Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln,... Briefe an die Fußballwelt (59) – Lieber Cristiano Ronaldo!

Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln, Schnäuzen und Nachdenken an Fußballprotagonisten aus allen Ligen. Diesen Sonntag schicken wir unseren Brief an einen der Fußball‑Superstars der Neuzeit…

Lieber Cristiano Ronaldo!

Ja, jetzt hast du ihn geschlagen! Das Forbes-Ranking ist raus und du wurdest als aktuell bestverdienender Fußballer ermittelt: 94,5 Millionen Euro bekommst du im Jahr. Mehr als dein großer Rivale Lionel Messi, der „nur“ 93,6 verdient. Und weißt du was? Ich gönne dir jeden Cent. Das ist für mein Seelenheil auch besser so. Denn ich gehöre schließlich zu den Menschen, die dir dieses Geld über Umwege aufs Sparkonto einzahlen. Diese Zeilen tragen beispielsweise dazu bei, dass du nicht mit Fischen auf Madeira dein Auskommen finanzieren musst, sondern, dass du als mehrfacher Ballon d’Or-Gewinner, CL-Champion, Meister mehrerer europäischer Topligen und Sieger der EM 2016 einen Lebensstil praktizierst, der mehr als spektakulär ist.

Lieber Cristiano, ok, ich gebe zu: Deine Erfolge, die hast du schon durch harte Arbeit, Fokus und Disziplin selbst erreicht, aber sie alleine haben nicht zu deinem Reichtum und zu deiner Popularität geführt. Es gibt Menschen, denen auch das Prädikat „Weltklasse“ anhaftet, aber die gerade so viel wie ein Lehrer verdienen. Das meine ich nicht aus moralischer Sicht, sondern bezogen auf die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse dieser Welt: Natürlich verrichten Krankenschwestern, Putzpersonal oder Müllmänner gesellschaftlich höchst achtenswerte Tätigkeiten, allerdings spreche ich hier von Wissenschaftlern oder Sportlern in Randsportarten, die einfach nicht die Kaufkraft des Kickens haben und die daher unterm Radar laufen. Fußball dagegen ist schon lange kein Sport mehr, sondern ein Wirtschaftsfaktor, eine Maschinerie, in der einige Leute sehr viel Geld verdienen.

Ich habe das Gejammer über die hohen Gehälter von Profis nie richtig verstanden, weil ich der Meinung war, dass die Fußballkonsumenten es selbst in der Hand hätten dies zu ändern. Durch unsre Aufmerksamkeit geben wir dem Kicken einen Stellenwert, der Fußballer zu Humankapital und das Spiel zur puren Werbeshow verkommen lässt. So habe ich immer argumentiert. Doch jetzt sind die Zeiten anders geworden. Es gibt Menschen – in Österreich, in Portugal, in Italien; kurz: weltweit ‑, die sich in naher Zukunft wahrscheinlich gut überlegen müssen, ob sie ihre sauerverdienten Groschen in ein brandneues Juve-Trikot oder die Eintrittskarten zum „El Clásico“ investieren können. Langfristig könnte so auch der Fußball leiden und damit letztendlich auch das Fixum der Sportler. Vielleicht wird er dann aber auch anders, der Fußball. Daran glaube ich noch immer und irgendwie glaube ich auch daran, dass du für deutlich weniger Geld noch einige Zeit lang der grandiose Kicker bleibst, der du jetzt bist.

Es grüßt dich

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag