausgespielte Offensivaktionen statt Flanken

Aufgrund dieses Nachteils für die Türken ist aber auch zu erwarten, dass die Avci-Elf offensiv nur selten mit Flanken operieren, sondern spielerisch den Weg in den Strafraum suchen wird. Stanglpässe, Dribblings zur Mitte (vor allem von der linken Seite) und Schlüsselpässe in offene Räume bzw. Verlagerungen (vor allem von der rechten Seite) sind hier also eine deutlich größere Gefahr. Das war in der vergangenen Saison mit dem 201cm-Stürmer Onuachu noch anders und wird eine Umstellung für Trabzonspor darstellen.

Wie immer sehen wir uns nun die einzelnen Positionen im Detail an.

Torhüter

Der 191cm große Torhüter Ugurcan Cakir (28) ist einer der Spieler aus der letzten Meistermannschaft des Klubs und zudem Kapitän des aktuellen Teams. Speziell im Jahr 2021 war er auch Stammkeeper der türkischen Nationalmannschaft, allerdings baute er nach dem Meistertitel ab und wurde fehleranfällig, weshalb er auch nur als Ersatzmann zur EURO mitreiste. Während ihn früher noch Teams wie Inter Mailand, Dortmund, Chelsea oder Sevilla verpflichten wollten, sieht es heute eher nach einem längerfristigen Verbleib in Trabzon aus. Gerade bei Flanken und in der Abstimmung mit seinen Innenverteidigern zeigte Cakir zuletzt immer wieder Unsicherheiten. Auf der Linie präsentierte er sich in den letzten Partien hingegen sehr stark.

Ersatzkeeper sind Onuralp Cevikkan (18) und Taha Tepe (23) – allerdings ohne realistische Chancen auf Einsätze.

Innenverteidigung

Der surinamische Teamkapitän Stefano Denswil (31) ist der Abwehrchef der Türken und nimmt als Linksfuß die linke Position in der Innenverteidigung ein. Der einstige Ajax- und Bologna-Abwehrspieler gilt als ballsicher und technisch sehr solide, gewinnt aber deutlich zu wenige Zweikämpfe. Er ist demnach der Verteidiger, der körperlich gefordert und auch gezielt bespielt werden muss. In seinem Passspiel macht er kaum Fehler und er kann auch das Spiel und offene Bälle gut „lesen“, aber in direkten Zweikampfsituationen und in Laufduellen hat er seine Schwächen.

Der zweite Innenverteidiger ist mit dem Franzosen Batista Mendy (24) eigentlich ein defensiver Mittelfeldspieler, der bei Trabzon in die Innenverteidigung gerutscht ist und den etwas progressiveren Part auf der rechten Seite einnimmt. Er schiebt häufiger aus der Kette heraus und bewegt sich auch mit Ball in den Sechserraum um die erste Linie zu brechen, erobert Bälle teilweise recht hoch, hat aber ebenfalls Probleme in der effektiven Zweikampfführung. Obwohl die beiden Innenverteidiger auf dem Papier die größten „Kanten“ im Team sind, kann man ihnen mit intensiver Zweikampfführung durchaus zusetzen.

Der berühmteste Ersatzmann für die Innenverteidigung ist der Montenegriner Stefan Savic (33), der zuletzt neun Jahre für Atlético Madrid spielte. Er wäre als Rechtsfuß eher die Alternative zu Mendy, aber nachdem er erst vor knapp zwei Wochen verpflichtet wurde, dürfte er vorerst ein Backup bleiben. Hinzu kommen der 194cm große Rayyan Baniya (25) und der junge Ali Sahin Yilmaz (20).

Außenverteidigung

Auf der rechten Abwehrseite ist die portugiesische Neuverpflichtung Pedro Malheiro (23) fix gesetzt. Er kam im Sommer um zwei Millionen Euro von Boavista Porto und fügte sich schon in seinem ersten Pflichtspiel, dem Rückspiel gegen Ruzomberok, gut ins Team ein. Er ist von den beiden Außenverteidigern der etwas tiefer agierende und hat seinen Rückraum besser im Griff. Der Neuzugang ist in Defensivzweikämpfen solide, ein guter Passspieler und kommt auch mit hoher Intensität gut zurecht. Zudem spielt er immer wieder gute Spielverlagerungen auf die gefährliche linke Seite der Türken.

