Am vergangenen Sonntag stieg in der italienischen Serie A das Duell zwischen Juventus und Inter Mailand. Dabei setzte sich der Tabellenführer aus Turin mit... Formation vs. System: Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Juve und Inter

TaktikAm vergangenen Sonntag stieg in der italienischen Serie A das Duell zwischen Juventus und Inter Mailand. Dabei setzte sich der Tabellenführer aus Turin mit 3:1 durch und baute seinen Vorsprung vorübergehend aus. Dieser Artikel soll weniger eine Analyse des Spiels selbst darstellen, sondern dieses als Fallbeispiel für eine weitverbreitete falsche Definition dienen.

In einem früheren Artikel wurden bereits die Unterschiede und die Bedeutung der Begriffe „Formation“ und „System“ geklärt. Ersteres bezeichnet eine bestimmte Anordnung, Letzteres die Umsetzung dieser Anordnung. Besonders in diesem Spiel waren diese Unterschiede sehr markant und äußerten sich in vielerlei Hinsicht. Bevor wir diese Unterschiede herausarbeiten, wollen wir aber noch einen kurzen Blick auf die Gemeinsamkeiten werfen.

Gemeinsamkeiten auf den Seiten und Halbpostionen

Sowohl Juventus als auch Inter begannen in der in Italien weit verbreiteten 3-5-2-Grundformation. Dabei setzen sowohl Antonio Conte als auch Walter Mazzarri auf den Außenbahnen auf offensiv starke Flügelverteidiger. Bei Inter waren dies links Yuto Nagatomo und rechts Jonathan, die im Schnitt pro 90 Minuten siebenmal flanken. In diesem Spiel waren es weniger, da sie von den Juve-Außenspielern zurückgedrängt wurden. Stephan Lichtsteiner gelang dabei sogar ein Tor.

Auf den Halbpositionen begannen ebenfalls durchwegs ähnliche Spielertypen, wenngleich die Juve-Achter, Arturo Vidal und Paul Pogba, besser eingestuft werden als ihre Mailänder Pendants, Saphir Taider und Zdravko Kuzmanovic. Vom Spielstil her nehmen sich diese vier jedoch wenig. Sie haben im Allgemeinen große Aktionsradien, können sowohl in der Breite als auch in die Tiefe agieren, verfügen über Qualitäten im körperlichen und technischen Bereich. Einzig hinsichtlich der Torgefahr hebt sich Juve-Duo ab.

Aktive vs. passive Dreierkette

Die erste Diskrepanz finden wir, wenn wir uns die Dreierketten der beiden Teams ansehen. Bei Juve bildeten diese Giorgio Chiellini, Leonardo Bonucci und Andrea Barzagli. Mazzarri vertraute Hugo Juan Jesus, Rolando und Campagnaro. Auf die Spielweise von Letzteren sind wir schon im Zuge seines Wechsels im Sommer eingegangen. Der Argentinier ist der perfekte Spieler für die äußere Innenverteidigerposition in einer Dreierkette. Er drängt im Allgemeinen nach vorne und ist defensiv gleichzeitig robust. Ähnlich ist es bei Juan Jesus.

Juves Verteidigung ist hingegen nominell defensiver ausgerichtet und die Spieler können problemlos auch im Abwehrzentrum einer Viererkette auflaufen. Dass dies aber nicht zwingend bedeutet, dass ihre Mannschaft auch tiefer spielt, zeigte das Duell der beiden Teams. Juve dominierte den Ballbesitz, wollte nach Ballverlusten umgehend ins Gegenpressing gehen und möglichst hoch sich das Spielgerät zurückholen. Inter hingegen zog sich schnell zurück, agierte passiver und ohne Zugriff auf den Ball.

Kombinationssturm vs. Kontersturm

Das hatte durchaus auch mit den Besetzungen des Sturmduos zu tun. Bei Juve bildeten es Fernando Llorente und Carlos Tevez, die beide im Sommer geholt wurden und sich in ihren Spielweisen gut ergänzen und perfekt zu Juves Ballbesitzfußball passen. Der dynamische Argentinier bewegt sich um den statischen spanischen Wandspieler herum, ist ein Abnehmer für dessen Kopfball- und Kurzpassablagen. Um diesen Mechanismus zu unterbrechen positionierten sich die Inter-Verteidiger entsprechend eng an den beiden.

Aufseiten der Mailänder fand man einen solchen Spielertypen nicht. Ihren Topscorer, den Argentinier Rodrigo Palacio, würde man landläufig als „Wusler“ bezeichnen. Er ist äußerst wendig, weicht für Zuspiele auf die Seiten aus, um die gegnerischen Innenverteidiger auseinanderzuziehen und dann mit Tempo die Schnittstellen zu attackieren. Hängend hinter ihm spielte mit Ricky Alvarez eher ein Spielmacher, der seine Stärken insbesondere im Dribbling hat. Dementsprechend konnte die Juve-Verteidiger höher aufrücken.

Passer vs. Dribbler im Zentrum

Für die kreativen Elemente bei der alten Dame ist seit zweieinhalb Jahren Andrea Pirlo zuständig. Der 34-jährige Italiener ist das Paradebeispiel für einen tiefen Spielmacher, in Italien Regista genannt. Mit raumgreifenden Pässen ordnet er das Spiel seiner Mannschaft. Dementsprechend wenig Platz sollte man ihm lassen, was einige Teams dazu veranlasste ihn in Manndeckung zu nehmen – nicht so Inter in diesem Spiel. Die Nerazzurri hatten daher keinen Zugriff und so war der bärtige Routinier einmal mehr der Spieler mit den meisten Ballkontakten.

Die zentrale Position im Mittelfeld bei Inter bekleidet in aller Regel mit Esteban Cambiasso ein Spieler, der mit seinen Defensivqualitäten das Gefüge seines Teams zusammenhalten soll, sich offensiv aber nur auf das Nötigste beschränkt. Da er in diesem Spiel verletzungsbedingt ausfiel wurde er von Mateo Kovacic ersetzt, einem komplett anderen Spielertyp. Der Kroate ist ein außergewöhnlich starker Dribbler mit großer Pressingresistenz. Er steht damit am anderen Ende des Spielaufbauspektrums als Pirlo.

Alexander Semeliker, abseits.at

Alexander Semeliker

@axlsem

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