So schlagen sich die Aufsteiger in Europas Top-Ligen (Teil 4): Italien
Italien 16.März.2012 Alexander Semeliker 0
Im letzten Teil der Aufsteiger-Serie beleuchtet abseits.at die italienische Serie A, wo die drei „Neuen“ – Atalanta Bergamo, AC Siena und Novara Calcio – allesamt in der unteren Tabellenhälfte rangieren. Das Aufstiegssystem: Die beiden Erstplatzierten der Serie B steigen direkt auf, die vier Mannschaften dahinter ermitteln in zwei Playoff-Runden den dritten Aufsteiger.
Atalanta BC
Zusammen mit ÖFB-Legionär Gyuri Garics stieg Atalanta in der Saison 2009/2010 als 18. in die Serie B ab. Der Teamverteidiger verließ darauf die Bergamasken und heuerte bei Bologna an, wodurch er den sofortigen Wiederaufstieg seines Ex-Klubs verpasste. Mit 79 Punkten kehrte Atalanta als Meister des Serie B nach einjähriger Pause ins italienische Oberhaus zurück. Doch der Aufstieg wurde von heftigen und negativen Nebengeräuschen begleitet. Aufgrund eines Wett- und Manipulationsskandal stand der lombardische Verein zusammen mit 17 weiteren italienischen Klubs im Visier von Stefano Palazzi , dem Chefankläger des Fußballverbands FIGC. Neben dem ehemaligen Nationalspieler Giuseppe Signori, der als Drahtzieher des Skandals zählt, stand vor allem Atalanta-Kapitän Cristiano Doni im Zentrum der Ermittlungen. Über den 38-Jährige wurde zunächst ein dreijähriges Berufsverbot verhängt, ehe er am 19. Dezember letzen Jahres festgenommen wurde und, nachdem er zuvor die gegen ihn erhobenen Vorwürfe stets bestritt, mit einem Eingeständnis für einen Wendepunkt gesorgt. „Ich war dumm“, sagte Doni nachdem er zugab zwei Spiele seiner Mannschaft manipuliert zu haben.
Mit minus sechs Punkten mussten die Kollegen des siebenfachen Nationalspielers die Punktejagd in der Serie A starten. Doch unbeirrt von dieser Tatsache startete Atalanta recht stark in die laufende Spielzeit. Nur zwei der ersten zehn Spiele verlor die Truppe von Coach Stefano Colantuono und fand sich so im oberen Mittelfeld der Tabelle und in Schlagdistanz zu den Europacupplätzen wieder. Die gute Form konnte man aber in der Folge nicht halten. Nur einen weiteren Sieg – 4:1 gegen Abstiegskandidat Cesena – konnte Atalanta bis zur Saisonhalbzeit feiern und rutschte so auf Platz 16 ab. Die Formkurve des Vereins verläuft nahezu deckungsgleich zu jener von seinem Stürmer Germán Denis. Furiose zehn Tore erzielte der Argentinier in den ersten zwölf Saisonspielen, danach hatte der Torjäger jedoch Ladehemmung, ehe er die AS Roma mit drei Treffern beim 4:1-Erfolg praktisch im Alleingang abschoss.
AC Siena
Ein 2:2-Unentschieden am 39. Spieltag gegen Torino war Schuld daran, dass der AC Siena nicht Meister der letztjährigen Serie B wurde, sondern zwei Zähler hinter Atalanta nur den zweiten Platz belegte. Die 77 Punkte, die die Toskaner unter ihrem Antonio Conte in 42 Spielen holten, blieben aber trotz fehlendem Titel nicht unbemerkt, denn niemand geringerer als Rekordmeister Juventus warb den 42-Jährigen ab, um mit ihm nach einer enttäuschenden Saison um den Scudetto mitzuspielen. Als Nachfolger präsentierte Siena Giuseppe Sannino, der in seiner aktiven Karriere lediglich in unteren Ligen kickte. Als Trainer führte der 54-Jährige führte den AS Varese von den Niederungen der Serie C2, der vierten Liga, bis ins Aufstiegsplayoff um die Serie A. Wie schon bei Varese forciert Sannino auch in Siena das ergebnisorientierte Spiel und setzt auf bedingungslosen Einsatz seines Teams. Mithilfe von Sportdirektor Giorgio Perinetti hat er das bisher recht gut umgesetzt und die Arbeit von Conte sogar noch weiter verfeinert. Zwar bestreitet man die Spiele
weiter in erster Linie in einem 4-4-2-System, zeigt allerdings auch etwas Flexibilität in Form von Umstellungen zu einem 4-1-4-1 oder auch 3-5-2.
