Italienische Trainer – ein Exportschlager der Sonderklasse
Italien 28.Dezember.2011 Sebastian Köberl 2
Manipulationsskandale, korrupte Spieler, leere Stadien, politisches Chaos. Unsere Nachbarn erhalten in den europäischen Medien eine Tracht Prügel nach der anderen. Erfolgsgeschichten werden chronisch unterbewertet. Warum?
Finanzkrise, Schuldenkrise, Eurokrise oder einfach nur Wirtschaftskrise. Egal wie man sie nennt. Fest steht, alle europäischen Volkswirtschaften haben mit den gegenwärtigen Entwicklungen schwer zu kämpfen. Vor allem eine der weltweit wichtigsten Industrienationen bereitet den Ökonomen besonderes Kopfzerbrechen. Das „Sorgenkind“ Italien. Seien es nun Zitrusfrüchte, Autos, Bekleidung oder Käse, fast alle traditionellen Exportprodukte sind von der Krise betroffen… bis auf eines: Trainer.
„Made in Italy“
Vergangene Woche fragte ich zwei Fußballfreunde, welche englischen Trainer sie eigentlich kennen. Der eine musste passen, dem anderen kam nach langem Überlegen ein schüchternes „Steve McClaren“ von den Lippen. Das ist der McClaren, der ein Jahr die englische Nationalmannschaft trainierte und kurz danach das Zepter bei Twente Enschede und dem VfL Wolfsburg schwang. Wenig später kämpfte er mit Nottingham Forest in der zweiten englischen Liga gegen den Abstieg. Schlechte Resultate zwangen ihn jedoch zum Rücktritt. Die Premier League mag die stärkste Liga Europas sein, doch englische Trainer von internationalem Format sind – gelinde gesagt – Mangelware. Ein völlig anderes Bild ergibt sich bei Trainern der Marke „Made in Italy“. Die Herrschaften von der Apenninenhalbinsel sind momentan eine äußerst heiße und begehrte Aktie auf dem internationalen Markt. Als fachkundig und charismatisch beschrieben, folgen immer mehr von ihnen dem Ruf europäischer Spitzenmannschaften.
Große Namen
Die bekanntesten und erfolgreichsten Italo-Exporte reisten in den vergangenen Jahren quer durch Europa und bewohnen die besten Adressen. Der relativ junge Roberto Mancini steht beim englischen Tabellenführer und Ligakrösus Manchester City unter Vertrag. Luciano Spalletti trainiert den amtierenden russischen Meister und CL-Achtelfinalisten Zenit St. Petersburg. Fabio Capello wechselte 2007 von Real Madrid zum englischen Nationalteam. Carlo Ancelotti war bis vor einigen Monaten beim FC Chelsea und wird aller Voraussicht nach einen Vertrag bei Paris Saint German unterschreiben. Claudio Ranieri coacht derzeit Inter Mailand. Auf seiner Visitenkarte sind jedoch auch internationale Großklubs wie Valencia oder Chelsea zu finden. Und nicht zuletzt der „Signore“ der Trainerzunft, Giovanni Trapattoni. Seines Zeichens irischer Teamchef und EURO-2012-Teilnehmer. Namen, die sich wie ein delikates 4-Gänge-Menü lesen. Trophäen, die ein ganzes Museum füllen. Darunter nationale Meisterschaften in Deutschland, Italien, England, Spanien, Portugal, Österreich und Russland sowie Champions League, UEFA Pokal, Klubweltmeisterschaft und vieles mehr…
Taktischer Scharfsinn
Abgesehen von Spalletti waren allesamt auch gute und erfolgreiche Spieler während ihrer aktiven Zeit. Die taktische Ausbildung in Italien gehört mit zu den besten der Welt. Anstatt die Spieler auf stundenlange Waldläufe zu schicken oder in der Kraftkammer einzusperren, legt man zwischen Alpen und Mittelmeer den Schwerpunkt auf kompaktes Verteidigen, diszipliniertes Verschieben, geübtes Stellungsspiel sowie einstudiertes Umschalten zwischen Angriff und Abwehr. Angesichts dieser Taktikbesessenheit wundert es kaum, dass in dem ein oder anderen versierten italienischen Profifußballer auch ein potentieller Erfolgstrainer steckt. Doch der Weg dorthin ist steinig und kein Selbstläufer. Der gebürtige Sarde und jahrelange England-Legionär Gianfranco Zola ist ein Beispiel dafür. Nach seiner aktiven Karriere wurde er zum Betreuer der italienischen U21-Mannschaft bestellt, danach coachte er West Ham United. Obwohl er stets die Liga halten konnte, entließ ihn die Vereinsführung nach knapp zwei Jahren wieder. Schicksale, die jedem Trainer widerfahren. Die einen kommen danach selbstbewusster zurück als zuvor, die anderen geraten in Vergessenheit.
„Il Mister“, wie der Trainer im Italienischen landläufig genannt wird, hat sich in den vergangenen Jahren als äußerst krisenfest bewiesen. Er zählt zu den zahlreichen Erfolgsgeschichten, die der italienische Fußball zwar immer wieder hervorbringt aber wenig Anerkennung in der medialen Berichterstattung erfährt. Bei den erfahrenen Herren Trapattoni, Ancelotti, Capello und Co. verhält es sich wie bei einem weiteren klassischen Traditionsprodukt, dem Wein. Je reifer, desto besser. Italienische Trainer sind mittlerweile zum Exportschlager #1 avanciert und geben auf den Bänken großer europäischer Klubs den Ton an. Italiens Wirtschaft ist Ähnliches zu wünschen.
Sebastian Köberl, abseits.at
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Sebastian Köberl
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