Nach jedem Spieltag küren wir den „Helden des Spieltags“. Wer fiel mit einer außergewöhnlichen Leistung auf? Wer meldete sich um den Fairplay-Preis an? Oder war es gar ein tragischer Held?
Italien wirft Spanien im Halbfinale per Elferschießen aus dem Turnier und ist nach den bisher gezeigten Leistungen kaum verwunderlich erster EM-Finalist.
Unser Held des Spieltags (19) ist der Schütze des entscheidenden Elfmeters, Jorginho.
Und plötzlich saß der entscheidende Elfer. Mit einer Coolness, die ihresgleichen sucht. Der Schütze: Ein 29-Jähriger, geboren im brasilianischen Imbituba, der mehr als die Hälfte seines bisherigen Lebens in Südamerika verbrachte. Als 15-Jähriger kam der in eine italienischstämmige Familie geborene Jorginho alleine nach Verona, avancierte zum Fußballprofi, wechselte mit 23 nach Neapel.
Jorginho spielte bisher eine relativ stille, aber ausgesprochen wichtige Rolle in der Squadra Azzurra. Der Routinier hielt auf der Sechs alles zusammen, wurde nur gegen Wales eine Viertelstunde vor Schluss ausgewechselt, verpasste davon abgesehen keine Minute. Gegen Österreich, das sich lange Zeit zurückzog und die Italiener kommen ließ, hatte der Chelsea-Legionär unglaubliche 134 Ballaktionen bei einer Passquote von 92%.
Allgemein präsentierte sich Jorginho im Laufe des Turniers als wahres Uhrwerk. Bis zum Halbfinale hatte er ausschließlich Passquoten jenseits der 90%, gegen Belgien brachte er sogar 98,6% seiner Bälle an den Mann. Italien hat damit – neben der Kampfkraft und Ballsicherheit von Verratti, den wohl sichersten Passhafen des Turniers in seinen Reihen. Ein absoluter Faktor auf dem Weg zum Titel.
Das Duell mit Spanien war für Jorginho allerdings ein anderes, als die Spiele zuvor. Er bekam es mit sehr umtriebigen Gegenspielern zu tun, musste viele Einrück- und Pendelbewegungen der Spanier ausbalancieren und – das zentrale Thema – Italien hatte deutlich weniger den Ball. Dennoch gelang es dem zentralen Mittelfeld der Italiener weitgehend die Balance zu halten, wenngleich der Stress durch den Gegner deutlich höher war und Jorginho somit erstmals nur auf 78,8% Ballbesitz kam. Kurzum: Es war nicht seine beste Partie.
Aber auch als Spanien speziell in der Verlängerung nach einem heißen Lucky-Punch-Kandidaten aussah, rettete man sich unter anderem dank Jorginhos Routine über die Zeit und ins Elfmeterschießen, wo dem gebürtigen Brasilianer die Ehre bzw. Bürde des letzten Elfmeters zuteil wurde. Jorginho versenkte den Ball eiskalt und durfte sich von den Fans der Azzurri und von seinen Kollegen feiern lassen.
Roberto Mancini muss spätestens jetzt seine Aussage aus dem Jahr 2015 gründlich überdenken. Der damalige Inter-Mailand-Coach sagte damals: „Ich denke, dass es ein italienischer Spieler verdient, in der Nationalelf zu spielen, während derjenige, der nicht in Italien geboren ist, auch wenn er italienische Verwandte hat, es nicht verdient. Das ist meine Meinung.“ Der Junge aus Imbituba, einer der Garanten für den Erfolg der Italiener, wird Mancinis Weltbild wohl ein wenig durcheinandergerüttelt haben…
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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