Benedikt Pliquett wechselte im Sommer 2015 vom SK Sturm zu Atlético Baleares auf Mallorca. Dritte Liga. 300 statt tausende Zuschauer. Der frühere Publikumsliebling von... Benes Balearen-Business: Im Gespräch mit Benedikt Pliquett

Spanien-Flagge_abseits.atBenedikt Pliquett wechselte im Sommer 2015 vom SK Sturm zu Atlético Baleares auf Mallorca. Dritte Liga. 300 statt tausende Zuschauer. Der frühere Publikumsliebling von Sturm und St. Pauli über seinen „deutsch geführten“ Verein, die erhaltene Bindung zu Sturm und neue Aufgaben – im Immobilien Business.

Es ist später Mittag als abseits.at Benedikt Pliquett nach dem Mittagessen auf Mallorca erreicht. Der Hamburger Ex-Tormann des SK Sturm sitzt mit seinen Teamkollegen von Atlético Baleares nach einem Pokal-Hinspiel zusammen. Vormittag war auslaufen angesagt. „Wir haben 2:2 gespielt. Daheim wollen wir den Aufstieg schaffen. Der Halbfinaleinzug ist jetzt schon der größte Erfolg des Vereins im Cup.“ Es geht natürlich nicht um die große Copa del Rey, sondern nur um die Copa Federación, das K.O.-Vergnügen für die Kleineren. Pliquetts Verein ist Drittligist. Segunda B, Gruppe 3. Trainer ist der deutsche Alt-Internationale Christian Ziege. Der Plan in die Segunda Divison (2.Liga) aufzusteigen: verworfen. „Trotz langer Unbesiegtheit. Wir haben zu oft Remis gespielt. Nächste Saison ist das Ziel wieder der Aufstieg und zumindest die Quali für die Copa Del Rey.“ Dort ginge es für Atlético gegen die Top-Teams des Landes. Mit seiner eigenen Performance ist Pliquett zufrieden. „Ich hab so viele Spiele in einem Jahr gemacht wie noch nie. Du musst hier stets deine Leistung bringen. Der Trainer hat die Tendenz schnell mal zu wechseln. Das ist gut, so hält er die Konzentration von uns hoch.“

„Deutscher Verein“ auf Mallorca

Atlético Baleares. Ein Kleinverein auf Mallorca, Lieblingsurlaubsinsel tausender Mitteleuropäer. „Platzhirsch“ RCD Mallorca spielt aktuell zweitklassig. Atlético sei so etwas wie das St. Pauli der Insel, meint Pliquett. Die Fanszene ist, blumig formuliert, überschaubar und orientiert sich zahlenmäßig eher am Hamburger Stadtteil Klub Altona 93. Trotzdem, oder gerade deswegen, zeichnet die Fans der Blau-Weißen ihr großer Stolz auf das Team aus. „Und die Treue. 300 sind immer da, und wenn wir mit dem Bus zu Auswärtsspielen reisen verabschieden sie uns mit Bengalen.“ St. Paulis Fanszene ist Vorbild für die Mallorciner, sagt Pliquett. „Nicht nur was den bunten Support angeht. Du siehst hier auch immer wieder Leute mit Totenkopf-Shirt rumlaufen, außerdem setzen sie Aktionen zur Flüchtlingsunterstützung, gegen Rassismus und machen und Sozialarbeit.“ Ein Umfeld wie gemacht für Pliquett, den sie bei Hamburgs Kultklub noch immer verehren. Auch die Vereinsstrukturen lockten ihn letzten Sommer aus Graz nach Mallorca. „Gehälter werden pünktlichst gezahlt, die Vorstandsstrukturen sind wie bei deutschen Erstligisten genau aufgeteilt.“ Atlético ist wird nach deutschen Prinzip geführt, wenn man so will. Ingo Volckmann, der Berliner Unternehmer und Club-Besitzer, hat sieben Hotels auf der Insel. Vor zwei Jahren rettete er den Verein vor dem finanziellen Ruin. „Er will was aufbauen. Unser altes Stadion war baufällig und bis unser neues steht hat er quasi als Zwischenlösung ein anderes bauen lassen, mit 1500 Plätzen und Kunstrasen. “ Demnächst wird der Club die Zwischenlösung verlassen und ins neue Heim ziehen. Ein Campus mit fünf Plätzen und Einrichtungen für andere Sportarten ist im Entstehen. „Alles auf Nachhaltigkeit ausgelegt.“

