Transfers erklärt: Darum wechselten Lukas Podolski und Xherdan Shaqiri zu Inter
Italien 16.Januar.2015 Rene Maric 0
Wie schon in der vergangenen Winterpausen gehen wir in dieser Rubrik auf einzelne fixe Transfers zumeist größerer Vereine ein, wo die Hintergründe und Motive beleuchtet werden. Wieso holt eine Mannschaft diesen Spieler? Wer ist dieser Spieler überhaupt? Was erwartet sich sein neuer Verein von ihm? Kann er die Erwartungen in seinem neuen Verein erfüllen? Diese Fragen sollen hauptsächlich beantwortet werden. Auch die taktische Perspektive soll nicht zu kurz kommen, immerhin ermöglicht ein neuer Spieler oftmals eine Vielzahl neuer Kombinationen und Synergien, die ebenfalls kurz erläutert werden sollen.
In dieser Ausgabe blicken wir auf einen interessanten Doppeltransfer eines schlafenden Riesen. Inter Mailand angelte sich in nur wenigen Tagen sowohl Xherdan Shaqiri vom FC Bayern als auch Lukas Podolski von Arsenal.
Roberto Mancinis unklare Pläne
Schon zu Amtsbeginn sprach Mancini davon, dass er mit einem spielmachenden Zehner und zwei Flügelstürmern agieren möchte. Zwei Siege, vier Unentschieden und zwei Niederlagen später sucht man noch vergeblich nach einer solchen Spielidee. Ein 4-2-3-1 mit einem Stürmer auf der Zehn, ein asymmetrisches 4-3-3 mit einem Zehner als Außenstürmer, eine Raute im 4-3-1-2 ohne Flügelstürmer, ein 4-3-2-1 mit zwei Zehnern und komplett ohne offensive Flügel sowie ein 4-3-3 mit Außenverteidigern als Flügelstürmer wurden schon genutzt. Nicht ein System überzeugte vollends, obgleich die Leistungen sich in den letzten Wochen etwas besserten.
Durch die zwei Transfers von Podolski und Shaqiri könnte sich dies ändern. Mancinis geplante Spielidee in einem 4-2-1-3 rückt somit näher.
Die Personalwahl mit drei Stürmern und einem Zehner
Die Viererkette dürfte unter Mancini nicht von den Transfers beeinflusst werden; mit Ausnahme dessen, dass keine Außenverteidiger mehr als Flügelstürmer auflaufen müssen. Nagatomo (nach Rückkehr vom Asien-Cup), Dodo, Campagnaro, D‘Ambrosio und Jonathan werden sich um die zwei Außenverteidigerpositionen streiten, Ranocchia und Juan Jesus dürften weiterhin als Innenverteidiger agieren.
Die Bildung der Doppelsechs davor ist noch unklar. Gary Medel und Yann M’Vila haben vermutlich die besten Chancen auf einen Platz in der defensiven Zentrale. Zdravko Kuzmanovic wäre bei einer solchen eher auf die Defensive ausgerichteten Zentrale eine mögliche Alternative. Rene Krhin, Fredy Guarin und Hernanes könnten wiederum eine offensivere Rolle in der Doppelsechs übernehmen. Theoretisch wäre auch Mateo Kovacic eine Option dafür, doch Mancini scheint ihn in der Rolle des Zehners zu sehen.
Kovacic ist also die Wunschbesetzung des Zehners im 4-2-1-3/4-2-3-1 Mancinis. Er ist ungemein spielstark, extrem pressingresistent, ein begeisternder Dribbler und spielt hervorragende tödliche Pässe bei sehr guter Entscheidungsfindung. Die Omnipräsenz Kovacics, der sich in einem solchen System immer wieder fallen lassen und das Spiel aus der Tiefe aufbauen würde, erlaubt auch einen präsenteren Flügelstürmer. Shaqiri agierte in seiner Karriere häufig schon als Zehner und meistens als einrückender, inverser Flügelstürmer.
