Antonio Conte sorgte letzte Saison für einen beeindruckenden Punkterekord in der Serie A. Es war die dritte Meisterschaft in Folge für Juventus, 2011/12 gingen... Juventus auch nach Trainerwechsel und Systemumstellung erfolgreich

Juventus Turin - Logo, WappenAntonio Conte sorgte letzte Saison für einen beeindruckenden Punkterekord in der Serie A. Es war die dritte Meisterschaft in Folge für Juventus, 2011/12 gingen sie sogar ungeschlagen durch die Saison – obgleich mit 15 Unentschieden bei insgesamt 84 Punkten. In der Folgesaison holten sie trotz fünf Niederlagen drei Punkte mehr und in der letzten Saison beim dritten Titel waren es sogar unglaubliche 102 Punkte in 38 Partien.

Zu Beginn seiner Amtszeit wollte Conte übrigens ein 4-3-3 und ein 4-2-4 bei Juventus implementieren, doch entschied sich bald für ein 3-1-4-2, in welchem Pirlo die Fäden vor der Abwehr zog und die Bälle verteilte. Mit Marchisio und Vidal vor sich, wechselnden Stürmerpaaren, einer enorm stabilen Dreierabwehr und breitegebenden Flügelverteidigern wurden reihenweise die Gegner in der Serie A dominiert.

Dieses überaus durchschlagskräftige und gleichzeitig stabile System hatte international bisweilen Probleme, insgesamt galt es für viele aber als der Hauptfaktor für die enormen nationalen Erfolge der alten Dame. Viele prophezeiten Conte und Juventus noch weitere erfolgreiche Jahre und ungebrochene Dominanz. Diese Prognose widerriefen allerdings viele, als am 15. Juli Juventus und Conte sich überraschend voneinander trennten. Angeblich habe die Vereinsführung bestimmte Transferwünsche Contes nicht beherzigt, welcher wiederum ein Angebot der Nationalmannschaft vorliegen hatte.

Zum Schock vieler Fans wurde Massimo Allegri, der unter anderem ehemaliger Trainer des AC Mailand war, als Nachfolger präsentiert. Und zum Schock vieler Experten macht dieser seine Aufgabe bislang überaus gut, trotz eines kritisierten Systemwechsels.

Raute und neue Rollenverteilungen

Die Gründe für den Systemwechsel dürfte die enorme Fülle an hochklassigen Optionen für das zentrale Mittelfeld gewesen sein. Vor zwei Jahren gab es Pirlo, Marchisio, Vidal als Optionen internationaler Klasse für das Mittelfeldtrio. In diesen zwei Saisonen hat sich allerdings Pogba als ein weiterer Spieler von Weltformat für das zentrale Mittelfeld etabliert. Dazu gesellen sich mit Pereyra, Romulo und Asamoah (der auch als linker Flügelverteidiger spielen kann) weitere Optionen. Deswegen ist die Raute wohl jene Formation, in welcher man die meiste individuelle Klasse einbauen kann.

Außerdem passt die veränderte Spielweise auch zu den Veränderungen in der Innenverteidigung. Andrea Barzagli ist gealtert, Ogbonna, Caceres und Marrone hingegen sind nicht auf dem Niveau der zentralen Mittelfeldspieler anzusiedeln. Das ist allerdings kein Problem: Chiellini und Bonucci sind auch gute Optionen als Innenverteidiger, können in einer Viererkette agieren, verfügen über ein stabiles Aufbauspiel und sind defensiv ebenfalls enorm stark. Gleichzeitig hat man mit Evra nun einen neuen Außenverteidiger, der die laufintensive Rolle der Flügelverteidiger nicht mehr durchgehend mitgehen kann. Der einzige, der dies kann, nämlich Asamoah, ist aktuell verletzt.

Das ist allerdings kaum ein Problem. Der zurückfallende Pirlo sichert die Räume vor der Abwehr, zusätzlich bleibt fast immer einer der beiden Achter tiefer und unterstützt mit Pirlo die beiden Innenverteidiger, sowie meist den ballfernen Außenverteidiger beim Absichern der eigenen Angriffe. Dadurch ist Juventus auch im defensiven Umschaltmoment nach wie vor stabil, kann flexibel gegenpressen, ist aber auch bei Überspielen des Gegenpressings noch sicher und erhält wenige Gegentore.

