Nach einem Jahr Verspätung, war es nun endlich soweit: Die österreichische Nationalmannschaft startete in die Europameisterschaft und zum Auftakt ging es dabei in einer... Analyse: Österreichs erster EM-Sieg unter der Lupe

Nach einem Jahr Verspätung, war es nun endlich soweit: Die österreichische Nationalmannschaft startete in die Europameisterschaft und zum Auftakt ging es dabei in einer ansonsten recht ausgeglichenen Gruppe gegen den „Underdog“ Nordmazedonien. Die Aufgabe war keineswegs einfach, sind die Nordmazedonier doch bekannt für ihre kompakte Defensive inklusive massiver Fünferkette, wodurch man sich letztlich für die Europameisterschaft qualifizieren konnte. Bei den Österreichern lief es zuletzt auch nicht wirklich rund und in den beiden letzten Testspielen gab es keinen Sieg, weshalb viel Skepsis vorhanden war. Für Österreich war dieses Spiel jedoch ungemein wichtig, da ein Sieg in vielen Aspekten ungemein wichtig wäre, vor allem aber im Hinblick auf den Einzug ins Achtelfinale.

Foda überrascht mit Aufstellung und Alaba-Rolle

Die kritischen Stimmen hatten in den letzten Tagen und Wochen Hochkonjektur bei den Österreichern und es herrschte das Gefühl, dass die Mannschaft ihr volles Potenzial nicht abrufen konnte und man unter den vorhandenen Möglichkeiten spielt. Die beiden Testspiele nahmen diesem Narrativ auch nicht wirklich Wind aus den Segeln, auch wenn die Leistung nicht als schlecht, sondern als durchschnittlich zu bezeichnen war. Experimentiert wurde vergleichsweise wenig und in beiden Duellen gab es ein 4-2-3-1 System zu sehen – mit unterschiedlichen Interpretationen. Umso größer war dann die Überraschung, als Teamchef Franco Foda enthüllte, dass man sich etwas Neues ausgedacht hatte. Was zunächst von der Regie grafisch als 4-2-3-1 dargestellt wurde, entpuppte sich in Wirklichkeit als ein 3-3-2-2/5-3-2 System, mit einer Dreierkette! Das kam überraschend, wurde dies zwar in der Vergangenheit immer mal wieder gespielt, doch gab es keine Anzeichen dafür, dass dies eine Option für das Turnier wäre.

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Am interessantesten war dabei allerdings die Rolle von Kapitän und Leitwolf David Alaba. Dieser wurde für gewöhnlich wesentlich offensiver als im Verein eingesetzt und spielte zuletzt entweder am Flügel, oder wie im Testspiel gegen die Slowakei im zentralen Mittelfeld. Nun wurde er allerdings als Abwehrchef in die Dreierkette zurückgezogen und sollte von hinten den „Laden“ zusammenhalten und der Mannschaft mit seinen Qualitäten weiterhelfen. Was waren dabei die Überlegungen von Teamchef Foda? Zunächst muss man mal konstatieren, dass dieses System wohl am besten zum Kader und den vorhandenen Spielerprofilen passt. Man verfügt über sehr viele gute Innen- und Flügelverteidiger, hat flexible zentrale Mittefeldspieler zur Verfügung, die unterschiedlichste Rollen ausfüllen können, während man in der Offensive doch Defizite hat – speziell was die Kreativpositionen betrifft.

Da macht es rein strategisch gesehen durchaus Sinn, die Qualitäten die man hat entsprechend zu forcieren und in eine passende Struktur unterzubringen. Ein Offensivfeuerwerk wird es bei den Österreichern wohl nie geben, hierzu fehlt es schlicht an der endscheidenden individuellen Durchschlagskraft im Angriff und an den „Unterschiedsspielern“. Wichtig ist es darüber hinaus natürlich, die besten Spieler in der Mannschaft so unterzubringen, dass sie am besten zur Geltung kommen. Hier liegt natürlich der Schlüssel beim Topstar Alaba, den es passend einzubinden gilt, damit dieser sein Potenzial abrufen kann. Was aufgrund der Positionierung zunächst seltsam anmuten kann, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als absolut nachvollziehbar. Alaba ragte in der Innenverteidigung bei den Bayern unter Hansi Flick heraus. Nicht nur seine spielerischen Fähigkeiten legten den Grundstein für ein ansehnliches Spiel, sondern auch seine defensiven Qualitäten in Punkte Absicherung und Konsequenz waren auf einem herausragenden Niveau, weshalb die Bayern auch viel Risiko in ihrem Spiel eingehen konnten in dem Wissen, dass Alaba viele Situationen dank seiner Athletik und Intelligenz bereinigen konnte.