Graz im Herzen

Nachhaltig hat auch seine Zeit beim SK Sturm auf Pliquett gewirkt. „Es war meine erste Station außerhalb Deutschlands. Und auch wenn‘s lustig klingt: Ich hab in der Steiermark eine sehr spannende Kultur kennengelernt.“ Neben Dialekt-Ausdrücken („geimma, geimma!“) hat „Bene“, der in Graz unter anderem durch „Stangenschleck“-Aktionen zum Fan-Liebling wurde (aber auch aufgrund mancher „Steirer-Türln“ Kritiker hatte), auch Freundschaften geknüpft die nach wie vor gepflegt werden. „Ich telefonier‘ oft mit Martin Ehrenreich, Andi Gruber oder Michi Madl. Dass dieser in Fulham so eingeschlagen hat, freut mich total. Guter Junge.“ Hat Sturm einen ähnlich großen Platz in seinem Herzen wie St. Pauli? „Sagen wir so: Einen anderen. Wegen der Mannschaft und dem bodenständigen Umfeld. Aber eben anders. War ja nicht alles toll da.“ Pliquett verließ Graz bekanntlich im Unfrieden mit Trainer Franco Foda. Den aktuellen Konflikt zwischen Übungsleiter, Vorstand und Fanszene beobachtet Pliquett ebenso aus der Distanz wie die Ergebnisse der Grazer, denen er nach wie vor über Facebook nach Siegen gratuliert.

Keeper als Makler

Das Leben auf Mallorca genießt „Bene“. Sportlich taugt‘s ihm und privat „kann mein Wohlbefinden jeder verstehen der hier mal länger war als bloß zwei Wochen auf Urlaub. Du kannst hier den ganzen Winter über im Shirt rumlaufen, es scheint fast immer die Sonne.“ Für einen Hamburger nicht selbstverständlich. „Mallorca ist wunderschön, sicher und so vielseitig.“ Das Kübelsaufen-Ballermann-Image lege die Insel ab. „Das ist total im Sinken. Diejenigen die sich klischeehaft aufführen werden weniger, die Ordnung wird strenger kontrolliert. Ich kann verstehen dass Sauf-Figuren vor allem den auf der Insel Geborenen ein Dorn im Auge sind.“

„Eingeborener“ ist Pliquett zwar keiner, hier langfristig sesshaft werden, kann er sich trotzdem vorstellen. Und so sorgt er vor. Der Tormann ist kürzlich ins Immobilien-Geschäft eingestiegen. „Ein Freund hat hier zwei Investment-Projekte am Laufen bei denen ich mich um die Instandhaltung gekümmert hab wenn er unterwegs ist. Über Branchen-Kontakte hab ich dann ’nen Fuß in die Tür bekommen und kann bei Projekten der Firma ‚Only Exclusive Mallorca‘ mitarbeiten. Immobilien sind auf Mallorca immer gefragt, vor allem bei Leuten vom Festland. Ich kann mir schnell ein Netzwerk aufbauen und die Arbeit macht Spaß.“ Außerdem: Pliquett kann sich und seine Familie finanziell absichern für die Zeit nach der Karriere. Daran denkt er jetzt noch nicht. „ich will noch ein, zwei Jahre Profi bleiben.“ Würde er für ein Angebot aus Europa die Sonneninsel und Atletico Baleares verlassen? „Das kannst du nie wissen. Generell sagen ’nee, ich bleib jetzt hier, egal was is‘ ‚ werde ich nicht.“ Pliquett will weiter Gas geben. Beim Ex-Verein würden sie sagen: Geimma, geimma.

Philipp Braunegger, abseits.at

Philipp Braunegger

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