Acht Tore und 82% Ballbesitz – Der FC Barcelona setzt wieder einmal neue Maßstäbe
Spanien 19.September.2011 Stefan Karger 0
Der FC Barcelona besiegte in einem atemberaubenden Offensiv-Spektakel CA Osasuna mit 8:0. Die Gäste dürfen froh sein, dass das Ergebnis einstellig ausfiel, denn die Katalanen hatten noch zahlreiche weitere Großchancen. Guardiolas Mannschaft ist ihrer Zeit voraus und zeigt uns schon heute den Fußball von morgen.
In der heurigen Meisterschaftssaison absolvierte der FC Barcelona bisher zwei Heimspiele, in denen die Katalanen 13 Tore schossen, ohne einen Gegentreffer zu kassieren. Trotzdem kam bei den Fans in den letzten Tagen eine leichte Unruhe auf, da nach dem 5:0-Auftaktsieg gegen Villareal zwei Unentschieden folgten. Sowohl im Meisterschaftsspiel gegen Real Sociedad, als auch in der Champions League gegen den AC Milan kam die Mannschaft von Josep Guardiola nicht über ein 2:2 hinaus. Mit dem jüngsten Meisterschaftssieg gegen Osasuna verschwinden sämtliche kleinen Fragezeichen mit einem Schlag, da nicht nur das Ergebnis, sondern insbesondere die Art des Zustandekommens absolut beeindruckend war.
MITSPIELEN VERBOTEN
CA Osasuna nahm sich vor der Partie einiges vor und kam mit einer Menge Selbstvertrauen ins Camp Nou. Die Mannschaft von Trainer José Luis Mendilibar startete gut in die Saison. Nach einem torlosen Unentschieden gegen Atlético Madrid gewann seine Mannschaft zu Hause mit 2:1 gegen Sporting Gijon und hatte vor der Partie gegen die Katalanen genau so viele Punkte wie der Gastgeber. Mendilibar nominierte ein 4-2-3-1-System und wollte mit hohem Pressing den Gegner früh unter Druck setzen und lange Ballstafetten verhindern. Die Rechnung ging jedoch nach hinten auf, denn den Gästen gelang es nicht, die gesamte Mannschaft am aggressiven Pressing teilnehmen zu lassen. Die Osasuna-Spieler liefen dem Ball hinterher und schafften es kaum in Ballbesitz zu gelangen, da jeder einzelne Spieler des FC Barcelona auch unter hohem Druck den Ball verarbeiten konnte und stets einen Mitspieler fand. Wenn doch einmal ein Ball verloren ging, dann begingen die Katalanen oftmals ein geschicktes taktisches Foul, damit sich die hoch stehende Mannschaft wieder nach hinten orientieren konnte. Die Heimmannschaft drängte die Gäste im Laufe des Spiels immer weiter in die eigene Hälfte zurück und zirkulierte den Ball so lange in den eigenen Reihen, bis sie eine Lücke in der gegnerischen Stellung fand. Der Höhepunkt dieser Ballstafetten war ein Angriff über 31 Stationen, bei dem jeder Spieler den Ball zumindest einmal berührte. Osasuna stand zum größten Teil gar nicht schlecht und ließ den Gegenspielern nicht viel Platz, was vermuten lässt, dass im Laufe der Saison andere Mannschaft im Camp Nou im selben Ausmaß unter die Räder kommen werden.