Kontrollierter Beginn und einstudierte Spielzüge

Da macht es nur Sinn, sich diese Qualitäten zunutze zu machen und so der Mannschaft speziell in der Defensive eine hohe Grundstabilität zu verleihen. Die Frage war dabei nur, ob er dies eher als Innen- oder als Halbverteidiger in der Dreierkette bewerkstelligen sollte? Hier entschied sich Teamchef Foda für die Stabilität und gegen die offensive Power von Alaba, da Hinteregger zwar auch die Rolle als zentraler Innenverteidiger spielen könnte, aber in seiner Spielweise zwischen Genie und Wahnsinn pendelt und immer wieder Unachtsamkeiten in seinem Spiel hat. Hier besitzt man auch eine gewisse Flexibilität, denn bei Bedarf könnte man auch die beiden Positionen tauschen, sofern man noch mehr offensive Akzente braucht – was später dann auch geschehen sollte. Die Österreicher starteten zunächst ruhig und auf Kontrolle bedacht, schauten sich zunächst an was der Gegner anzubieten hatte.

Bei den Nordmazedoniern gab es keinerlei Überraschungen. Das gewohnte 5-3-2 System war zu sehen, welches vor allem in den zentralen Regionen extrem kompakt daherkam. Mit den je drei Innenverteidigern und zentralen Mittelfeldspielern, im Verbund mit den beiden Stürmern, hatte man eine massive zentrale Achse zur Verfügung und es lag hier auch der klare Fokus darauf, das Zentrum zu versperren. Dabei setzte man auf ein tiefes Mittelfeldpressing und es waren alle Akteure in der eigenen Hälfte, um die Räume dementsprechend zu verknappen.

Die beiden Stürmer ließen den Aufbau der Österreicher in Ruhe und konzentrierten sich darauf, die beiden Sechser Schlager und Laimer mittels Deckungsschatten abzudecken und vom Spielgeschehen damit abzuschneiden. Die drei Mittelfeldspieler dahinter unterstützen sie dabei und stellten die Passwege zu und sicherten sie dahinter ab. Nach Ballgewinn sollte es dann über Altstar Pandev nach vorne gehen, wobei natürlich Konterangriffe aufgrund der tiefen Positionierung der Mannschaftsteile schwierig waren. Dazu fehlt es den Mazedoniern auch noch am nötigen Tempo in der Spitze, weshalb man sich für gewöhnlich eher über Kombinationen aus Situationen befreit und nicht über die Geschwindigkeit und Vertikalität kommt.

So gesehen kam es auch zum „Duell der Systeme“, da beide Teams auf eine ähnliche Formation setzten. Wie legte es Österreich strategisch an? Gegen so einen massiven Block durchzukommen, ist natürlich alles andere als einfach und ist vor allem viel Geduld gefragt. Knacken wollte man den Kontrahenten vor allem über die „linke Achse“, die man hier aufbaute. Mit Alaba, Hinteregger, Schlager und Sabitzer baute man eine spielstarke Raute in der Spieleröffnung auf, die das Spielgerät in die gegnerische Hälfte bringen sollte. Dabei war vor allem die Positionierung von Sabitzer interessant, denn während Schlager mehr das Zentrum hielt und den „Sechser“ gab, sollte Sabitzer den linken Halbraum besetzen und dort „freigeschoben“ werden.

