Valencias Aufholjagd geht nach hinten los: Atlético Madrid sichert sich den Platz im Europa-League-Finale!
Europa League 28.April.2012 Rene Maric 0
Das zweite Halbfinale fand unter rein-spanischer Beteiligung statt. Atlético Madrid und CF Valencia gehören seit Jahren zu den Topteams in Spanien, können national aber aufgrund der Dominanz Reals und Barcelonas kaum Ansprüche auf Titel melden. Atlético hat gar seit über 12 Jahren nicht mehr im Madrider Derby gewinnen können. Valencia plagen hingegen andere Probleme, großteils finanzieller Hinsicht. Spieler wie Mata und Silva mussten deswegen verkauft werden, ein weiterer Grund, wieso man gegen die großen Zwei Spaniens nicht ankommt.
Dieses Mal trafen sich die beiden in der heimischen Liga abgeschlagenen Vereine allerdings in einem europäischen Pokal wieder. Der Sieger würde die Möglichkeit haben, in dieser Saison Real und Barcelona ein kleines Schnippchen zu schlagen: der Sieg in einem europäischen Pokal war den überdimensionalen Konkurrenten nach ihrem Ausscheiden in dieser Woche nämlich nicht mehr vergönnt. Deswegen war dieses Spiel ungeheuer wichtig und prestigeträchtig. Zwei große Vereine mit geringsten Chancen auf Titel standen sich im Halbfinale eines großen europäischen Pokals gegenüber.
Die Gäste hatten allerdings mit einem 4:2-Sieg aus dem Hinspiel einen großen Vorteil. In den ersten Minuten begannen sie zwar mit einem offensiven Pressing und wirkten sehr aktiv, im Laufe des Spiels nahm diese Offenheit ab. Sie stellten sich tiefer in die eigene Hälfte und operierten hauptsächlich mit Kontern. Valencia machte das Spiel, doch ihnen lief die Zeit davon. Sie waren die dominante Mannschaft und konnten zehn Schüsse auf das gegnerische Tor anbringen, jedoch waren die gegnerischen Konter nicht minder gefährlich. Trotz spielerischer Dominanz wurde aus der Aufholjagd nichts. Einer der Konter Atléticos wurde sehr schön zu Ende gespielt und das Spiel endete gar mit einem 1:0-Auswärtserfolg.
Aufstellung der Gäste
Mit einem, nach der Anfangsphase zumindest, defensivorientierten und stark asymmetrischen 4-5-1 wurde dieser wichtige Sieg erreicht. Atlético positionierte sich sehr diszipliniert und kompakt, was Valencia der Weg zu ihren dringenden Toren erschwerte. Allerdings spielten die Madrilenen mit ihren offensiven Außenverteidigern und einem technisch starken Offensivquartett. Radamel Falcao zog das Spiel in die Tiefe und versuchte Lücken in der gegnerischen Viererkette zu finden. Sehr wichtig war es auch, dass er die Räume für Adrian Lopez öffnete. Dieser spielte wie ein Stürmer trotz seiner nominellen Außenposition. Über den Flügel bewegte er sich Richtung Zentrum, wo er den Abschluss suchte.
Ganz anders als Gegenüber Arda Turan. Der türkische Nationalspieler überbrückte die gesamte Außenbahn, machte das Spiel breit und wollte sich mit seinen Dribblings Räume für das Anbringen von Flanken schaffen. Die zwei Stürmer würden je einen der Pfosten besetzen, Diego im Idealfall tief stellen, damit er für Pässe in den Rücken der gegnerischen Abwehr erreichbar blieb. Besonders wegen Falcaos unglaublicher Kopfballstärke war diese Idee eine sehr gute.
Diego spielte hinter Falcao als fast schon klassische Nummer Zehn im Spielfeldzentrum, unterschied sich durch seine erhöhte Laufarbeit und zahlreiche Rochaden auf die Flügel von der normalen Aufgabe eines Zehners. Seine Freirolle in der Offensive sicherten zwei Sechser ab. Suarez und Tiago positionierten sich defensiv und spielten eine konservative Rolle. Allerdings schalteten sie sich teilweise in die Offensive mit ein und ein paar Mal rückten sie weiter mit nach vorne, hierbei würde der jeweils andere, zumeist natürlich der defensivere Suarez, den verlassenen Raum in Ballnähe übernehmen.
Die Viererkette spielte eng aneinander, die Flügelverteidiger sind allerdings eigentlich eher offensive Spieler. In diesem Spiel mussten sie ihre Offensivstärke etwas konservieren und zurückhalten. Dennoch gab es den ein oder anderen Vorstoß, welche allerdings nie bis zur Grundlinie durchkamen. Ganz anders als die Außenverteidiger Valencias also.
Valencias Weg
Wie die Gäste spielten Valencia ebenfalls in einem 4-2-3-1 mit verkapptem Sturmduo. Hier war es jedoch Jonas, welcher zentral hinter Soldado auflief. Dadurch entstand zeitweise ein 4-4-1-1-System, beim Pressing wurde es hin und wieder sogar ein klassisches 4-4-2. Sie pressten dadurch effektiver auf die beiden Innenverteidiger und waren durch die zwei Viererketten kompakt hinter dem Sturmduo.
