Sensationen in der EM-Qualifikation: Wenn der Kleine den Großen ärgert
Fußball international 10.Oktober.2014 Martin Roithner 0
Das Duell David gegen Goliath zieht die Aufmerksamkeiten vieler Fußballfans auf sich, oft sind die Sympathiepunkte klar zugunsten des Außenseiters verteilt. Heutzutage wird es immer schwieriger, gegen vermeintliche Fußballzwerge den geforderten Pflichtsieg einzufahren – die meisten Teams sind mittlerweile taktisch gut eingestellt und kämpfen, beißen und kratzen um jeden Zentimeter auf dem Feld. Am ersten Spieltag der zweiten Qualifikationsrunde zur EM-Qualifikation 2016 lieferten die so genannten „kleinen“ Fußballnationen ihren favorisierten Gegnern einen harten Kampf und wurden sogar mit so manch überraschendem Ergebnis belohnt.
Montenegro verstolpert drei Punkte in Vaduz
Vor dem Gastspiel bei Liechtenstein wurde eigentlich nur über die Höhe des Sieges von Montenegro, Österreichs nächstem Gegner in der EM-Qualifikation, spekuliert. Dass sich nach dem 0:0 die Spieler von Liechtenstein jubelnd in den Armen lagen, hatten sie auch den herausragenden Leistungen ihrer beiden Torhüter Peter Jehle und Cengiz Bicer zu verdanken. Jehle hielt bis zu seiner verletzungsbedingten Auswechslung nach einer Stunde mit überragenden Paraden die Null fest, an seinem Ersatzmann Bicer biss sich die montenegrinische Offensive ebenso die Zähne aus.
Montenegros Trainer Branko Brnovic ließ – wohl auch im Hinblick auf das Auswärtsspiel in Wien am Sonntag – nur einen seiner beiden Topstars von Beginn an auflaufen: ManCity-Angreifer Stefan Jovetic blieb jedoch ebenso ohne Erfolgserlebnis wie der zur Pause eingewechselte Ex-Juve-Stürmer Mirko Vucinic. Für Österreich ist die überraschende Punkteteilung nur dann von Vorteil, sollte man das Heimspiel im Happel-Stadion für sich entscheiden können. Es ist davon auszugehen, dass der Gegner bis in die Haarspitzen motiviert sein wird und die verlorenen Zähler nun aus Wien entführen möchte. Allerdings war die Abwehrleistung keineswegs rühmlich: Sogar gegen das biedere Liechtenstein ließ Montenegro mehr als nur eine Torchance zu.
Luxemburg trotzt Mazedonien beinahe ein Remis ab
Ein gern gesehener Gruppengegner in Qualifikationen ist auch Luxemburg, nicht selten deswegen, da man gegen dieses Team im Normalfall das eigene Torverhältnis aufpolieren kann. Dennoch sollte Fußball-Europa nicht erst seit Düdelingen vor Luxemburg gewarnt sein. Düdelingen, da war doch was! Richtig, jener mehrheitlich aus Hobbykickern bestehende Fußballklub warf Österreichs Ligakrösus Red Bull Salzburg 2012 in der Qualifikation zur Champions League raus und sorgte für eine der größten Sensationen in der jüngeren Historie.
Beim gestrigen Auswärtsspiel in der mazedonischen Hauptstadt Skopje zog sich der Underdog beachtlich aus der Affäre, zur Pause lag man sogar mit 2:1 in Führung. Erst der sehenswerte Siegtreffer des Rechstaußen Besart Abdurahimi erlöste die Heimmannschaft in der 90. Minute. Luxemburg könnte in Gruppe C zum Zünglein an der Waage werden, im ersten Qualispiel erreichte man ein Unentschieden gegen Bulgarien. Noch beachtenswerter war der Auftritt in Italien bei einem Freundschaftsspiel im Juni dieses Jahres – Endstand 1:1.