Für die spielerischen Elemente sorgen vor allem Gaetano D’Agostino und Juniorennationalspieler Mattia Destro, vielmehr als die individuellen Stärken kommt bei den Schwarz-Weißen allerdings der Team-Gedanke zum Ausdruck. Die Viererkette ist mit Roberto Vitiello, Luca Rossettini, Claudio Terzi und Cristiano Del Grosso zwar nicht prominent besetzt, lässt aber im Schnitt nur 12,3 Schüsse aufs eigene Tor zu, was dazu führt, dass Siena bisher lediglich 28 Gegentreffer kassierte – nur Juve, Milan und Udinese mussten den Ball seltener aus dem eigenen Netz holen. Der defensive Spielstil lässt sich noch mit weiteren statistischen Werten untermauern: 24,6 Tackles und 21,5 Interceptions pro Spiel bedeuten ligaweit jeweils den dritthöchsten Wert. Die Kehrseite ist klar: Kaum ein Team schießt pro Spiel seltener aufs Tor (10,5) und hat im Schnitt weniger Ballkontakte (44,5%). Unterm Strich fruchtet das Konzept von Sannino. Obwohl Siena bloß 27 Tore in ebenso vielen Spielen erzielen konnte, rangiert der Klub auf Platz 15, sieben Punkte vor dem ersten Abstiegsplatz.
Novara Calcio
Vielen sind die Wörter Novara Calcio genauso unbekannt wie ägyptische Hieroglyphen. Kein Wunder, reicht die erstligalose Zeit der Piemontesen ähnlich lange zurück. In den späten Vierzigern und frühen Fünfzigern zählte Novara mit sieben Saisonen am Stück zum Stamm der Serie A. Als man 1956 zunächst den Gang in die Zweitklassigkeit antreten musste und 1977 sogar in die Serie C abstieg, war der Klub weg von der Fußballkarte im Land des dreifachen Weltmeisters. 33 Jahre musste sich Novara in den Niederungen des italienischen Fußballs herum kämpfen und rutschte 1990 sogar in die Serie D ab, ehe 2010 die Rückkehr in die Serie B folgte. Die Wende in der Geschichte der Biancoazzurri stellte die Übernahme des Klubs durch die De Salvo Familie dar. Der Einstieg der Eigentümer eines Netzwerks von privaten Krankenhäusern schien der Start eines zunächst unaufhaltsam scheinenden Aufstiegs zu sein. Mit dem Novarello, einem topmodernen Sportzentrum mit sechs Fußballplätzen, Hotels und Restaurants im Rücken, sowie der führenden Hände von Trainer Attilio Tesser und Sportdirektor Pasquale Sensibile gelang Novara innerhalb von zwei Jahren der Durchmarsch von der Lega Pro Prima Divisione, der dritten Liga, in die Serie A.
Mit dem sensationellen Aufstieg, der mit dem Erfolg im Playoff-Finale über Padova fixiert wurde, kamen auch die ersten Zerreißproben. Stürmerstar Pablo González wechselte für fünf Millionen Euro zu Palermo, von wo aus er zu Siena ausgeliehen wurde. Vielmehr schmerzte aber der Verlust von Sensibile, der seit Sommer die sportlichen Geschicke bei Sampdoria leitet. Eine ganz spezielle Geschichte schreibt auch Aufstiegscoach Tesser. Der 53-Järige wurde Ende Jänner aufgrund anhaltender Erfolgslosigkeit gefeuert, kehrte jedoch zwei Monate später, nach der Entlassung von Emiliano Mondonico, wieder auf die Trainerbank zurück. Bei seinem Comeback wurde zwar Champions League-Aspirant Udinese 1:0 besiegt, der Klassenerhalt scheint trotz weiterer Achtungserfolge – zwei Siege gegen Inter, Remis gegen Napoli – nur schwer realisierbar zu sein. Elf Runde vor Schluss ist Novara lediglich Vorletzter und hat elf Punkte Rückstand auf den rettenden 17. Platz.
axl, abseits.at
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Alexander Semeliker
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