Von der rechten Seite kommend könnte Shaqiri immer wieder den offensiven Zwischenlinienraum besetzen, mit Kovacics gemeinsam Räume überladen und vereinzelt sogar in den Sechserraum zurückfallen. Das würde Inter eine flexible Nutzung von zwei sehr dribbelstarken Akteuren erlauben, wobei Shaqiri deutlich tororientierter ist, während Kovacic sich über seine angriffseinleitenden Aspekte definiert.
Podolski auf der linken Außenbahn hingegen würde ein höherer und stärker in Richtung Sturmzentrum agierender Flügelstürmer im Vergleich zu Shaqiri sein. Daraus ergibt sich fast schon ein inhärentes strategisches Mittel: Shaqiri und Kovacic überladen den rechten Halbraum, der Mittelstürmer zieht die Gegenspieler auf die Seite und Podolski versucht sich für Schnittstellenpässe und Verlagerungen anzubieten. Theoretisch gibt es zahlreiche weitere Möglichkeiten, die aber auch von der Wahl des Mittelstürmers abhängen.
Der 32jährige Rodrigo Palacio wäre beispielsweise ein sehr ausweichender und unterstützender Mittelstürmer, befindet sich aber auf dem absteigenden Ast und ist für das System womöglich nicht durchschlagskräftig genug. Pablo Osvaldo und Mauro Icardi dürften sich wohl um die Position ganz vorne streiten. Icardi ist der jüngere der beiden, ein sehr starker Strafraumstürmer, der sich intelligent zurückfallen lassen kann oder ausweicht. Osvaldo hingegen ist ein technisch versierter Mittelstürmer, sehr tororientiert, aber auch gut im Eins-gegen-Eins und kombinationsstark.
Die Offensivabteilung scheint also vorerst gut besetzt. Doch was macht Mancini, wenn die Flügelstürmer ihre Aufgaben nicht erfüllen?
Was, wenn die Flügelstürmer scheitern?
Bei jedem Transfer gibt es Risiken. Shaqiri könnte beispielsweise wie bei Bayern unter Problemen im Anlaufen im Dribbling leiden, falsche Räume anvisieren und zu viele Ballverluste verursachen. Insbesondere in den zentrums- und strafraumfokussierten Abwehrreihen Italiens könnten seine Anfälligkeiten auch in einer etwas schwächeren Liga zum Tragen kommen. Ähnlich verhält es sich bei Podolski, der im Kombinationsspiel unter Druck häufig Fehlpässe spielt.
Sollte das System darum scheitern, könnte es eine Rückkehr zur Raute oder zum 4-3-2-1 geben. Bei der Raute wäre Shaqiri eine Option als Zehner oder gar als Außenverteidiger. Bei einer Rautenformation müssen die Außenverteidiger sehr offensiv agieren, werden dafür aber von einem Dreiermittelfeld abgesichert. In der Raute könnte Shaqiri außerdem als Zehner oder gar als box-to-box-Halbspieler agieren, Kovacic – Inters individuell wohl stärkster Spieler – würde die jeweils andere Position übernehmen.
Podolski hingegen wäre bei einem System mit zwei Stürmern eine gute Option als zweiter Stürmer, der auf die Flügel ausweicht und fokussiert auf den Abschluss ist. Podolski mit Osvaldo oder Icardi wäre wohl ein gutes Sturmduo. Insgesamt ist Podolski der schwieriger einzubauende Akteur. Als Flügelstürmer ist er eher ungeeignet als Shaqiri, als Alternativposition steht einzig die des Mittelstürmers bereit, wo Podolski gar als alleiniger Mittelstürmer einige Male Probleme hatte.
Das Experiment mit den Flügelstürmern und Mancini wird in den nächsten Monaten ein überaus interessantes. Shaqiri, Kovacic, Hernanes, Podolski, M’Vila, Medel und Co. sind individuell sehr gute Akteure, um Inter aus der nun bereits länger andauernden Krise herauszuhelfen. Es liegt fortan an Trainer Mancini, wie er dieses Spielermaterial einsetzen wird. Von einer potenziell sehr interessanten Dreierkette hat er bislang Abkehr genommen und ein System mit zwei Flügelstürmern und einem Trequartista als Wunschformation beschrieben. Man darf gespannt sein.
René Maric, www.abseits.at
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