Tapferes San Marino verliert im Wembley nur mit 0:5
Die wohl klarste Ausgangslage herrschte vor dem Aufeinandertreffen zwischen England und der Nummer 208 der FIFA-Weltrangliste, der 32.000 Einwohner zählenden Republik San Marino. Lediglich ein Akteur in der Startelf des Zwergstaates darf sich als professioneller Fußballer bezeichnen, die übrigen Nationalspieler verdienen ihr Geld mit den Berufen Buchhalter, Supermarktverkäufer, Fabrikarbeiter oder Büroangestellter. Es war klar, dass das Match im großen Wembley-Stadion nicht mehr als eine Sightseeingtour werden würde. Nichtsdestotrotz brauchten die Three Lions bis zur 25. Spielminute, um die Führung zu erzielen. Vor der Pause gelang Superstar Wayne Rooney noch das 2:0 aus einem Elfmeter.
Mit dem von der englischen Presse erhofften zweistelligen Ergebnis wurde es auch trotz dreier weiterer Treffer in der zweiten Halbzeit nichts. San Marino hielt sich schadlos, verteidigte im Rahmen seiner Möglichkeiten, hatte jedoch nach vorne erwartungsgemäß nichts entgegenzusetzen. Nur fünf Gegentreffer dürfen dennoch getrost als Erfolg gewertet werden, wenn man Englands nominelle Power im Angriff bedenkt.
Spaniens Quali-Serie endet gegen die Slowakei
Nach dem enttäuschenden Auftritt bei der Weltmeisterschaft in Brasilien führte Coach Vicente del Bosque bei Spanien einen Umbruch durch, jahrelange Leistungsträger wie David Villa oder Xabi Alonso traten aus der Furia Roja zurück. Technisch beschlagene Spieler gibt es bei den Iberern zur Genüge, offensichtlich müssen sie dennoch erst zu ihrem Spiel finden. Dem Kantersieg gegen Mazedonien zum Quali-Auftakt folgte gestern eine ebenso unerwartete wie historische Auswärtsniederlage in der Slowakei: Zum ersten Mal seit über acht Jahren verloren die Spanier wieder ein Qualifikationsspiel, damals unterlag man Schweden mit 0:2.
Schon 2006 dabei war Iker Casillas, auch gestern war der zuletzt stark in der Kritik stehende Real-Madrid-Keeper einer der Hauptdarsteller. In der 17. Spielminute bekamen die Slowaken einen Freistoß aus zentraler Position etwa 25 Meter vor dem gegnerischen Tor zugesprochen, Kucka zog ab und versenkte den Ball im Netz. Casillas sah beim Gegentreffer alles andere als gut aus, der Schuss von Kucka fiel ziemlich zentral aus und war alles andere als unhaltbar. Zwar kam der Weltmeister von 2010 durch Alcacer noch zum Ausgleich, Miroslav Stoch sorgte kurz vor Schluss jedoch für den umjubelten 2:1-Sieg des Heimteams. Zugegeben, die Slowaken zählen nicht zu den kleinen Fußballnationen, dennoch wäre schon ein Punktegewinn gegen Spanien ein Erfolg gewesen.
Auch das ÖFB-Team tut sich in Moldawien lange Zeit schwer
Österreich hat mit dem Auswärtsdreier in Chisinau die Pflicht erfüllt und den Anschluss an die Tabellenspitze in Gruppe G gewahrt. Von einem souveränen Auftritt war die Elf von Marcel Koller weit entfernt, am Ende zählen aber nur die Punkte. Moldawien spielte das, was möglich war. Hinten machte man mit einer Fünferkette die Räume eng, im Mittelfeld verschob gut und zwang Alaba und Co. so immer wieder, das Spiel in der eigenen Hälfte aufzubauen. Zweifellos war Österreich die technisch bessere und auch taktisch reifere Mannschaft, in den Zweikämpfen wussten die Moldauer aber immer wieder gut dagegenzuhalten. Zwei Elfmetertore brachten eine Pattstellung, nach Seitenwechsel köpfelte Janko zur Führung und letztlich auch zum Sieg ein.
Fußballzwerge als Stolpersteine
Es ist nicht verwunderlich, dass sich Österreich in Moldawien zum Erfolg mühte; beim Blick auf die anderen Qualifikationsergebnisse fällt auf, dass sich andere Mannschaften auch nicht mit Ruhm bekleckerten. Spiele gegen Fußballzwerge werden auf die leichte Schulter genommen, Starspieler oft geschont. Dass kleine Nationen für die Favoriten dadurch umso leichter zu Stolpersteinen werden können, dürfte nicht erst seit gestern bekannt sein.
Martin Roithner, abseits.at
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