Nach jedem Spieltag küren wir den „Helden des Spieltags“. Wer fiel mit einer außergewöhnlichen Leistung auf? Wer meldete sich um den Fairplay-Preis an? Oder... Held des Spieltags (15): Der anteriore cinguläre Cortex

Nach jedem Spieltag küren wir den „Helden des Spieltags“. Wer fiel mit einer außergewöhnlichen Leistung auf? Wer meldete sich um den Fairplay-Preis an? Oder war es gar ein tragischer Held?

Was war das gestern für ein geiler EM-Tag! Acht Tore nach Verlängerung bei Kroatien gegen Spanien, sechs Tore und ein Elfmeterschießen bei Frankreich gegen Schweiz. Grund genug, einen Abstecher ins menschliche Gehirn zu machen.

Unser Held des Spieltags (15) ist der anteriore cinguläre Cortex.

Zugegeben: Es brauchte schon ein bisschen Nachhilfe von Doktor Google – im wahrsten Sinne des Wortes. Aber nach dem irren dritten Achtelfinaltag wollten wir wissen, wo im menschlichen Gehirn der Mut, die Courage, die Furchtlosigkeit erzeugt werden.

Bereits im Jahr 2010 gab es dazu auf ORF on (Website übrigens unter folgendem Link sogar noch im Retro-Design zu bewundern) einen interessanten Artikel zu einem Experiment mit einer Kornnatter, einem Teddybären und einigen Probanden. „Mut ist, wenn man Todesangst hat, aber sich trotzdem in den Sattel schwingt“, heißt es im Artikel. Man ersetze Todesangst mit dem Angst vor dem EM-Aus, schon ist man bei dem Zustand angelangt, dem sich gestern die Kroaten und die Schweizer zum fast selben Zeitpunkt ihrer Spiele annäherten. Die saßen nämlich gegen ihre favorisierten Gegner trotzdem nicht wie das sprichwörtliche Kaninchen vor der Schlange.

Das Online-Medizinlexikon DocCheck erklärt, dass nach aktuellem Forschungsstand der anteriore cinguläre Cortex, kurz ACC, für die Erzeugung von Mut zuständig ist, wie es bereits die besagte israelische Studie aus dem Jahr 2010 nahelegte. Spannend ist dabei vor allem die Definition der Funktion dieser Hirnregion: Fehlererkennung und Initiierung von passenden Maßnahmen, belohnungsbasierte Entscheidungsfindung und Lernprozesse, Angstregulierung, Bildung eines emotionalen Bewusstseins, Beteiligung an der Schmerzverarbeitung, insbesondere an der emotionalen Bewertung von Schmerzen.

Tja. Und plötzlich sind wir dort angekommen, wo sich die Niederländer und die Portugiesen am Vorabend gar nicht erst hingetraut haben. Während sich die blutleere De-Boer-Elf, in Unterzahl und sichtlich k.o., in keinster Weise aufbäumen konnte und die Portugiesen ihre eigenen Fehler nicht erkannten, schlussendlich gegen Belgien auch nicht proaktiv genug agierten und ein wenig an Einsteins (angeblicher) Definition von Wahnsinn scheiterten, spielten am gestrigen Montagabend alle vier Mannschaften mutig, initiativ, furchtlos, keine Schmerzen fürchtend drauf los und lieferten sich die spektakulärsten Schlagabtäusche der bisherigen EM.

Dass Freud und Leid nah beieinander liegen, sah man auch in mehreren Szenen. Etwa nach dem Ausgleich Kroatiens, der die Mannschaft noch einmal richtig aufweckte, dann aber doch an den qualitativ stärkeren Spaniern zerschellen ließ. Oder die Tatsache, dass Hugo Lloris während des Spiels den Elfmeter von Ricardo Rodríguez hielt, dann im Elferschießen aber keinen mehr, weshalb sein Gegenüber Yann Sommer zum Helden wurde. Oder Pogbas scheinbar vorentscheidendes Tor, der Schweizer Ausgleich in letzter Minute, der Coman-Lattenschuss in allerletzter Minute… es war einfach so viel dabei!

Wir hätten’s auch einfacher machen können. Mit irgendeiner Plattitüde wie „Held des Spieltags war der Fußball“, oder so. Aber nach dem couragierten Auftritt Österreichs gegen Italien, die großen Emotionen, die die so arg gebeutelten Dänen gerade hervorrufen und vor allem nach den gestrigen Superspielen, wurde unser fünfzehnter Artikel zu Ehren des „Helden des Spieltags“ schließlich doch eine Ode an den Mut. Spielt weiter so, liebe verbliebene Titelanwärter. Offenes Visier, keine Scheu, nur nicht zu viel Rasenschach. Das ist es, was wir auch in den kommenden Turniertagen noch oft sehen wollen! Danke jedenfalls schon mal für gestern!

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen