In Italien sieht es derzeit danach aus, als würde Juventus den Scudetto verteidigen können. Nach 18 Runden führen die Turiner die Tabelle mit acht... Vom Mittelmaß ins Spitzenfeld – das ist Fiorentina unter Vincenzo Montella

Italien FlaggeIn Italien sieht es derzeit danach aus, als würde Juventus den Scudetto verteidigen können. Nach 18 Runden führen die Turiner die Tabelle mit acht Punkten Vorsprung vor Lazio an. Nur einen Punkt dahinter auf Platz vier liegt mit ACF Fiorentina ein Klub, dem es auf Grundlage der letzten Saison nicht unbedingt zuzutrauen war, sich so weit vorne zu platzieren. Im Sommer fand bei den Violetten jedoch ein Umbruch statt. Zahlreiche neue Spieler wurden geholt und mit Vincenzo Montella ein kompetenter Trainer eingestellt.

Die glanzvollen Zeiten der ACF Fiorentina liegen mittlerweile Jahrzehnte zurück, in der jüngeren Geschichte gab es mit dem Erreichen des UEFA-Cup-Halbfinales 2008 und des Champions-League-Achtelfinales 2010 zumindest kleinere internationale Erfolge. Zurückzuführen ist dies vor allem auf Cesare Prandelli, der während seiner Viola-Amtszeit zweimal zu Italiens Trainer des Jahres gewählt wurde. Mittlerweile betreut der 55-Jährige die Squadra Azzurra und führte sie ins EM-Finale, während seine Nachfolger Sinisa Mihajlovic und Delio Rossi nicht an seine Arbeit anknüpfen konnten.

Über Sizilien in die Toskana

Unter Ersterem erreichte man mit Platz neun zumindest noch einen einstelligen Tabellenplatz, während man unter Rossis Leitung auf Rang 13 abrutschte. Über dies hinaus schrieb der 52-Jährige mit einem Ausraster“ frameborder=“0″ allowfullscreen> gegen einen eigenen Spieler negative Schlagzeilen. Seitdem Vincenzo Montella ans Ruder kam, sind diese ausschließlich sportlicher und vor allem positiver Natur. Die ersten Erfahrungen auf der Trainerbank machte L’aeroplanino, wie er aufgrund seines Torjubels als aktiver Spieler genannt wurde, bei seinem langjährigen Dienstgeber AS Roma, für die er zehn Jahre lang auf Torjagd ging.

Zunächst trainierte er die Jugend, ehe er im Februar 2011 die erste Mannschaft von Claudio Ranieri übernahm. Seine Arbeit konnte die Verantwortlichen jedoch nicht überzeugen und so musste sich Montella um eine neue Stelle umsehen, die er schließlich auf Sizilien fand. Mit Catania Calcio, das sich seit 2006 nachhaltig in der Serie A hält, erreichte er trotz beschränkter Mittel Rang elf – die beste Platzierung seit dem Aufstieg und für Fiorentina Grund genug ihn zu holen um mit ihm einen Neuanfang zu starten.

Die Vorliebe fürs 3-5-2

Nicht weniger als 20 Spielern wurde im vergangenen Sommer ein neues Arbeitspapier ausgehändigt, jenes von noch zehn mehr wurde aufgelöst. Ein gewichtiger Grund dafür war die Philosophieumstellung, die mit Montellas Verpflichtung einherging. In der Saison 2011/12 konnte man nämlich kein klares Konzept erkennen. Eine Zeit lang lief man im 4-3-3 auf, dann setzte man wieder auf Variationen des 4-4-2 oder streute 3-5-2-artige Formationen ein. Letzteres gilt auch als Montellas Favorit und wird in der Serie A immer mehr zum Trend. Dies garantiert, dass die Nachteile auf den Außenbahnen verschwinden.

Der Fortschritt seit der Einstellung des neuen Coachs zeigt sich in allen nennenswerten Kategorien, wie die nebenstehende Grafik zeigt. Dass ein Trainer, der seine ganze Spielerkarriere damit verbrachte die Strafräume seiner Gegner zu terrorisieren, seinem Team eine offensive Spielweise vermitteln will, ist einleuchtend. Aber Montellas Fiorentina besticht auch in defensiver Hinsicht. 19 Gegentore in bisher 18 Spielen sind im Vergleich zur Vorsaison (16) zwar ein kleiner Rückschritt, dennoch zeigt die Tatsache, dass die Viola die zweitwenigsten Schüsse aufs eigene Tor zulässt, eine merkbare Verbesserung.