Um das zu gewährleisten, schob nämlich Flügelverteidiger Ulmer extrem weit hoch und stand de facto auf einer Linie mit den beiden Stürmern, um einerseits Breite zu geben, aber vor allem die Abwehr der Mazedonier nach hinten zu drücken. Dadurch bekam Sabitzer wiederum Räume in den Halbzonen, da der Gegner wie erwähnt sehr massiv im Zentrum stand. Das war in den Plänen der Österreicher essentiell, denn man konnte dadurch ein bestimmtes Angriffsmuster initiieren. Sobald Sabitzer den Ball erhielt, drehte er sich auf in Richtung Tor und ging der Blick sofort auf die ballferne Seite. Das war meist der Moment, wo dann auf der anderen Seite Flügelverteidiger Lainer oder ein Stürmer sich absetzte und in die Tiefe startete, um mit einem langen Diagonalball bedient zu werden. Diese Diagonalbälle waren in der Anfangsphase mehrmals zu sehen und man bohrte hier vor allem den Linksverteidiger Alioski an, der mit seinem Stellungsspiel und allgemein in der Defensive als nicht wirklich sattelfest gilt.

Die Bälle kamen zunächst allerdings nicht an, wodurch man etwas an Kontrolle einbüßte und den Ball immer wieder verlor. Dadurch wirkte die Anfangsphase der Österreicher recht gemächlich und es war nicht viel Tempo im Spiel. Allerdings ließ man den Ball in dieser „Achse“ wiederum recht gut laufen und situativ gab es gute (flache) Diagonalbälle in die Spitze, auch wenn man dort dann das Spielgerät nicht behaupten konnte. Allerdings holte man sich diese Bälle dann recht schnell wieder zurück, da Mazedonien fehlerhaft agierte und mit dem Gegenpressing der Österreicher nicht wirklich klarkam. So hatte Österreich eigentlich alles im Griff und wurde dann auch mit einem Treffer belohnt. Nach dem oben beschriebenen Muster erhielt Sabitzer den Ball, spielte einen punktgenauen Diagonalball auf die ballferne Seite zu Lainer und dieser verwertete dann sehenswert per Direktabnahme zur 1:0 Führung.

Das spielte den Österreichern natürlich in die Karten, denn man konnte nun mit der kontrollierten Spielweise fortfahren und musste nicht allzu großes Risiko eingehen, um den Gegner einzuladen. Eher musste jetzt von den Mazedoniern eine Reaktion kommen und konnten sie mit ihrer destruktiven Spielweise so nicht fortfahren. Ärgerlich für die Österreicher war es dann, dass man die Nordmazedonier dann mit Geschenken zurück ins Spiel brachte. Hintereggers leichtfertiger Klärungsversuch wurde zur Steilvorlage für den Gegner, bei der Torhüter Bachmann zwar zunächst rettete, um den Ball dann wieder auszulassen und den Stürmer einzuladen. Man versuchte anschließend weiterhin in der gleichen Gangart weiterzumachen und die Ballzirkulation zeigte sich auch allgemein verbessert, doch hatte man das Problem der mangelnden individuellen Durchschlagskraft in der Offensive. Stürmer Kalajdzic konnte kaum Bälle festmachen und hing in der Luft und auch Baumgartner konnte sich ebenfalls nur selten in Szene setzen. Natürlich war dies auch eine Balance-Frage, denn man investierte durch den „Viereraufbau“ und dem System nummerisch nicht viel in die letzte Angriffslinie und so war es für die Offensivspieler schwer, in Unterzahl Dinge zu kreieren. Laimer versuchte zwar durch eine höhere Rolle die Verbindung zu schaffen, allerdings war dies nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Dadurch fehlte es etwas an Dynamik und man entwickelte keine richtige Durchschlagskraft, weshalb es beim 1:1 zur Pause blieb.

Österreich wird energischer, Alaba-Schachzug führt zum Umschwung

Nach der Pause gab es bei den Österreichern einige kleinere Anpassungen, wobei klar war, dass man in der Offensive mehr Durchschlagskraft entfalten muss. Zunächst war klar ersichtlich, dass die Abwehrlinie aggressiver nachrückte und das Gegenpressing noch stärker unterstützte, um einen höheren Druck auf die Mazedonier auszuüben. Dadurch, dass man mit Alaba einen herausragenden Mann in der Absicherung hatte, konnte man sich das auch leisten und wirkte sich dies auch positiv auf die Momente im Gegenpressing aus. Dadurch gingen die Ballbesitzzeiten noch weiter in die Höhe, wobei man auch noch mehr Zeit in der gegnerischen Hälfte verbrachte. Das lag auch daran, dass an mit der gesamten Mannschaft im Positionsspiel weiter aufrückte und so den Gegner zunehmend nach hinten rückte.