DIE AUFSTELLUNG UND DAS SYSTEM DES FC BARCELONA
Es ist schwierig das System des FC Barcelona in absoluten Zahlen darzustellen. Am ehesten ist es wohl ein 3-4-3-System, in dem die Spieler ständig ihre Positionen tauschen. Messi war der Spieler, der über die gesamten 90 Minuten am höchsten positioniert war, obwohl er wieder einmal einen „falschen Neuner“ spielte, sich oft zurückfallen ließ und mit Fabregas die Positionen tauschte. Dani Alves spielte zwar auch in der letzten Saison recht offensiv, allerdings nie so weit vorne wie am Samstag gegen Osasuna. Alves wurde als rechter Flügelstürmer aufgestellt und spielte auf etwa gleicher Höhe wie David Villa auf der anderen Seite – vielleicht sogar einen Tick offensiver. Guardiola entschied sich für diese Variante, da Pedro eine Pause brauchte und Alexis Sanchez verletzt war. Dadurch dass Dani Alves als rechter Flügelspieler auflief, konnten Messi und Fabregas im Zentrum bleiben und ihr perfektes Kombinationsspiel durchziehen. Ein wunderbarer Schachzug von Guardiola, dem es gelang seine zahlreichen Ausfälle (auch Iniesta war verletzt) ohne Probleme zu kompensieren. Das Zusammenspiel zwischen Messi und Fabregas klappte absolut perfekt und stellten die Osasuna-Innenverteidiger Rubén und Rovérsio vor unlösbaren Aufgaben. Mal tauchten beide blitzartig gleichzeitig vor ihnen auf, mal ließen sie sich weit ins Mittelfeld zurückfallen, wo sie für ein spielerisches Übergewicht sorgten.
DAS ENDE DES KLASSISCHEN MITTELSTÜRMERS?
Es wird immer wahrscheinlicher, dass die Tage des klassischen Mittelstürmers, der im Strafraum auf die Bälle wartet, gezählt sind. Eine Mannschaft, die auf absolutem Spitzenniveau mitspielen will, wird es sich nicht leisten können einen Spieler zu haben, der am Spielaufbau nicht teilnimmt. Carlos Alberto Parreira prophezeite schon im Jahr 2003, dass die Zukunft des modernen Fußballs ein 4-6-0-System sein werde. Einige Mannschaften haben dieses System schon erfolgreich umgesetzt, wie etwa der AS Roma. Totti agierte als „falscher Neuner“ an vorderster Front, während Vucinic, Mancini, Perrota und Pizarro aus dem Mittelfeld in die Spitze stießen. Die Vorteile dieses Systems liegen auf der Hand. Mit sechs Spielern im Mittelfeld hat die Mannschaft im Normalfall mehr Ballbesitz, während die gegnerischen Innenverteidiger entweder unterbeschäftigt bleiben, da sie keinen direkten Gegenspieler haben, oder den „falschen Neuner“ verfolgen und so die Viererkette auseinander reißen. Neben dem AS Roma hat auch Manchester United dieses System erfolgreich praktiziert. Vor den zwei defensiven Mittelfeldspielern agierten Cristiano Ronaldo, Wayne Rooney, Carlos Tevez und Ryan Giggs oftmals auf gleicher Höhe. Diese Spielanlage hat den Vorteil, dass die Offensivspieler mit hoher Geschwindigkeit schwarmartige Überfallsangriffe starten können, anstatt mit dem Rücken zum Tor zu stehen und auf den Ball zu warten. Das Einzugsgebiet der Stürmer ist in den letzten Jahren wesentlich größer geworden und sie müssen weite Wege gehen, sich anbieten und am Aufbauspiel teilnehmen. Ein Toni Polster hätte es heute in einer starken Liga nicht einfach.
Auch ein Blick auf die heimische Liga zeigt wie wichtig taktische Flexibilität ist. Im letzten Meisterschaftsspiel gegen Kapfenberg setzte Rapid-Trainer Peter Schöttel auf ein 4-4-2-System, das sich jedoch positiv von Peter Pacults 4-2-2-2-Formation abhob. Kapitän Hofmann agierte auf der „8er“-Position und mit Gartler und Alar standen zwei Stürmer in den Reihen, die sich zurückfallen ließen und am Aufbauspiel teilnahmen. Im Ballbesitz standen die Flügelspieler Drazan und Trimmel oftmals vor den beiden nominellen Sturmspitzen. Dieses System lässt sich natürlich in keiner Weise mit der Genialität der Katalanen vergleichen, zeigt aber, dass spielerische Flexibilität auch auf schwächerem Niveau der Schlüssel zum Erfolg sein kann. Klassische Mittelstürmer werden es in Zukunft schwer haben, genau so wie reine “6er“, die nur zerstören können und am kreativen Spielaufbau überfordert sind.
Stefan Karger, www.abseits.at
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Stefan Karger
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