Der argentinische Mittelfeldspieler Lucas Biglia wechselte vor drei Jahren für die Summe von 8,4 Millionen Euro aus der belgischen Liga vom RSC Anderlecht zu Lazio. Beim italienischen Hauptstadtklub war er stets unumstrittener Stamm- und Führungsspieler. Biglia hatte seine Position im defensiven Mittelfeld sicher, wobei er zunächst meistens in einer Doppelsechs in einer 4-2-3-1-Grundformation zum Einsatz kam und vergangene Saison unter Simone Inzaghi vermehrt die alleinige Sechs in einem 4-3-3 oder 5-3-2 spielte.
Der Argentinier zeichnet sich überwiegend durch seine Stärken bei gegnerischem Ballbesitz aus. Er gilt als zweikampfstark und kann auch durchaus mal etwas härter einsteigen. Seine Tacklingwerte sind gut, oft sind Zweikämpfe und Grätschen jedoch gar nicht notwendig. Denn Biglia ist zumeist sehr gut positioniert und sichert das offensive Zentrum und den strategisch sehr wichtigen Raum vor den Innenverteidigern gut ab.
Diese Zone kann er ganz gut versperren und dabei das Spiel in ungefährlichere Räume lenken. Im System von Inzaghi war dieses jedoch kein einfaches Unterfangen, da der Trainer auf eine sehr mannorientierte Defensivstrategie setze. Biglias Mittelfeldkollegen blieben meistens sehr eng am Gegenspieler, wodurch der Sechser prinzipiell schon etwas Raum abzudecken hatte und seine Position auch manchmal verließ, um einen Gegenspieler eng zu verfolgen. Dadurch konnten leicht Passwege auf die Stürmer geöffnet werden, jedoch ist dies eben ein Nachteil des System, welches Biglia befolgen musste, und ihm kaum als Schwäche auszulegen, wie man durch seine Leistungen in anderen System erkennen konnte.
Kaum dominanter Ballverteiler
Bei eigenem Ballbesitz ist Biglia gut, aber keineswegs herausragend. Bei Lazio hielt er seine Position vor den Innenverteidigern ohne abzukippen und hatte nur einen kleinen Aktionsradius. In seinem Bewegungsspiel ist eher „undominant“ und fordert die Bälle nicht ganz so aktiv, wie es viele andere Sechser tun. Dadurch ermöglicht er aber auch seinen Mitspielern im Mittelfeld mehr Ballkontakte, zudem war die Innenverteidigung bei Lazio auch recht aufbaustark (wie sie es nun auch mit Bonucci, Romagnoli und Musacchio bei Milan sein wird).
Am Ball zeigt sich Biglia entscheidungsstark und mit einem äußerst soliden Passspiel. Er nimmt eher wenig Risiko, spielt sehr viele Pässe wieder zurück zu den Verteidigern und verteilt die Bälle in die Breite. Er ist strategisch weitsichtig, flache Vertikalpässe sind aber selten von ihm zu sehen und so sind in Ballbesitz mehr Akzente von seinen Mitspielern gefragt. Bei Lazio wurde er von Marco Parolo und Sergej Milinkovic-Savic gut ergänzt. Beide sind antreibende Achter, wobei Milinkovic-Savic eher wilder und dribbelfokussierter ist während Parolo, der auch Sechser spielen kann, strategisch stärker ist. Wertvoll ist Biglia auch als Schütze bei von Standardsituationen sowie Elfmetern.
Mögliche Rolle bei Milan
Lazios Präsident Claudio Lotito ist als knallharter Verhandlungspartner bekannt und die Ablöse von 17 Millionen Euro ist in Anbetracht von Biglias Alters nicht gering, aber okay. Seine 31 Jahre sprechen aber auch ein wenig für ihn, denn Milan hat diesen Sommer hauptsächlich junge Spieler verpflichtet und mit dem 49-fachen argentinischen Teamspieler steht nun auch ein erfahrener Leithammel im Kader.
Vergangene Saison spielte Milan mit einer 4-3-3-Formation, wobei das Ballbesitzspiel sich weniger flügelfokussiert als bei Lazio zeigte, die Aufgaben der Mittelfeldspieler in der Defensive aber sehr ähnlich waren. Fraglich ist aber, ob weiterhin auf diese 4-3-3-Grundordnung gesetzt wird und welche Mittelfeldspieler überhaupt eingesetzt werden. In den Medien wird mit einem 3-4-3 spekuliert, was angesichts des Spielermaterials in der Innenverteidigung und auch bezüglich Andrea Conti, der bei Atalanta in solchem einer ähnlichen Formation als Flügelverteidiger spielte, Sinn machen würde.
Eigentlich ist Milan auf der Position im defensiven Mittelfeld mit Riccardo Montolivo und dem talentierten Manuel Locatelli bereits gut besetzt gewesen. Doch Montolivo, der die vergangene Saison großteils wegen eines Kreuzbandrisses verpasste, wird in Italien sehr kritisch betrachtet. Er gilt als zu langsam und spielerisch zu schwach. Doch Montolivo litt als Sechser in den vergangenen Jahren einfach stark an den schlecht funktionierenden Systemen und auch schwachen Mitspielern. Unter Montella machte er wegen seiner Verletzung nur relativ wenige Spiele, zeigte sich hier aber sehr spielstark mit gutem, vertikalem Passspiel sowie sehr umsichtig und pressingresistent.
Die anderen Optionen im zentralen Mittelfeld sind die Neuzugänge Franck Kessié (Achter), Hakan Calhanoglu (Achter oder Zehner) und Giacomo Bonaventura (Achter oder Flügelspieler). Bonaventura spielt auch als Achter im 4-3-3 sehr flügellastig, Kessie ist physisch und dribbelstark aber eher entscheidungsschwach (vor allem im Vergleich zu Parolo bei Lazio), Calhanoglu ebenfalls nicht spielmachend.
Daher wird es wohl weiterhin Montolivo brauchen, der sich in einer Doppelsechs mit Biglia auch wohl gut ergänzen würde. Biglia könnte den tieferen Part übernehmen und Montolivo als höherer Sechser seine Pressingresistenz gut einbringen. So wäre ein 3-4-3 möglich, was durch den demnach wahrscheinlichen Flügelfokus auch zu Biglias horizontalem Passspiel passen würde. Möglich wäre aber auch ein 3-4-1-2 oder eine Mischform aus 4-3-3 und 4-2-3-1 mit Montolivo, Biglia sowie etwa Calhanoglu davor.
Alex Belinger, abseits.at
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Alex Belinger
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