Doch nicht nur das, vor allem Halbverteidiger Hinteregger wurde nun angewiesen, noch aggressiver den gegnerischen Block anzudribbeln und weit in die gegnerische Hälfte vorzudringen. Solche Situationen gab es schon im ersten Durchgang vereinzelt und es war hier schon definitiv Potenzial zu erkennen, was allerdings noch zögerlich genutzt wurde. Dies wurde nun aktiv praktiziert, wodurch man recht einfach tief in die gegnerische Hälfte kam. Dort allerdings stand man einer Menschenmenge entgegen, gegen die man relativ wenig Lösungen fand. Hier wäre Kreativität und Durchsetzungsvermögen auf engen Raum gefragt gewesen, doch diese war kaum vorhanden. Daher reagierte Teamchef Foda recht schnell mit einem Doppelwechsel und brachte mit Arnautovic und Gregoritsch zwei physische Angreifer in die Spitze.

Die Wechsel machten durchaus Sinn, da man kombinativ bis dahin kaum Lösungen fand um Durchschlagskraft zu entwickeln und die Mazedonier Probleme zeigten bei Flankenbälle. Daher wurde das Flankenspiel auch noch mehr forciert und versuchte man so, den Druck auf die Abwehr des Gegners zu erhöhen und mit zwei Zielspielern für Präsenz im Strafraum zu sorgen. Und beinahe hätte sich das auch ausgezahlt, denn Gregoritsch brachte nach einer Flanke den Ball gefährlich aufs Tor und zwang den gegnerischen Torhüter zu einer Glanzparade. Die Österreicher versuchten zwar Druck zu entfachen, aber taten sich schwer, öfter zu solchen Szenen und Torchancen zu kommen.

Teamchef Foda zog dann noch einen weiteren Joker aus dem Ärmel und so tauschten Hinteregger und Alaba die Positionen, wodurch man die offensiven Qualitäten von Alaba nutzen wollte, um dadurch noch mehr Durchschlagskraft zu entwickeln. Und einige Minuten später wurde dieser Schachzug dann auch belohnt, als Alaba auf der linken Seite aufrückte und einen punktgenauen Ball zur Mitte brachte, wo der eingewechselte Gregoritsch nur noch das Spielgerät ins Tor schieben musste. Damit belohnten sich die Österreicher für die Dominanz und knackten letztlich doch noch den „mazedonischen Beton“. Danach kam man in der Schlussphase kaum mehr in Bedrängnis und konnte sogar die Führung ausbauen, als nach einem schönen Angriff auch noch Arnautovic zum 3:1-Endstand traf.

Fazit

Es war zwar keine Galavorstellung der Österreicher zum Auftakt dieser Europameisterschaft, allerdings war die Leistung dennoch über weite Strecken mehr als nur in Ordnung. Die Struktur die sich Teamchef Foda ausdachte war durchdacht und passte gut zu den Spielern, wodurch vor allem die Ballzirkulation besser wurde und man aber auch in der Abwehr sicherer stand. Garniert mit den guten Gegenpressing-Momenten fand man einen guten Zugriff auf die Partie und belohnte sich dann auch mit einem ausgearbeiteten Angriffsmuster mit dem 1:0. Ohne den Fehler zum 1:1-Ausgleich, hätte man die Partie auch in Ruhe kontrolliert und vermutlich ohne große Probleme zu Ende gespielt. So war dann die Offensive gefragt, die sich wie in den letzten Monaten wenig durchschlagskräftig präsentierte. Hier fehlt es schlicht auch an der höchsten individuellen Qualität, um entscheidende Akzente zu setzen und geniale Momente zu kreieren. So wurde es ein Geduldspiel und man musste lange warten, bis man das Spiel zu eigenen Gunsten entschied. Hier muss man auch Teamchef Foda loben, denn nicht nur die beiden Einwechslungen waren folgerichtig, auch der Positionswechsel von Alaba legte den Grundstein für den Sieg und den guten Start. Nun darf man allerdings nicht nachlassen und hat nun die große Chance, mit einem weiteren Punktegewinn die Gruppenphase tatsächlich zu überstehen.

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Dalibor Babic

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