Im normalen Aufbauspiel ließ sich Jonas etwas fallen und half im Mittelfeld aus. Seine offensive Orientierung und seine Diagonalläufe sorgten jedoch für eine gute Kombination mit den Flügelspielern. Feghouli machte das Spiel breit, rückte auf der Seite auf und war durch seine Laufarbeit eine wichtige Absicherung der beiden Stürmer. Auf der linken Seite profitierte Canales von dem beweglichen Stürmerpaar. Wenn Jonas aus der Mitte wich, konnte Canales nach innen ziehen und das Spiel machen. So befreite er sich aus jeglicher Doppelung auf dem Flügel und konnte mit Ball am Fuß in leere Räume ziehen. Von dort aus bediente er die Vordermänner und diese Rolle kam ihm sehr gelegen – einige schöne Aktionen machten ihn zu einem der auffälligsten Spieler dieser Partie.
Damit die linke Seite nicht unbesetzt blieb, war Jordi Alba eminent wichtig. Wie auch Mathieu, der sich auf der Bank wiederfand, kann er als extrem offensiver Außenverteidiger agieren. Er hinterlief Canales und entledigte diesen einer unangenehmen Verfolgung des gegnerischen Außenverteidigers ins Zentrum. Des Weiteren bot er ihm eine Anspielstation auf der Seite und konnte mit Flanken in den Strafraum für Gefahr sorgen. Einer seiner Pässe sorgte beispielweise für eine der schönsten und gefährlichsten Offensivaktionen des Spiels. Barragan auf rechts ist ebenfalls ein offensivstarker Außenverteidiger, musste aufgrund Feghouli nicht durchgehend marschieren.
Das Flügelspiel der Heimmannschaft
Bei Jordi Albas Vorstößen war die gesamte Mannschaft gefragt. Er rückte so weit vor, dass man ihn bei einer Momentaufnahme als klassischen Außenstürmer hätte einschätzen können. Naturgemäß öffnen sich dadurch Lücken, welche vom Kollektiv gefüllt werden mussten. Albelda schob meistens nach links und die beiden verbliebenen Innenverteidiger ebenfalls. Barragan deckte den gegenüberliegenden Flügel ab und bildete eine verkappte Dreierkette mit den Innenverteidigern. Albelda schloss somit im Normalfall die Lücke im Zentrum und Parejo spielte halbrechts im Mittelfeld. Er verschob ballseitig und agierte höher als Albelda, wobei die beiden ein Pärchen bildeten. Sie sollten sich bei Rückpässen zu ihnen nicht in Gefahr begeben und einen einfachen Querpass als sichere Anspielstation besitzen.
Sergio Canales ging ins Zentrum, wo er für kurze Zeit seine Lieblingsposition als Spielmacher übernahm. Er konnte Jordi Alba anspielen oder die beiden Stürmer einsetzen – wenn der Ball auf die Seite kam, standen die zwei Mittelstürmer bereits vorne und waren für Kopfbälle oder das Verwerten flacher Hereingaben bereit. Feghouli schob bis ins letzte Drittel und sicherte den Raum bei zu hohen Flanken oder half bei Seitenwechseln.
Der Unterschied zwischen Canales und Diego
Das Einrücken Canales‘ diente in gewisser Weise einem Selbstzweck. Er befreite sich von seinen Gegenspielern, hatte mehr Raum und die Flügel wurden von einem anderen übernommen. Sein Counterpart als primärer Spielmacher war bei Atlético ganz klar Diego. Der Brasilianer spielte in seiner Zeit bei Werder Bremen als klassische Nummer Zehn hinter zwei Spitzen als vorderster Mittelfeldspieler einer Raute.
Hier war seine Rolle aber deutlich laufintensiver und taktisch komplexer. Zwar besaß er zwei Spitzen vor ihm, allerdings in einer asymmetrischen Formation. Adrian rückte ein, wich sogar auf die linke Seite aus, dann würde Turan einrücken. Diego musste sich sogar selbst dem fluiden Spiel seiner Mannschaft anpassen. Das heißt, dass er an den Rochaden teilnahm und sich aus dem Zentrum wegbewegte. Damit verlor er den Zugriff auf das Spiel seiner Mannschaft, aber er erfüllte wichtige taktische Aufgaben.
In der Grafik sieht der Leser ein Beispiel dafür. Hier schob Diego nach links und Turan füllte das Zentrum, rein als Durchlaufstation für Pässe und die Ballzirkulation. Meistens rückte dann Juanfran auf, die anderen Spieler sicherten im Kollektiv ab – immerhin hatte man einen zwei-Tore-Vorsprung zu verteidigen. In diesem Szenario gab es hingegen mehr zu sehen als eine übliche Rochade. Diego schaffte nämlich nicht nur seinen Mitspielern Raum und gegnerisches Abwehrchaos für leichtere Konter, er befreite sich in weiterer Folge selbst. Nach seinem Ausweichen auf den Flügel konnte man teilweise sofort eine Rochade zurück sehen, wo er dann seine normale Position okkupierte – die gegnerische Defensivspieler allerdings nicht mehr so formiert waren.
Es war eine Aktion dieser Sorte, die für das einzige Tor sorgte. Diego kam von links, spielte einen schönen Pass auf Adrian Lopez. Dieser nahm den Ball mit der Brust an und erzielte ein absolutes Traumtor. Das Weiterkommen war gesichert, obwohl man die klar schwächere Mannschaft war.
Rene Maric, abseits.at
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