In dieser Rubrik gehen wir auf einzelne fixe Transfers zumeist größerer Vereine ein, und beleuchten Hintergründe und Motive. Wieso holt eine Mannschaft diesen Spieler? Wer ist dieser Spieler überhaupt? Was erwartet sich sein neuer Verein von ihm? Kann er die Erwartungen in seinem neuen Verein erfüllen? Diese Fragen sollen beantwortet werden. In dieser Ausgabe blicken wir auf einen interessanten Neueinkauf der AS Roma: Radja Nainggolan.
Der Unbekannte der goldenen Generation
Bei der kommenden Weltmeisterschaft gelten die Belgier für so manchen als Geheimfavorit. Auch wenn sie trotz ihren vielen Talenten wohl keine Chance auf den WM-Titel haben, so erwartet nahezu jeder den einen oder anderen Überraschungserfolg gegen größere Länder. Die Generation um Lukaku, Courtois, Vertonghen, Kompany, Hazard und Co. wird dabei schon als „goldene Generation“ bezeichnet, welche an das Team der 80er-Jahre heranreichen soll.
Damals wurden sie mit Spielern wie Jan Ceulemans, Michel Renquin, Enzo Scifo, Eric Gerets und Jean Marie Pfaff bei der Europameisterschaft 1980 Zweiter und bei der Weltmeisterschaft 1986 Vierter. Interessant ist, dass sie aktuell fast ein Überangebot haben. Immerhin ist ein Spieler wie Nainggolan, für den die Roma für drei Millionen € Leihgebühr für ein halbes Jahr bezahlt, bislang mit nur vier Einsätzen für die Nationalmannschaft eher ein Ersatzspieler, der es oft nicht einmal in den Kader schafft.
Mit seinen 25 Jahren gehört er dabei eigentlich schon zu den erfahreneren Akteuren bei den roten Teufeln. Schon mit 17 Jahren wechselte er in die Serie B zu Piacenza und gab mit 18 Jahren sein Profidebüt. Stammspieler bei den Profis wurde er allerdings erst in der Saison 2008/09. Nach eineinhalb Jahren in der zweiten Liga wurde er zu Cagliari Calcio verliehen und spielte sich dort bald in der Serie A fest.
Nach drei Jahren und 124 Einsätzen wurde er nun zur AS Roma verliehen. Dort soll er nicht nur den abgewanderten Michael Bradley bis Saisonende ersetzen, sondern voraussichtlich auch über den Sommer hinweg eine wichtige Kaderoption sein. Dabei könnte er mit seinen besonderen Fähigkeiten womöglich sogar eine klare Verbesserung zu Vorgänger Bradley werden.
Der kämpfende Spielmacher
Das Besondere an Nainggolan ist seine Mischung aus kämpferischen, organisierenden und spielerischen Aspekten. Er bewegte sich beispielsweise sehr oft und gerne in Richtung der Halbräume, besetzt diese und baut das Spiel von dort auf. Dort dient er nicht nur als Kombinationspartner, sondern kann auch Angriffe strukturiert aufbauen. Insbesondere bei tiefstehenden Gegenspielern oder bei aggressivem Mittelfeldpressing des Gegners lässt er sich im Aufbauspiel seitlich fallen und versucht den Ball nach vorne zu bringen. Dies macht er nicht nur mit Pässen, sondern versucht sich auch mit Dribblings im zweiten Band.
Seine Dribblings verbindet er dabei mit strategisch guten und passenden Verlagerungen. Manchmal spielt er intelligente Seitenwechsel, manchmal wählt er intelligente Aufrückbewegungen. Dabei zeigt er auch seine Wendigkeit in engen Räumen, obgleich seine Entscheidungsfindung darin nicht immer optimal ist. Oft wird er dabei dann zu aktiv und überdreht, wodurch er die Dynamik seiner Mannschaft zu sehr erhöht.
Generell sind diese Aktivität und sein komplettes Fähigkeitenprofil die bestimmenden Eigenschaften seines Spielerprofils. Er bietet sich fast unaufhörlich an, ist dabei gar etwas übermotiviert und vergisst dann gelegentlich auf seine Fähigkeiten in puncto Strategie und Kombinationsspiel. Defensiv löst er auch viele Aktionen über kämpferische Aspekte wie viel läuferische Aktivität und die Suche nach körperbetonten Zweikämpfen. Trotz nur 175cm Größe ist er körperlich stark, aggressiv und verfügt auch über einen guten Distanzschuss.
Seine mögliche Nutzung durch die Roma
Bei der Roma dürfte er wohl als Rotationsoption für Pjanic, De Rossi und Strootman dienen. Nainggolan passt dank seiner Fähigkeiten als Box-to-Box-Mittelfeldspieler perfekt in das Spiel der Roma und kann sowohl Pjanic auf der Zehn/offensiven Acht, Strootman auf der defensiven Acht/offensiven Sechs und De Rossi auf der tiefsten Mittelfeldoption ersetzen. Letzteres dürfte allerdings beim System der Roma am unwahrscheinlichsten sein, da sein Positionsspiel nicht zu der komplexen Rolle passt, welche De Rossi auf der Sechs ausübt.
Potenziell könnte aber Nainggolan eine offensivere Variante für Strootman und eine defensivere für Pjanic sein. Besonders mit Strootman müsste er sich eigentlich gut ergänzen, da dieser für ihn als Balancespieler agieren würde. Nainggolan würde oft nach vorne aufrücken und Strootman sichert für ihn ab. Wenn Nainggolan nicht kann oder die Situation auf seiner Position unpassend ist, erkennt Strootman solche Staffelungen schnell und könnte statt ihm aufrücken. Pjanic hingegen ist eher ein Akteur, der ebenfalls sehr ballfordernd, dabei aber noch technisch versierter und kreativer als Nainggolan ist.
Diese beiden gemeinsam wäre eher eine Option für tiefstehende Gegner, für sehr enge Mittelfeldbereiche und eben bei Erschöpfung Strootmans nach dem Rotationsprinzip. Für De Rossi könnte dann Strootman oder eben Nainggolan dann auflaufen, wenn eine extrem offensive Ausrichtung mit sehr hohem und aggressivem Pressing gefragt ist.
Somit hat die Roma durch diesen Transfer die Möglichkeit ein halbes Jahr gegen ihre Gegner sämtliche Synergien zu ergründen, welche durch Nainggolan und die bisherige Mittelfeldverteilung mit den jeweiligen Varianten entstehen. Alleine schon wegen der Möglichkeit des Testens, sowie der niedrigen Kaufoption ist dieser Transfer prinzipiell gelungen. Nainggolan könnte nun den nächsten Schritt nach oben machen und die sogenannten „besten Jahre“ zwischen 25 und 31 bei der Roma verbringen, welches deren Projekt mit Rudy Garcia als Trainer und mittelfristig wohl ernsthaftester Herausforderer Juventus‘ beim Kampf um den Scudetto noch etwas aufwerten könnte.
Schon im letzten Spiel gegen Genua hat sich übrigens eine Aufteilung mit Nainggolan auf der defensiven Acht, Pjanic davor und Strootman dahinter im 4-1-2-3/4-1-4-1 als überaus praktikabel erwiesen. Die Gäste aus Genua schafften im gesamten Spiel keinen einzigen Abschluss, geschweige denn einen Torschuss.
Rene Maric, abseits.at
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Rene Maric
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