Barca findet kein Mittel gegen Atleticos Defensivspiel – intensives Spitzenspiel endet 0:0
Spanien 12.Januar.2014 Alexander Semeliker 0
Nach dem letztwöchigen Spitzenspiel in der Serie A stand dieses Wochenende in Spanien das Gipfeltreffen zwischen dem Tabellenersten und –zweiten an. Der FC Barcelona reiste dafür nach Madrid, wo man auf, nicht wie in den letzten Jahren üblich Real, sondern Atletico traf. Im Vicente Calderon trennten sich beide Teams in einer intensiven Partie mit einem 0:0.
Laut whoscored.com ist ein Tackle eine Balleroberung infolge eines Zweikampfs. Im Schnitt gibt es in einem Spiel der Primera Division deren 43, in dieser Partie waren es 54. Ansonsten sah man die zu erwartenden Wechselwirkungen. Barca dominierte den Ballbesitz – 69% waren es am Ende – und Ateltico hielt mit einer taktisch einwandfreien Defensivleistung dagegen.
Ateltico in Bestformation, Barca ohne Messi und Neymar
Atletico Madrid entwickelte sich unter Diego Simeone zu einem europäischen Spitzenteam. Zu Beginn noch sehr stark darauf ausgerichtet, das Spiel nicht zu machen, entwickelten sich die Rojiblancos zu einem flexiblen Team, das sehr gut auf die Abläufe des Gegners reagieren kann. Das musste auch die Wiener Austria in der Champions League leidvoll miterleben. Gegen den FC Barcelona konnte Simeone seine nominell beste Startelf aufbieten. Im 4-4-2 begann neben Diego Costa mit David Villa ein ehemaliger Barca-Akteur im Sturm, dahinter versuchte man das erwartungsgemäße Loch mit untypischen Flügelspielern zu stopfen.
Arda Turan und Koke sind beide technisch starke Spieler, die auch auf zentralen Positionen zum Zug kommen können. Die durch das Einrücken der beiden entstandenen Räume auf den Seiten sollten von den offensiv starken Außenverteidigern, Filipe Luis links und Juanfran rechts übernommen werden. Dass Letzterer überhaupt mitspielen konnte, lag daran, dass seine Gelbsperre annulliert wurde.
Gerardo Martino, der Trainer des FC Barcelona, änderte sein Team im Vergleich zum letzten Ligaspiel an drei Positionen. Im defensiven Mittelfeld begann Sergio Busquets, dahinter startete Javier Mascherano anstelle von Marc Bartra sowie Dani Alves statt Martin Montoya. Das bedeutete, dass die beiden Superstars der Katalanen, Lionel Messi und Neymar, zunächst auf der Bank platznahmen und erst in der zweiten Halbzeit am Spiel teilnahmen. An ihrer Stelle starteten Cesc Fabregas und Pedro Rodriguez. Dabei konnte man vor allem erkennen, dass nicht jeder falscher Neuner im gleichen Maße „falsch“ ist.
Atleticos Angriffspressing und Gegenpressing
Die Marschroute für dieses Spiel war wie eingangs erwähnt vorgezeichnet, doch das hieß nicht, dass sich Atletico von Beginn an hinten reinstellte und eine destruktive Spielweise an den Tag legte. Im Gegenteil, die Colchoneros schafften es in der Anfangsphase sogar das Spiel in der gegnerischen Spielfeldhälfte festzusetzen. Der Schlüssel dafür war ein extrem starkes Angriffspressing bzw. Gegenpressing auf in hohen Zonen verlorene Bälle, mit dem sie sogar die üblicherweise äußerst ballsicheren Barca-Kicker zu Fehlern zwangen. Das beeindruckende war, dass sie dabei sehr gut abgestimmt agierten.
Wichtig dafür sind festgelegte Auslöseimpulse, die je nach Situation vom Gegner oder der eigenen Mannschaft kommen. Bei Atletico wird das Pressing etwa dadurch hervorgerufen, dass ein Gegenspieler ungünstig zum Ball steht oder ein schwer zu verarbeitender Pass, ein Wechselpass oder Rückpass zum Torhüter gespielt wird. Andererseits kommen auch von einzelnen Spielern immer wieder Kommandos. Es sind dies vor allem Gabi oder wie in der nachstehende Szene Diego Costa, der einem verlorenen Ball umgehend nachsetzt.
Hier sieht man die Folge dessen, dass der Stürmer attackiert. Die restlichen Mitspieler, die sich weitestgehend in der Rückwärtsbewegung befinden, schließen sich an und orientieren sich ebenfalls nach vorne. Besonders schwer gemacht wird es dem Gegner dadurch, dass die meisten Spieler mehrere Optionen haben, die sie je nach Aktion wählen. Villa kann beispielsweise parallel zu Diego Costa auf den zweiten Innenverteidiger gehen oder wie hier verzögert den defensiven Mittelfeldspieler attackieren.
Busquets kann sich zwar drehen, erfährt allerdings sofort den Druck von Villa und spielt auf Xavi. An diesen orientiert sich, wie man im obigen Bild gut sehen kann, aber bereits sehr früh Gabi. Die Folge ist ein Ballgewinn für Atletico, aus dem fast das 1:0 fällt. Es handelt sich gewissermaßen um eine Pressingfalle, in die Barcelona geraten ist. Atletico eröffnete ihnen zunächst die Möglichkeit in die Mitte zu spielen, zog sich dann aber schnell zusammen.