Die größten Vorteile liegen aber in der Offensive.

Bewegliche Stürmer und Variabilität im Mittelfeld

Das Aufbauspiel ist nun noch flexibler und variabler geworden. Mit Tevez als extrem beweglichen und variabel zurückfallendem oder ausweichendem Stürmer hat man einen enorm kombinations- und dribbelstarken Akteur in der Spitze, welcher offene Räume außerordentlich gut besetzt und sich als Anspielstation für Ablagen auf die nachstoßenden Mittelfeldspieler anbietet. Durch Marchisio, Pogba und Vidal hat man gleich drei Akteure, welche man auch als „box-to-box“-Mittelfeldspieler einsetzen kann und die somit davon profitieren.

Allerdings können alle drei auch als spielgestaltende tiefere Akteure agieren, insbesondere Vidal und Pogba sind mit ihren technischen Fähigkeiten und ihrer Wendigkeit wie gemacht dafür, sich Bälle von hinten abzuholen, das Spiel aufzubauen und auch per Dribbling Überzahlen zu erzeugen. Teilweise kann dann der Zehner horizontaler spielen und die Achter agieren sehr vertikal oder vice versa. Auch asymmetrische Formationen sind möglich und ein Geheimnis, wieso Juventus die Systemumstellung und der Trainerwechsel so erfolgreich in der Liga gelangen.

Dazu kommt mit Pereyra eine sehr gute Option für die Rotation, welche nicht nur mehr Frische bringt, sondern auch anstatt Marchisio eine extrem interessante taktische Option ermöglicht. Pereyra als Zehner kann den Spielaufbau übernehmen, den Ball technisch hochwertig zirkulieren lassen und sich mit Dribblings durchsetzen. Im Verbund mit Pogba und Vidal als Achter auf den Halbpositionen der Raute hat Juventus dadurch maximale Spielstärke und Kreativität in ihrer Elf. Llorente als Zielspieler für lange Bälle und Morata als ausweichender und dynamischerer Mittelstürmer sind zusätzliche interessante Optionen, welche die Position neben Tevez bekleiden können.

Wichtig ist aber, wie das alles defensiv umgesetzt werden kann. Mit Marchisio ist man hier bereits eingespielt.

Pressing im 4-3-3 und im 4-3-1-2 möglich

In einzelnen Spielen probierte Juventus ein 4-3-3-Pressing. Dann schob meistens der Zehner nach vorne und besetzte mit den drei Stürmern die vorderste Reihe. National ist dies ungemein effektiv; man stellt damit flexibel die drei Innenverteidiger der vielen gegnerischen 3-5-2-Formationen zu, die Außenverteidiger können die gegnerischen Flügelverteidiger übernehmen und zentral hat man mit drei Mittelfeldspielern häufig numerische Überlegenheit.

Vereinzelt bleibt es beim 4-3-1-2, wo der zentrale Innenverteidiger offengelassen wird, was überaus interessant ist. Er hat keine offenen Anspielstationen, muss lange Bälle auf den Flügel oder nach vorne spielen, das zentrale Mittelfeld ist komplett zugesperrt und Juventus hat eine Überlegenheit in dieser strategisch sehr wichtigen Zone.

Aus diesem 4-3-1-2 entsteht häufig eine breitere Formation, wie zum Beispiel ein 4-1-3-0-2 oder gar 4-4-2-ähnliche Gebilde. Hierbei steht der Zehner noch viel tiefer und unterstützt den Sechser, indem er die Räume zwischen diesem und den Achtern füllt. Die Achter wiederum können dadurch breiter agieren und die Außenverteidiger unterstützen, welche zusätzlich etwas tiefer und enger an den Innenverteidigern agieren können.

Diese Mischung ermöglicht Juventus enorme Stabilität und simple, aber effiziente Gegneranpassungen. Besonders wegen des Unterschieds zwischen der Serie A (langsamer, zentrumsfokussierter Aufbau mit drei Innenverteidigern) und dem europäischen Fußball (viele sehr schnelle und flügelorientierte Angriffe und Viererketten) könnte sich dies langfristig als nützlich erweisen. Das Experiment Allegri ist somit bislang ein Erfolg und die Zukunft sieht interessant aus.

René Maric, wwww.abseits.at

Rene Maric

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