Der FC Barcelona vor dem Copa-Clasicó: Können sie noch einmal zurückschlagen?
Spanien 16.April.2014 Lennart Kühl 1
Heute Abend steigt im Estadio Mestalla zu Valencia Spaniens erstes großes Entscheidungsspiel um einen Titel. Es ist das Finale der Copa del Rey, also des spanischen Pokalwettbewerbs. Im Endspiel duellieren sich zwei Teams, die in den letzten Jahren häufig das Vergnügen hatten, sich in verschiedensten Wettbewerben entscheidende Partien um den Titel zu liefern. Ein neuerlicher El Clasicó steht an; dabei ist der letzte noch so präsent, als wäre er erst gestern gespielt worden. 4:3 für die Katalanen hieß es am Ende im wohl packendsten Aufeinandertreffen der letzten Jahre im Santiago Bernabéu. Und doch hat sich seit diesem damaligen Meisterstück der Kurzpassliebhaber für sie einiges geändert.
Der FC Barcelona kommt in das Mestalla ausgehend von letzten Spielen vor der großen Titel-Chance, wie sie schlechter nicht hätten laufen können. Erst schied man nach blutleer scheinendem Auftreten mit 0:1 bei Atlético im Rückspiel des CL-Viertelfinals aus, dann folgte am Wochenende ein Abend zum Vergessen: Mit dem gleichen Ergebnis unterlag man beim Abstiegskandidaten Granada, wollte einfach nicht das Tor treffen und verschenkte letzten Endes möglicherweise schon den noch möglichen Ligatitel.
Katalanische Verletzungsseuche und die Konsequenzen
Als wäre das nicht schon genug, fällt seit Wochen und für den Rest der Saison Stammtorwart Valdés mit einer Knieblessur aus, sein Stellvertreter zeigt sich alles andere als Sattelfest. José Pinto, im Pokal sowieso die Nummer 1, ist fußballerisch teilweise abenteuerlich und auch in puncto Beweglichkeit wie Reaktionsschnelligkeit durchaus verbesserungswürdig auf dem grünen Rasen unterwegs. Auch wenn es dem sehr sympathischen Oldie zu gönnen wäre, wird er höchst wahrscheinlich nicht den Abend der Rot-Blauen retten können, falls das nötig werden sollte.
Davor fällt in der Innenverteidigung Gérard Piqué, nach seinen schwächeren Spielzeiten eigentlich wieder mit aufsteigender Formkurve, mit einer Rückenverletzung seit dem Hinspiel in der Champions League gegen Reals Stadtrivalen aus. In den letzten Jahren versuchten sich in Barcelona viele an der durchaus anspruchsvollen Position im Ballbesitzfußball der Blaugrana. Neben dem soliden Mascherano wird man wohl ebenso wenig Carles Puyol, in die Jahre gekommen und in dieser Spielzeit kaum mit Praxis, wie Alex Song, letzte Saison mäßige Aushilfe als die Personaldecke noch dünner war, sehen. Der Kameruner erscheint generell zwar rein physisch dem Spiel neue Stabilität zu geben, allerdings was Beweglichkeit und Schnelligkeit (noch mehr gedanklich als in den Beinen) angeht den Anforderungen kaum gewachsen. Womit noch ein Grund weniger vorhanden wäre, den so hervorragenden defensiven Mittelfeldmann Busquets eine Position nach hinten rutschen zu lassen. Es wird wohl, wie schon in den Duellen mit den Rojiblancos, auf Talent Marc Bartra als Besetzung des freien Postens hinauslaufen.
Marc Wer? Ein willkommener Schwachpunkt in der Elf der Superstars?