Auf der linken Abwehrseite spielt mit Eren Elmali (24) der spektakulärere der beiden Außenverteidiger. Dieser schiebt etwas höher und spielt direkter als Malheiro, was auch mit deren Vorderleuten zu tun hat. Während vor Elmali mit Trezeguet ein intensiver Dribbler spielt, hat Malheiro mit dem technisch stärkeren Edin Visca einen ausbalancierteren Vordermann, der nicht die Dynamik, sondern statischere, technische Lösungen sucht. Die Räume hinter Elmali sollten im offensiven Umschalten gut bespielbar sein, wenn dieser nach vorne rückt.

Die einzige Option für die rechte Abwehrseite ist Serkan Asan (25), der für gewöhnlich keine Chancen auf Einsätze haben sollte. Links ist ganz klar der routinierte Kroate Borna Barisic (31), der gerade erst nach Trabzon wechselte, die erste Alternative sein und mit Arif Bosluk (24) haben die Türken einen weiteren Notnagel in ihren Reihen.

Die Doppelsechs

Das zentrale Mittelfeld von Trabzonspor besteht aus dem englischen Neuzugang John Lundstram (30) und dem 65-fachen türkischen Nationalspieler Ozan Tufan (29).

Lundstram, der vor der Saison von den Glasgow Rangers kam und auch dort Stammspieler war, ist ein typischer Passanker auf der Sechs, der sich auch clever in der Breite bewegt und vor allem darauf achtet, von sämtlichen Mannschaftsteilen gut anspielbar zu sein. Der Engländer gilt als Mentalitätsspieler, guter Tackler und auch bei Distanzschüssen muss man stets auf der Hut sein.

Ozan Tufan kam vor der Saison von Hull City und spielt im türkischen Nationalteam seit 2021 keine Rolle mehr, was damals mit einer schwachen Saison bei Watford zusammenhing. Er nimmt bei Trabzonspor eher den Part halbrechts ein, was eine Änderung zu seiner Stammposition in Hull darstellt, wo er eher linkslastig agierte. Der Box-to-Box-Midfielder sollte aber routiniert genug sein, um diese Veränderung spielerisch zu verkraften. Tufan zeigte sich gerade in Rückwärtsbewegung im Heimspiel gegen Ruzomberok nicht immer sattelfest – wie bereits vorhin beschrieben.

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Trainer Avci deshalb im Mittelfeld Okay Yokuslu (30) zu seinem Debüt verhilft. Der 43-fache Nationalspieler, der auch bei der EURO dreimal für die Türkei eingewechselt wurde, wechselte erst vor einer Woche von West Bromwich Albion zu Trabzonspor und stieg wegen der EM später ins Training ein. Er wäre allerdings aus verschiedenen Gründen eine gute Alternative zu Tufan – unter anderem, weil er mit 191cm Körpergröße eines der größten Mankos gegenüber Rapid ausgleichen könnte. Auch wenn er bisher noch in keinem Matchkader stand, dürfte er routiniert genug sein, um hier ins kalte Wasser geworfen zu werden.

Der in Deutschland geborene Linksfuß Umut Günes (24) ist derzeit aufgrund der Ankunft von John Lundstram nur Einwechsler und der junge Salih Malkocoglu (19) hat kaum Chancen auf Einsätze.

Das offensive Mittelfeld

Die Zehnerposition nahm im Rückspiel gegen Ruzomberok mit Cihan Canak (19) ebenfalls ein Neuzugang ein. Der in Belgien geborene Türke spielte bisher für Standard Lüttich, war dort noch nicht dauerhaft gesetzt, dürfte bei Trabzonspor unter Abdullah Avci aber in eine tragendere Rolle hineinwachsen. In Lüttich spielte er zumeist als Linksaußen, bei Trabzon ist er auf der Zehn eingeplant. Allerdings ist anzunehmen, dass er gegen Rapid vorerst auf der Bank bleiben wird: Die Startelfnominierung im letzten Spiel war wohl eine Belohnung für das 2:0, das er in der Slowakei in der Nachspielzeit besorgte.

Stattdessen sollte der nordmazedonische Nationalspieler Enis Bardhi (29) wieder ins Team rutschen. Dieser spielte 63-mal für die Nationalmannschaft seines Landes, spielte zwischen 2017 und 2022 für die spanische UD Levante. Er ist ein umsichtiger Routinier und Balancegeber im offensiven Mittelfeld, der gute Entscheidungen trifft und deshalb in Dribblings und im Passspiel eine hohe Erfolgsquote hat. Er kann Situationen gut einschätzen, ist kreativ und selbst torgefährlich und effizient. Zudem schießt er gute Ecken und Freistöße.

