Udine – Eine kleine Stadt ganz groß
Italien 12.Februar.2012 Benjamin Poller 0
Die Nachwuchsarbeit des FC Barcelona ist mittlerweile legendär. Jeder kennt sie und alle geraten ins Schwärmen, wenn sie darüber reden. Auch der FC Porto ist bekannt dafür, immer wieder gute, junge Spieler aus Südamerika zu verpflichten und sie dann später teuer weiter zu verkaufen. Doch bei welchem Verein haben eigentlich die heutigen Topstars Alexis Sanchez, Gökhan Inler, Fabio Quagliarella und auch Vincenzo Iaquinta ihren Durchbruch geschafft? Der Klub nennt sich Udinese Calcio und ist wohl jedem Fußballfan ein Begriff. Trotzdem reden die Fußballfans lieber von Porto und Co. als von dem Verein mit dem herausragenden Scouting-System. Eine Reportage über die heutigen Stars, für die bei dem Verein aus Italien alles begonnen hat, die Transferarbeit des Klubs und die Stars von morgen, für die in der 99.710-Einwohnerstadt gerade alles beginnt.
Schauplatz Camp Nou. Vor 69 000 Zuschauern gibt der FC Barcelona gegen ein sehr offensiv aufgestelltes Betis Sevilla eine 2:0-Führung aus der Hand. Ganz untypisch eigentlich für die Katalanen. Jede andere Mannschaft wäre danach wahrscheinlich ziemlich nervös geworden und hätte es nicht einmal mehr geschafft, das Unentschieden über die Zeit zu retten. Doch nicht so der amtierende Champions-League-Sieger. Nach Vorarbeit von Xavi, wem auch sonst, schießt Alexis Sanchez den Gastgeber wieder in Führung. Am Ende gewinnt Barcelona souverän bei einem Ballbesitz von 71% mit 4:2. Typisch für den Meister!
Bemerkenswerte Transferpolitik
Doch diesmal sticht aus der Menge von Weltklassefußballern neben Messi auch noch ein anderer heraus. Sein Name: Alexis Sanchez, um 26 Millionen Euro aus Udine geholt. Kein Spieler der aus dem eigenen Nachwuchs kam, aus der Talentschmiede La Masia, sondern von einem Klub mit einem ebenso grandiosen Scouting-System: Udinese Calcio, momentan dritter in der italienischen Serie A. Und er ist nicht der einzige, der von diesem Klub aus den Sprung zu einem größeren Fußballverein wagte. Allein in der letzten Sommertransferperiode taten dies u.a. auch Gökhan Inler (Napoli, 17,5 Mio. Euro), Simone Pepe (Juventus, 7,5 Mio. Euro) und Christian Zapata (Villareal, 9 Mio. Euro). Das sorgt natürlich dafür, dass die Transferbilanz im Sommer meistens positiv ist. Zuletzt standen 21,6 Mio. € Ausgaben 69,9 Mio. € Einnahmen gegenüber.
Abgänge werden problemlos ersetzt
Doch Udinese scheinen die Verkäufe nichts auszumachen. Immer wieder kompensieren sie ihre Abgänge durch Verpflichtungen von weiteren Talenten. Bestes Beispiel: Antonia di Natale, italienischer Ex-Nationalstürmer, momentan Führender in der Torschützenliste der Serie A mit 16 Toren (und weiteren sechs Vorlagen), kam in der Saison 04/05 für schlappe 100.000 € zu Udinese. Was bedeutet: Sein Marktwert hat sich seit seiner Verpflichtung etwa um 700% gesteigert. Auch zuletzt, nach den Verkäufen der Leistungsträgern Sanchez, Inler und Zapata investierte der Klub um 21,6 Mio. € in neue Spieler, deren Durchschnittsalter 23,1 Jahre beträgt. Im August des vergangenen Jahres holte man mit Gabriel Troje einen Mann, der in Rumänien schon als der neue Messi gefeiert wird.
Die nächste Generation
Klein, quirlig, dribbelstark und stark im Tore Vorbereiten sind nur ein paar Eigenschaften, die auf den Mann, der bevorzugt als hängende Spitze spielt, zutreffen. Der Nationalspieler (15 Spiele, 4 Tore, 2 Vorlagen) wurde zuletzt Fußballer des Jahres 2011 in Rumänien und wird wohl der Nächste sein, der bei einem großen Klub sein Glück versuchen wird.
Doch er befindet sich in guter Gesellschaft. Denn mit Diego Fabbrini, Emmanuel Badu, Kwadwo Asamoah, Mauricio Isla, Pablo Armero und Mehdi Benatia befinden sich weitere Top-Talente im Kader von Udinese. Sie alle sind in noch jungen Jahren Nationalspieler ihres Landes und Leistungsträger im Klub. Sie werden wohl die nächsten sein, die in ein paar Jahren bei einem großen Klub landen werden. Um Mehdi Benatia kursieren jetzt schon Gerüchte, er stünde auf der Wunschliste des neureichen Klubs Anzhi Makhachkala, bei dem unter anderem auch Samuel Eto’o und Roberto Carlos gerade ihr Geld verdienen.
Goldene Zukunft
Doch das alles dürfte Trainer Francesco Guidolin keine Sorgenfalten auf die Stirn treiben, denn es steht schon die übernächste Generation bereit. Allein im aktuellen Kader befinden sich acht Jugend-Nationalspieler, davon drei aus Italien. Für Udinese Calcio zahlt es sich also aus, in die Jugend zu investieren und vielleicht sticht in der Zukunft ein weiterer Ex-Udinese Spieler aus den Starensembles von Barcelona, Real oder Manchester heraus.
Benjamin Poller, www.abseits.at
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