Die Lehren aus Catania-Zeiten

Schon in Catania versuchte Montella seine Idee vom 3-5-2 umzusetzen, wechselte aber nach einigen Spielen wieder zurück auf das noch heute dort praktizierte 4-3-3. Eines haben diese beiden Grundordnungen aber gemeinsam, und zwar das (zentrale) Dreiermittelfeld. Im Allgemeinen setzt sich dieses aus einem spielmachenden, einem laufstarken und einem zweikampfstarken Spieler zusammen, in Montellas Vorstellungen gibt es allerdings entscheidende Abweichungen.

Auf Sizilien baute Montella mit Sergio Almiron, Mariano Izco und Francesco Lodi auf ein offensiv ausgerichtetes Mittelfeldtrio, das noch mutiger wirkt, wenn man das Standing Catanias berücksichtigt. Die Kehrseite der Medaille war, dass diese Konstellation aber die nötige Absicherung der ohnehin schon schlecht geordneten Abwehr nicht gewährleisten konnte – 52 Gegentore waren die logische Folge. Mit den Mitteln in Florenz war es Montella aber nun möglich eine bessere Balance im Mittelfeldzentrum zu garantieren.

Passen, Passen, Passen

Zwei der drei Positionen sind an zwei der unbestritten passsichersten Spieler der Liga vergeben, die man beide auch als spielmachende Achter bezeichnen könnte. In der Mitte des 3-5-2 agiert David Pizarro, der unter Montella bereits bei der Roma die Fäden im Mittelfeld zog und ablösefrei aus der Hauptstadt kam. Links neben ihm gibt sich der bei Real Madrid ausgebildete Borja Valero die Ehre. Alleine seine spanische Herkunft lässt schon erahnen wie gefühlvoll er mit seinem rechten Fuß umgehen kann. Die Ablösesumme von sieben Millionen Euro, die man an Villarreal überwiesen hat, scheint sich auszuzahlen, denn mit acht Assists ist der 27-Jährige der Topvorlagengeber der Serie A. Während Borja Valero vornehmlich jedoch kurze Pässe spielt, setzt Pizarro auf lange Pässe aus der Tiefe.

Mit Alberto Aquiliani ergänzt ein weiterer Neuzugang das passstarke Trio. Allerdings kann man den 28-jährigen Italiener nicht für eine komplette Saison einplanen, da er sich regelmäßig mit kleineren oder größeren Verletzungen herumplagt und diese wohl auch eine glanzvollere Karriere verhinderten. Vom Spielstil unterscheidet sich Aquilani von seinen Nebenmännern vor allem dadurch, dass er vertikaler agiert und die ordnenden Aufgaben ihnen überlässt. Dementsprechend ist er der torgefährlichste Akteur von ihnen. Nichtsdestotrotz gilt der ehemalige Roma- und Juve-Kicker als zuverlässiger und pressingresistenter Techniker.

Die angesprochene Balance fußt also weniger auf Zweikampfstärke, sondern auf dem Passspiel des Mittelfeldtrios. Sowohl alle drei genannten Spieler als auch deren Ersatzleute agieren in Drucksituationen gelassen und halten die Kombinationen in Fluss. Pizarro, Valero und Aquilani spielen zusammen im Schnitt ca. 153 Pässe pro Spiel und das mit beachtlicher Erfolgsquote (86%).

Ausgewogene Abwehr- und Außenspieler

Die Ausgewogenheit aus dem Mittelfeld findet seine Fortsetzung in der Abwehr und auf den Außenpositionen, obwohl man mit Matija Nastasic ein vielversprechendes Innenverteidigertalent an Manchester City abgeben musste. Im Gegenzug bekam man vom englischen Meister Stefan Savic, der auf der Insel vermehrt mit groben Fehlern auffiel, sich aber in Italien bisher gut zurechtfindet. Neben dem Montenegriner bilden Gonzalo Rodriguez und Facundo Roncaglia die Dreierkette in der Verteidigung.