Die offensiven Flügel

Die beiden Flügel im 4-2-3-1 von Trabzonspor sind mit Sicherheit die Spieler, auf die es am meisten zu achten gilt.

Auf der rechten Seite spielt der routinierte Bosnier Edin Visca (34), der spielerisch getrost als Herz der Mannschaft zu bezeichnen ist. Visca ist ein ausgezeichneter Techniker und ein kreativer Passspieler, der vor allem mit einer großen Anzahl an Assists auffällt. Der 55-fache Nationalspieler (kein Länderspiel seit 2020) spielt seit 2 ½ Jahren für Trabzonspor und kam in dieser Zeit in 82 Spielen auf 15 Tore und 30 Assists. Er ist kein Grundlinienläufer oder intensiver Dribbler, sondern ein Spieler, der bedächtig zur Mitte zieht, Schnittstellenpässe sucht und das Spiel auch ausgezeichnet verlagern kann. Ihn in den Griff zu bekommen und seine Spielfreude zu beschneiden, wird eine zentrale Aufgabe für Rapid werden.

Auf der linken Seite spielt praktisch die Antithese zu Visca: Der Ägypter Mahmoud Trezeguet (29) spielt seit zwei Jahren in Trabzon und ist ein Flügelspieler, der übers Tempo kommt und Dribblings sucht. Er flankt nur sehr selten, sondern sucht einen direkteren Weg zum Tor und „Trial and Error“-Situationen. Deshalb verbucht er zwar immer wieder viele Ballverluste, aber wenn seine Schnittaktionen erfolgreich sind, wird es stets gefährlich. Trezeguet ist sowohl torgefährlich, als auch ein guter Vorbereiter – speziell mit Stanglpässen und Zuspielen in den Rückraum des Sechzehners. Für Trabzonspor kam er bisher in 71 Spielen auf 25 Tore und 16 Assists.

Aber auch die Alternativen für die starken Flügelspieler sind gefährlich. Rechts, wie links kann der bereits vorgestellte Cihan Canak aushelfen. Auf der linken Seite ist aktuell der erste Einwechsler aber der Nigerianer Anthony Nwakaeme (35), der als sehr routiniert und kraftvoll gilt. Hinter ihm gibt es mit dem 27-fachen kroatischen Teamspieler Mislav Orsic (31) auch noch einen Mann für die spektakulären Aktionen und Tore, der bei Trabzon allerdings kaum mehr Einsätze bekommt.

Angriff

Im Sturm wird Trabzonspor wohl im Laufe der Transferperiode noch nachrüsten. Unzufrieden muss Trainer Avci allerdings nicht sein, denn mit dem Rumänen Denis Dragus (25), der in jedem EM-Spiel seines Landes startete und einmal traf, bekam er bereits einen Wunschspieler. Dragus ist ein Zielspieler, der in der vergangenen Saison bei seinem ersten türkischen Klub Gaziantep FK 14 Saisontreffer erzielte. Er ist ein Knipser für den Strafraum, aber auch recht kombinationssicher und zudem ein guter Dribbler. Verbesserungspotential hat er vor allem in seinem Kopfballspiel. In seinen bisherigen beiden Spielen für Trabzonspor fiel auf, dass er noch nicht hundertprozentig effizient und klar vor dem Tor war und ihm womöglich auch die EM noch ein wenig nachhängt. Er ist nicht der Typ Stürmer, der die Zweikämpfe mit den Innenverteidigern sucht und wird gegen Rapid voraussichtlich stark antizipativ agieren, in die Halbräume pendeln und auch Dribblings suchen.

Dragus’ spannendster Ersatzmann ist Enis Destan (22), der lange Zeit als absolutes Megatalent galt, dann ein paar Jahre stagnierte, in der vergangenen Saison mit zwölf Toren und fünf Assists aber einen wichtigen Sprung nach vorne machte, obwohl er in den meisten Spielen nur von der Bank kam. Er wird derzeit mit mehreren deutschen Bundesligisten, unter anderem Augsburg und Werder Bremen in Verbindung gebracht. Eine weitere Alternative ohne große Einsatzchancen ist Poyraz Yildirim (19).