Atleticos Abwehr- und tiefes Mittelfeldpressing
Ballgewinne im Zentrum sind für Atletico allerdings eher unüblich, denn in aller Regel lenken sie den Gegner auf die Seite, wo dieser leichter zu pressen ist. Noch paradoxer wirkt es, wenn man bedenkt, dass der FC Barcelona in aller Regel ein Übergewicht in der Mitte herstellt und dort den Gegner mit seinem überlegenen Passspiel ausspielt. Aufgrund der kompakten und aufopferungsvollen Spielweise von Atletico war dies in diesem Match jedoch nicht möglich. Auch im tiefen Pressing konnten die Madrilenen das Geschehen weitestgehend vom eigenen Tor fernhalten.
Entscheidend dafür waren wieder ausgeklügelte Pressingfallen, in die man Barca locken konnte. Ein Beispiel für das starke Abwehr- und Mittelfeldpressing ist im obigen Bild zu sehen. Man erkennt den kompakten, tiefen 4-4-2-Block. Das Herausrücken des ballnahen Achters hat zwei entscheidende Effekte. Zum einen wird der Druck auf den Ballführenden erhöht, was im Verbund mit der starken Antizipation des angesprochenen Achters in einem Fehlpass mündet.
Andererseits wird auch Raum in seinem Rücken frei, der zunächst nicht bespielbar ist, da der Achter seinen Deckungsschatten darüber gespannt hat. Erst über eine weitere Anspielstation, die der ballführende Barca-Spieler auch sucht, wäre dies möglich gewesen. Allerdings hätte dies die gleiche Folge wie im ersten Beispiel gehabt, da Atletico, wie hier gut sichtbar, bereits frühzeitig den Raum schließt. So wurde beispielsweise Xavi mehr als dreimal sooft vom Ball getrennt als in den bisherigen Ligaspielen im Schnitt.
Barca mit weniger Zugriff im Spiel gegen Ball
Auch der FC Barcelona spielt in aller Regel ein sehr gutes Pressing und hat maßgeblichen Anteil daran, dass es sich mittlerweile in sämtlichen Ligen verbreitet hat. Bei ihnen findet aber aufgrund der hohen Ballbesitzzeiten in aller Regel das Gegenpressing häufiger Anwendung. Auch in diesem Spiel sah man das, allerdings nicht so sauber wie es bei Atletico der Fall war. Ein wichtiger Grund dafür war, dass sich die Viererkette zuweilen äußerst tief positionierte und Atletico dadurch etwaige Lücken hinter der ersten Pressingreihe bespielen konnte.
Ein Beispiel dafür sieht man hier. Barca attackiert zwar mit fünf Spieler hoch, allerdings fehlt diesen die Rückendeckung und Atletico kann sich mit einem einfachen Pass auf die Seite zum Rechtsverteidiger, der sich aus dem Deckungsschatten von Anders Iniesta herausbewegt, befreien. Das mag zunächst nach einem schwerwiegenden Fehler klingen, war aber aufgrund der Ausrichtung der Gastgeber eine nachvollziehbare und rückblickend eine erfolgreiche Strategie.
Mit Diego Costa und Villa verfügt Atletico über zwei starke Konterstürmer, die bei Steilpässen hinter die Abwehr kaum zu halten sind. Barcas Viererkette stand im Allgemeinen tiefer, wodurch solche Pässe nicht möglich waren. Da Diego Costa in erster auf die rechte Seite auswich, blieb Barcas Linksverteidiger ebenfalls tiefer als sonst üblich. Den Rest erledigte das enorm sichere zentrale Defensivtrio mit den beiden Innenverteidigern und Busquets, die jeweils auf sechs Balleroberungen kamen.
Die Auswirkungen von Messis Einwechslung
Die zweite Halbzeit zeichnete sich in erster Linie durch eine noch höhere physische Komponente aus und bot aus taktischer Sicht nur eine markante Änderung: die Hereinnahme von Messi. Wie eingangs erwähnt lief zunächst Fabregas als nomineller Mittelstürmer auf, wobei klar war, dass er sich in erster Linie nicht im Angriffszentrum aufhalten würde. Fabregas wich in vor allem in die Halbräume aus um dort eine Anspielstationen für die im Allgemeinen in Gleichzahl stehenden Außenspieler und Achter zu sein.
Mit diesen Ausweichbewegungen hielt Fabregas die Kombinationen seines Teams zwar im Fluss, allerdings fehlte die entsprechende Tiefe. Üblicherweise sprinten die Achter, insbesondere Iniesta, dorthin; aufgrund des kompakten Zentrums von Atletico waren aber die Passwege zu. Mit der Einwechslung von Messi änderte sich dies. Der Argentinier spielte, wie man der obigen Grafik entnehmen kann, mehr auf der Zentralachse und zog mit Dribblings oder über Doppelpässe selbst zum Tor.
Ein weiteres bereicherndes Element, das Messi mitbrachte, war seine herausragende Pressingresistenz. Er wurde vermehrt als Nadelspieler eingesetzt, was seinen Mitspielern mehr Platz gab, da sich Atletico naturgemäß stärker auf ihn konzentrierte. Dank seiner Ballsicherheit konnte er sich aus derartig engen Situationen immer wieder gut lösen und Tempo ins Spiel bringen. Die Einwechslung des zweiten Barca-Superstars, Neymar, beantwortete Simone mit der Einwechslung von Raul Garcia, einem zentralen Mittelfeldspieler, der für Villa kam. In Folge dessen bekam Barca noch weniger Raum, was die Intensität noch ein bisschen steigerte.
Alexander Semeliker, abseits.at
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Alexander Semeliker
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