Das Coronavirus stellt den Profifußball vor bisher nicht gekannte Herausforderungen. Viele Fans und natürlich vor allem die Verantwortlichen sowie Spieler fragen sich in diesen Zeiten: Wie geht es weiter?
Fasst man die Äußerungen und Planspiele der Verantwortlichen in den großen europäischen Ligen zusammen, lässt sich schnell ein Muster erkennen: Die aktuelle Spielzeit muss zu Ende gespielt werden, koste es was es wolle. Die Frage nach dem Warum ist schnell geklärt – es geht um das liebe Geld.
Würden die Spielzeiten abgebrochen werden, entginge den Klubs ein Haufen davon. Denn dann fielen die lukrativen TV-Gelder weg. Längst bilden diese die Haupteinnahmequelle der Klubs aus den Eliteligen. Allerorts wird in Bezug auf dieses Szenario von Massenpleiten und dem Ende des Profifußballs fabuliert. Der Vize-Präsident des Deutschen Fußball Bundes Rainer Koch beispielsweise sähe in diesem Fall die „Existenzfähigkeit des gesamten Profifußballs“ gefährdet, wie der Kicker schreibt.
Es ist nicht gänzlich unwahrscheinlich, dass diese Thesen den Realitätscheck erfahren. Renommierte deutsche Virologen wie Christian Drosten von der Berliner Charite oder Jonas Schmidt-Chanasit vom Hamburger Bernhard-Nocht-Institut halten es sogar für sehr wahrscheinlich, dass es in den nächsten Monaten nicht einmal Geisterspiele, also Partien ohne Zuschauer geben kann. „Ich glaube, es ist nicht realistisch, dass die Saison zu Ende geführt werden kann“, fasste Schmidt-Chanasit die Lage im NDR zusammen.
Es wäre der Super-GAU für den Profifußball, der um jeden Preis verhindert werden soll. In einem Artikel des Spiegels spricht ein namentlich nicht genannter Branchenkenner der deutschen Bundesliga davon, dass „die 18 Mannschaften und zwei Kamerateams nach Simbabwe fliegen und die Saison dort unter Ausschluss der Öffentlichkeit in der Savanne zu Ende spielen.“
Dies mag zunächst absurd klingen. Schaut man sich das Konstrukt Profifußball jedoch etwas genauer an, lässt sich schnell erkennen: diese Zuspitzung enthält einen wahren Kern. Denn die Vereine haben sich in den Boom-Zeiten der jüngeren Vergangenheit auf auch in der Zukunft sprudelnde Einnahmen verlassen. Rücklagen konnten in den seltensten Fällen gebildet werden. Nun, da das Coronavirus den Business-Plan vom Glauben an den stetig wachsenden Profit mal so richtig über den Haufen geworfen hat, stehen viele Klubs vor einem möglichen Kollaps.
Um diesen zu verhindern, ist man in Zukunft wohl zunehmend auf die Solidarität der eigenen Mitarbeiter angewiesen. In diesem Fall also: der Spieler. Beim Bundesligaverein Borussia Mönchengladbach haben sich diese schon bereit erklärt, Abstriche bei den Bezügen zu machen. Damit sollen die Gehaltszahlungen an die anderen Angestellten des Vereins weiter gewährleistet werden.
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder ist in der vergangenen Woche in diesem Punkt vorgeprescht. Fußballspieler sollten während der Corona-Krise auf Teile ihrer Gehälter verzichten, um den eigenen Vereinen unter die Arme zu greifen. Die Politik könne bei der Subventionierung von gefährdeten Profivereinen nämlich nicht einspringen. „Ganz ehrlich: Es ist nicht die wichtigste und vordringlichste Aufgabe jetzt, dafür zu sorgen, dass die Profivereine wirtschaftlich überleben können.“
Die Aussagen Söders mögen populistisch sein, treffen aber einen empfindlichen Punkt der deutschen Profivereine. Denn diese bekommen in diesen Zeiten eben vor Augen geführt, dass sie ihre Bedeutung für das gesellschaftliche Leben wohl überschätzt haben. Der Spiegel drückt dies besonders treffend aus: „Während andere Branchen in der Krise das Mitgefühl der Bevölkerung spüren, können Fußballer derzeit keine Empathie erwarten. Die Vereinslenker hatten offenbar die Stimmung im Lande unterschätzt, den wirtschaftlichen Erfolg als breite Zustimmung der Bevölkerung missdeutet.“
Gerade zum Start der Corona-Krise haben viele Vertreter des Fußballs dabei vielleicht den letzten Kredit verspielt. Unvergessen bleiben die Aussagen von Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge, der die Ansetzung des 26. Spieltags vor zwei Wochen für wirtschaftlich notwendig hielt, während links und rechts fast alle großen Sportligen ihren Betrieb einstellten.