Mögliche Aufstellung

Es scheint klar, dass Abdullah Avci mit spielerischen Mitteln zum Erfolg kommen will. Er wird demnach an seiner angestammten Formation, die sich bereits jetzt herauskristallisiert, obwohl immerhin vier Neue darin aufscheinen, festhalten. Die Frage wird sein, ob er mehr Physis ins Spiel werfen will und deshalb möglicherweise Yokuslu statt Tufan bringt. Das würde zwar auf Kosten der offensiven Dynamik gehen, allerdings für mehr Absicherung, auch bei defensiven Standards, sorgen.

Die xG-Werte gegen Ruzomberok

Laut Wyscout hatte der große Außenseiter Ruzomberok in der zweiten Qualifikationsrunde zur UEFA Europa League über beide Spiele gesehen die höheren xG-Werte als Trabzonspor.

Hinspiel: Ruzomberok – Trabzonspor 0:2 (xG 2.39 : 1.40)
Rückspiel: Trabzonspor – Ruzomberok 1:0 (xG 1.64 : 1.35)
Gesamt: Trabzonspor – Ruzomberok 3:0 (xG 3.04 : 3.74)

Diesen Werte zufolge bewegte sich Trabzonspor praktisch exakt innerhalb der Erwartung. Ruzomberok hätte jedoch bis zu vier Tore gegen die Türken schießen müssen.

Diese Werte müssen allerdings in Relation gesetzt werden, denn sie zeigen keineswegs an, dass Trabzonspor die schwächere Mannschaft über das gesamte Duell war. Ruzomberok sorgte durch das massive Verdichten des defensiven Zentrums schlichtweg dafür, dass sehr vielversprechende Angriffe des Rapid-Gegners niedrige xG-Werte aufwiesen, weil zumeist sehr viele Gegenspieler im Weg standen. Die Angriffsstatistiken sprachen effektiv etwas deutlicher für Trabzonspor.

Interessant ist dennoch, dass Ruzomberok in zahlreiche Abschlussaktionen kam und diese meist mit einem höheren xG-Wert ausfielen, was damit zu tun hatte, dass Trabzonspor nach den Angriffen des Gegners deutlich offener war. Der PSxG (Post Shot Expected Goals) weist in den beiden Spielen einen Wert von 4.00 : 2.94 zugunsten von Ruzomberok aus. Diese schlossen demnach auch marginal besser und präziser ab als Trabzonspor. Eine Conclusio daraus ist auch, dass sich die Türken vor allem bei ihrem Torhüter für den am Ende doch deutlichen Aufstieg bedanken können. Die Begegnungen waren in Wahrheit dennoch knapper, als sie auf dem Papier wirkten.

Rapids Chancen gegen Trabzonspor

Individuell sollte Trabzonspor über Rapid zu stellen sein – die Eingespieltheit und die Automatismen, die man in den letzten Spielen gegen Sturm Graz und Wisla Krakau beobachten konnte, sind jedoch ebenso Punkte, die für die Hütteldorfer sprechen, wie auch der Größenvorteil.

Aufgrund der starken Flügelspieler Trezeguet und Visca wird defensiv speziell auf die Außenverteidiger Rapids einiges zukommen und gerade das Duell Auer gegen Visca könnte ein Schlüsselduell des Spiels werden. Dass der laufstarke Oswald auf rechts gegen den Linksaußen Trezeguet verteidigen muss und nicht der deutlich offensivere Bolla, könnte im Hinspiel, in dem Rapid nicht auf „Teufel komm raus“ stürmen muss, sogar ein kleiner Vorteil sein. Aber auch die Absicherung durch Innenverteidiger und Sechser/Achter wird ein zentraler Punkt für Rapid sein, um Trabzon in Schach zu halten. Zudem wird es vor allem darauf ankommen, die Anfangsphase am Schwarzen Meer gut zu überstehen, um dann mit möglichst hoher Passsicherheit eine Balance im Spiel zu finden.

Auf dem Papier sollte Trabzonspor 70:30-Favorit sein. Angesichts dessen, was Rapid in der noch jungen Saison bereits zeigte, sollte dieses Verhältnis real eher ein wenig in Richtung Rapid ausschlagen, weshalb wir Trabzonspor nur als 60:40- oder gar 55:45-Favoriten ansehen. Die letzten Spiele suggerierten aus beiden Blickwinkeln, dass Rapid sowohl auswärts, als auch zu Hause seine Chancen bekommen wird. Es wird demnach ausgesprochen viel von der Effizienz der Klauß-Elf abhängen…

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen