Eine Europameisterschaft geht zu Ende, die den Fans einiges zu bieten hatte. Spektakuläre Partien, mutige Außenseiter und viele Emotionen waren an der Tagesordnung. Rund... Die Schattenseiten des EM-Finalspiels im Wembley-Stadion

england_fansEine Europameisterschaft geht zu Ende, die den Fans einiges zu bieten hatte. Spektakuläre Partien, mutige Außenseiter und viele Emotionen waren an der Tagesordnung. Rund um das Finalspiel lief jedoch einiges schief.

Bester K.o.-Spieltag bei einer Endrunde?

Der Achtelfinalspieltag vom 28. Juni 2021 war vielleicht der spannendste und spektakulärste Tag, den man als neutraler Beobachter bei einer Endrunde in den letzten Jahrzehnten beobachten durfte. Die beiden Partien zwischen Spanien und Kroatien sowie Frankreich und der Schweiz endeten jeweils mit einem 3:3-Unentschieden und es waren in beiden Spielen atemberaubende Aufholjagden der kleineren Teams zu sehen. Die Eidgenossen hatten im Elfmeterschießen gegen Frankreich sogar das Glück auf ihrer Seite und warfen den Favoriten aus dem Turnier.

Diesen Spieltag wird man nicht so schnell vergessen und auch zahlreiche andere Partien, wie etwa die Begegnung zwischen Belgien und Italien im Viertelfinale waren mehr als sehenswert. Als Draufgabe zeigte auch die österreichische Nationalmannschaft beim Ausscheiden gegen Italien wahrscheinlich die beste Leistung seit vielen Jahren und konnte sich trotz der Niederlage in der Verlängerung viel Respekt erarbeiten.

Italien und England verdient im Finale

Im Finale standen schließlich zwei Mannschaften, die sich den Einzug ins Endspiel durchaus verdienten. Italien ist seit Ewigkeiten ungeschlagen, spielte die souveränste Gruppenphase aller Mannschaften und musste sich auch durch den schwereren Turnierast durcharbeiten. England wiederum zeigte eine enorme mannschaftliche Kompaktheit und kassierte bis zum Finale keinen einzigen Gegentreffer aus dem offenen Spiel heraus. Man sah zwar keinen typischen englischen Fußball mehr, sondern eine äußerst pragmatische Mannschaft, die phasenweise starkes Pressing praktizierte und ansonsten in erster Linie den Gegner weit weg vom eigenen Tor halten wollte.

Einige englische Fans verdienen die „55 years of hurt“

Nach dem Finalspiel konnte man immer wieder im Austrian Soccer Board lesen, dass die User der englischen Mannschaft durchaus den Titel gegönnt hätten, viele englische Fans jedoch ganz genau das bekamen, was sie verdienten. Schon in der K.o.-Phase fielen die Anhänger nach den Spielen ungut auf. Selbst ein Sieg gegen die sympathischen Dänen hinderte einigen Fans nicht daran, dass sie einen dänischen Vater vor seiner Familie in einem Bus attackierten.

Organisierter Sturm ins Stadion

Rund um das Finalspiel lief viel enorm viel schief. Dass beispielsweise der Leicester Square geräumt werden musste, nachdem Feuerwerke abgebrannt und Bierflaschen geschmissen wurden, kam nur wenig überraschend und ist auch bei weitem nicht das Schlimmste, was am gestrigen Abend passierte. Augenzeugenberichte sprechen von tausenden Fans vor dem Stadion, die sich mit Gewalt Einlass zu diesem Jahrhundertspiel verschaffen haben. Absperrungen wurden durchbrochen, just in dem Moment als im Stadion die englische Nationalhymne ertönte. Ein freiwilliger Helfer mutmaßte, dass es sich aufgrund dieses Zeitpunktes um eine organisierte Attacke handelte.

Kämpfe um die Sitzplätze

Im Stadion waren jedenfalls weit mehr Menschen als Tickets verkauft wurden. Dies hatte Faustkämpfe um die Sitze zu Folge, die nicht immer fair abliefen. Von der Gewalt wurden beispielsweise auch ein Kind nicht verschont, dass einen Boxschlag auf den Kopf abbekam. Die englischen Fans stürmten zudem auch die Eingänge, die für Menschen mit Behinderungen vorgesehen waren.

Aus offiziellen Quellen hieß es zunächst, dass es zu keinen Zwischenfällen kam und die Absperrungen nicht überwunden wurden. Ein wenig später gab man zu, dass eine kleine Anzahl an Fans ohne Tickets ins Stadion gelangte. Augenzeugenberichte und Videos sprechen eine klar andere Sprache. Fans mit gültigen Tickets gelangten zum Teil erst nach 30 bis 45 Minuten ins Stadion, da pures Chaos vor den Einlässen herrschte. Zahlreiche Fans verschafften sich ohne Karten Zutritt zum Stadion.

Die vorgeschriebenen Corona-Testungen wurden ebenfalls nicht mehr kontrolliert, ein Zuschauer gab an, dass die Ordner nur „irgendetwas“ am Handy sehen wollten. Dies kann man den überforderten Ordnern schwer vorwerfen, da sie von den Organisatoren im Stich gelassen wurden, die einen vernünftigen Ablauf sicherstellen hätten müssen.

Jagd auf italienische Fans

Nach dem Spiel gab es leider ebenfalls unschöne Szenen zu sehen. Einige Engländer ließen den Frust der Finalniederlage an den italienischen Fans aus, die zum Teil nicht sicher das Stadion verlassen konnten, wobei nebenbei hier nochmal erwähnt werden soll, dass es auch nach den Siegen gegen die Ukraine und Dänemark zu unschönen Szenen kam. Die folgenden Bilder sind nur traurig und eine Schande für das Mutterland des Fußballs.

Stefan Karger