Auch in dieser Mannschaftsektion sieht man den hohen Passstandard des Teams. Rodriguez, Roncaglia und Savic spielen pro Spiel im Schnitt 141,2 Pässe, von denen knapp 88% ankommen. Die Defensivfertigkeiten erkennt man in der Grafik rechts. Neben den drei genannten Spielern ist auch Nenad Tomovic berücksichtigt, da dieser ebenfalls mehr als zehn Spiele bestritt und seine Werte die erwähnte Ausgeglichenheit demonstrieren. Etwaige Schwächen eines einzelnen werden durch die Stärke der anderen kompensiert. Hervorstechend ist auch die Torgefährlichkeit der Abwehrspieler. Savic und Rocaglia erzielten bisher zwei Tore, Rodriguez, der wie Borja Valero von Villareal kam, sogar deren fünf.

Die Außenpositionen im 3-5-2-System bekleiden Juan Cuadrado und Manuel Pasqual. Während Erster vor der Saison von Udinese Calcio kam, ist Pasqual einer der wenigen Spieler, die den Umbruch überlebten. Der 30-Jährige ist der Kapitän des Teams und beackert seit siebeneinhalb Jahren die linke Seite. Der toskanische Klub wurde während dieser Zeit ständig mit neuen Linksverteidigern in Kontakt gebracht und dennoch festigte er stets seinen Platz. Sein Einsatz, seine Hingabe und seine Fähigkeit sowohl defensiv gut zu stehen als auch Gefahr nach vorne hin zu erzeugen waren dafür ausschlaggebend. So schlägt Pasqual beispielsweise so viele Flanken wie kein anderer Spieler in der Serie A (2,8 pro Spiel) und hält gleichzeitig bei 2,7 Clearances pro Spiel. Cuadrado kommt mehr über seine kämpferische Eigenschaften, was 3,6 Tackles pro Spiel zeigen, ist aber in der Vorwärtsbewegung nicht minder gefährlich. Wie Pasqual konnte er bis dato ein Tor und drei Vorlagen verbuchen.

Kräftiger und variantenreicher Angriff

Der Preis der flachen Hierarchie innerhalb des Teams fordert im Sturm seinen Tribut – jedoch nur für die Spieler persönlich gesehen. Denn kein einziger Kaderspieler traf öfter als achtmal, dafür sind 13 verschiedene Torschützen der ligaweite Spitzenwert. Teamintern führen die beiden Stürmer Stevan Jovetic und Luca Toni mit acht bzw. sechs Treffern die Torschützenliste an. Gerade der Wert des einstigen italienischen Bombers ist überraschend, denn der 35-Jährige Toni wurde erst kurz vor der Schließung des Transferfensters geholt.

Vom Spielstil passt der 194cm-Hüne jedoch sehr gut in das Konzept von Montella. Zum einen weil der statische Angreifer als klassischer Neuner im Sturmzentrum stets ein sicherer Anspielpunkt ist um den Ball zu halten, was bei einer ballbesitzorientierten Spielweise sehr wichtig ist. Andererseits positioniert sich Toni im Allgemeinen recht hoch, wodurch die Verteidigungslinie des Gegners entsprechend zurückgedrängt wird und Platz für nachstoßende Mittelfeldspieler geschaffen wird. Bei Catania übernahm diesen Part Maxi Lopez, der meist von Alejandro Gomez, einem dynamischen Dribbler aus Argentinien, ergänzt wurde. Allerdings profitiert Montella auch in diesem Fall von den größeren Ressourcen bei der Fiorentina.

So kann er neben Toni mit Jovetic einen robusten, aber gleichzeitig auch technisch beschlagenen Angreifer aufbieten oder einem der beiden auch Adem Ljajic zur Seite stellen. Der 21-jährige Serbe galt einst als Supertalent mit ausgezeichneten kreativen Anlagen. Da er sein Potenzial aber nicht nachhaltig und konsequent abruft, hat er diesen Status mittlerweile verloren. Jovetic hingegen scheint disziplinierter zu sein und steht mit 23 Jahren vor der nächsten Entwicklungsstufe. Einzig im Abschluss müsste der 23-jährige Montenegriner noch sicherer werden.

Alexander Semeliker, abseits.at

Alexander Semeliker

@axlsem

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