Vor dem achten Spieltag der italienischen Serie A führt der SSC Neapel die Tabelle mit zwei Punkten Vorsprung an. Können die Süditaliener das Niveau halten und der alten Dame den siebten Titel in Folge wirklich streitig machen?
Am kommenden Wochenende misst sich die Elite der Serie A untereinander. Die aktuelle Top fünf der Liga, plus der AC Milan, treffen dabei jeweils aufeinander. Tabellenführer Neapel muss dabei nach Rom, zur AS reisen; Juventus empfängt zu Hause Lazio; und in Mailand findet das „chinesische“ Stadtderby statt.
Mit Spannung erwartet wird dabei vor allem das Spiel des aktuellen Klassenprimus aus Neapel bei der Roma. Bislang konnte der SSC alle Spiele in beeindruckender Manier gewinnen: pro Partie erzielt das Team von Maurizio Sarri im Schnitt mehr als drei Tore. Die Offensivstärke war dank Neapels „fantastischer Vier“ – Marek Hamsik, Lorenzo Insigne, Jose Callejon und Dries Mertens – ja bereits bekannt. In dieser Saison ist aber zudem eine zuvor nicht da gewesene Stabilität in das Spiel der Mannschaft aus Kampanien eingekehrt. Nicht nur, dass Spiele nicht mehr in schöner Regelmäßigkeit durch defensive Leichtsinnsfehler aus der Hand gegeben werden; sondern es gelang bis dato auch, Rückschläge wie Rückstände oder Ausgleichstreffer wegzustecken. Ein typisches Charakteristikum einer Spitzenmannschaft.
Überragend ist zudem weiterhin das Ballbesitz- und Positionsspiel der Neapolitaner. Belegt wird dies durch diverse Statistiken: Sowohl in Sachen Ballbesitz, Torschüsse und Passgenauigkeit führt man die Serie A an. Im Vergleich der vier großen Ligen aus England, Spanien, Italien und Deutschland, ist Neapel derzeit die Mannschaft mit der höchsten Präzision im Passspiel. Unter den zehn passgenausten Spielern mit mindestens vier Einsätzen, finden sich gleich fünf Spieler von Neapel wieder. Sie verstehen es zudem wie kaum ein anderes Team in Italien, das Spiel in die gegnerische Hälfte zu verlegen und dort den Ball festzumachen. Dabei profitiert man natürlich von der erstaunlichen Fluidität ihre Sturmtrios Insigne, Callejon und Mertens. Vor allem der kleine Belgier macht genau da weiter, wo er letzte Saison aufgehört hat: Tore, Tore und nochmals Tore. Momentan steht er bei sieben Saisontreffer. Bester Assistgeber Neapels ist Lorenzo Insigne, der seinen Mitspielern schon vier Treffer auflegte. Der gebürtige Neapolitaner verleiht der Mannschaft, bei aller taktischen Disziplin, ein gewisses anarchisches Element, wobei er extrem uneigennützig und effektiver als in den Jahren zuvor agiert; den auch in Sachen Torschussvorlagen führt Insigne die Liga souverän an.
Auf Platz zwei in dieser Statistik liegt übrigens Neapels Außenverteidiger Faouzi Ghoulam, der zudem bereits drei direkte Torvorlagen lieferte. Ein weiterer Beweis, wie qualitativ hochwertig das Passspiel der Mannschaft ist. Gemeinsam mit Elseid Hysaj, bildet der Algerier das vielleicht aktuell beste defensive Außenpaar Italiens. Besonders stark ist außerdem das zentrale Mittelfeld, bestehend aus Piotr Zielinski, Jorghino und Kapitän Marek Hamsik (dem Slowaken fehlt nur noch ein Tor, um Diego Maradona einzuholen, und somit gemeinsam mit dem Argentinier bester SSC-Torschütze aller Zeiten zu werden). Alle drei können dabei eine Passquote von über 90 Prozent vorweisen. Mit Allan, Marko Rog und Amadou Diawara verfügt man obendrein über mehr als passable Alternativen.
Etwas dünn ist die Personaldecke jedoch im Angriff. Ein Ausfall einer der drei Starstürmer wäre wohl auf lange Sicht nicht zu kompensieren. Vor allem da Arkadiusz Milik mit einem erneuten Kreuzbandriss für unbestimmte Zeit nicht zur Verfügung stehen wird. Probleme könnte auch die Besetzung der Innenverteidigung machen. Kalidou Koulibaly spielt zwar eine überragende Saison, seine potenziellen Partner – Nikola Maksimovic, Raul Albiol und Vlad Chiriches – fallen in Sachen Qualität ihm gegenüber jedoch ab. Auch Pepe Reina ist im besten Falle ein solider, aber bei Leibe kein Top-Torhüter.
Restzweifel bestehen überdies daran, ob Neapel das bislang gezeigte Niveau bis zum Ende der Saison halten kann. Die Mannschaft wirkt zwar – wie erwähnt – im Vergleich zu den letzten Jahren deutlich stabiler, aber wir sprechen mit Neapel immer noch über eine launische Diva, die einen souveränen Vorsprung in der Tabelle, dank einer unerklärlichen Niederlagenserie, auch gerne einmal verspielt. Die sehr abergläubischen Einwohner der Millionen-Stadt, dürften sich daher schon in Alarmbereitschaft befinden.
Die Begegnung mit der Roma am kommenden Samstag, könnte dabei zur ersten echten Standortbestimmung für Neapel werden. Das Programm zum Saisonstart brachte nämlich vorwiegend Spiele gegen Teams, die nicht unbedingt zur Güteklasse A in Italien gehören, wie generell der Qualitätsunterschied zwischen den sechs, sieben Spitzenteams und dem Rest der Liga enorm ist. Nach diesem Spieltag, und dem darauffolgenden Duell mit Inter, ist dann wohl eine erste seriöse Prognose über die Meisterschaftsaussichten Neapels möglich.
Ral, abseits.at
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