Auch in Italien, dem Land, welches in Europa zurzeit am heftigsten von Covid-19 betroffen ist, scheinen einige Granden der Serie A immer noch nicht kapiert zu haben, dass ihr Geschäft nicht außerhalb der Realität stattfindet. So soll der Eigner des SSC Neapel, Aurelio De Laurentis, bereits für diesen Mittwoch die Fortsetzung des Trainingsbetriebs angesetzt haben. Der Bürgermeister der Kommune, in der sich das Trainingszentrum des Vereins befindet, nannte dieses Vorhaben „eine absurde Entscheidung.“ Und weiter: „Wir haben offiziell 27000 Einwohner, mit unangemeldeten illegalen Einwanderern kommen wir auf über 40000 Menschen. Ein positiver Fall, und alles würde kollabieren – da steht der Fußball wahrlich ganz unten auf der Liste.“
Ob De Laurentis letztlich seinen Willen bekommen wird, ist eher unwahrscheinlich. In Italien sind bis 3. April Bewegungen außer Haus verboten, die nicht dem Systemerhalt dienen. Und Fußball gehört, auch wenn mancher es nicht wahrhaben will, eben nicht dazu. Das hält jedoch auch den FC Augsburg nicht davon ab, wieder mit dem Trainingsbetrieb zu starten. Zwar legen die Verantwortlichen Wert darauf zu betonen, dass man sich an die nötigen Sicherheitsbestimmungen halten würde – das Virus hat in den letzten Wochen aber bewiesen, eben schwer berechenbar zu sein. Von außen betrachtet wirkt der Trainingsstart des FCA zunächst jedenfalls fahrlässig. Was dabei scheinbar gerne einmal vergessen wird: Auch Fußballer können sich anstecken, auch Fußballer haben Familien zuhause, auch Fußballer tragen das Virus weiter.
Aber the show must eben go on. Zumindest muss man ja vorbereitet sein, falls es bald wieder losgeht. Davon auszugehen, dass in naher Zukunft wieder gespielt werden kann, könnte sich wie gesagt jedoch als Trugschluss herausstellen. Dennoch werden in den Ligen natürlich mögliche Szenarien entworfen, die Saison zu Ende zu spielen. Die Absage der Europameisterschaft in diesem Sommer hat für etwas Luft im (viel zu) engen Terminplan gesorgt.
In der Premier League, wo für die 20 Klubs ca. 400 Millionen Euro auf dem Spiel stehen, wird überlegt, die Saison an neutralen Spielorten zu beenden. Ohne Fans versteht sich. Dabei könnten an einem Tag bis zu drei Partien stattfinden. Spaniens Verbandspräsident Luis Rubiales zeigte sich indes optimistisch, dass die Liga auf dem Platz entschieden werden kann. „Unsere Wettbewerbe sollen am 30. Juni abgeschlossen sein.“ Jedoch fügt Rubiales hinzu, dieser Termin stelle keine unüberwindliche Mauer da.
Was sich noch als schwierig gestalten könnte, ist die vertragliche Situation vieler Spieler, denn mit 30. Juni laufen viele Verträge aus. Hier müsste es neue Regelungen geben, falls die Saison noch tief in den Sommer reichen sollte. Und bei allen großartigen Plänen die gerade geschmiedet werden: Es bräuchte nur einen weiteren Corona-Fall innerhalb eines Teams, um alles erneut ins Chaos zu stürzen.
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