Jener Marc Bartra hat sich in Abwesenheit des mehr oder minder dauerhaft verletzten Puyol zum dritten Innenverteidiger gemausert. Der U21-Europameister ist seit seiner Jugend ein Barça-Spieler und lehnte gar 2010 eine verlockende Offerte des heutigen Gegners ab. Auf den ersten Blick erscheint er eine sehr moderne, athletische Ausgabe eines La-Masia-Verteidigers zu sein; durchaus mit viel Zug nach vorn und einem sehr soliden bis guten Spielaufbau. Im Hinspiel vor zwei Wochen gegen Atlético wusste er besonders in der Phase zu gefallen, als die Madrilenen sich nach ihrem Tor hinten fast einigelten und auf, wie sich zeigen sollte, aussichtslose Gegenstöße verließen. Die Blaugrana konnten, auch dank Bartras im Vergleich zu Piqué größerer Dynamik, sehr hoch agieren und, fast schon vergessen geglaubtes, aggressives Angriffspressing aufziehen. Immer wieder konnten die vergleichsweise sehr schnellen Mascherano und Bartra gut antizipieren und Konter mithilfe ihrer Kollegen im Keim ersticken.
Doch im Rückspiel zeigte sich, dass nicht der Tag vor dem Abend gelobt werden sollte. Die junge, schlaksige Nummer 15 sah besonders in der Anfangsphase des erneuten Aufeinandertreffens sehr schlecht aus. Die Colchoneros setzten im Rückspiel die Defensive sowie den ganzen Verbund der Katalanen unter gehörigen Druck, drängten sie nun, durchaus überraschend forsch, in die Defensive. In direkten, teils körperlichen Duellen mit dem abgebrühten und an diesem Tag extrem starken David Villa sah Bartra kein Land. Immer wieder zeigte sich vor allem der Körper des Verteidigers als zu schwach und unausgereift, als dass er dem, selbst nicht gerade sonderlich muskelbepackten, Routinier hätte standhalten können. Nun bietet Real Madrid in seiner Offensive nicht gerade körperlich untrainierte Kost für die Blau-Rote Defensive an, eher ziemlich genau das Gegenteil davon. Ronaldo, falls er, was nicht zu erwarten ist, spielen kann, und Bale gehören beide physisch wohl zu den stärksten Angreifern Europas, Benzema ist zudem sehr bullig und enorm schwer greifbar.
Interessant ist noch, dass Martino in Duellen mit Real immer die Positionen der beiden zentralen Verteidiger tauschte, der sonst von halbrechts aufbauende Piqué sollte nicht, wie noch unter Guardiola oder Vilanova, direkt auf den schnellen Ronaldo treffen. Bei Einberufung Bartras in die Startelf könnte sich in diesem Falle eine große körperliche Unausgewogenheit mit Reals französischem Mittelstürmer ergeben, welches sein Trainer zu verhindern versuchen sollte.
Die Offensive – Aléxis oder Fàbregas?
Allgemein wird das Duell mit den Madrilenen natürlich ein sehr hartes Stück Arbeit werden, insbesondere weil die Offensive, welche vor Wochen noch so stark war, zuletzt sehr schwächelte. In den wichtigen Duellen mit Atlético ließ Martino zweimal die Elf des letzten Clasicós auflaufen, behielt beide Male seinen Lieblingschilenen Sánchez zugunsten des in den beiden Duellen jeweils eher schwächelnden Fàbregas auf der Bank. Im Hinspiel spielte man dann nach dem Wechsel der beiden hervorragend, im Rückspiel mochte 90 Minuten lang nichts funktionieren. Auch weil Lionel Messi im Rückspiel weniger als ein Schatten seiner selbst war. Der Argentinier lief kaum mehr als Torwart Pinto und blieb auch im Ligaspiel des Wochenendes farblos. Immer wieder zeigt er sich in dieser Spielzeit extrem genervt von tiefstehenden Gegnern, die ihn mit allen verfügbaren Männern in die Zange nehmen wollen.
Der beste Klub der Welt – ein willkommener Gegner?
Nun wird der Gegner aber, man mag fast endlich sagen, nicht tief positioniert sein. Real Madrid wird wie immer mit großem Selbstverständnis und vergleichsweise hoher Abwehrlinie in die Partie gehen, Anderes ist von den Königlichen kaum zu erwarten. Auch wird Messi unabhängig davon über mehr Raum verfügen als gewohnt. Reals im Aufbau sehr kreativ und auch teilweise sehr breit angelegte Mittelfeldreihe lässt den wenig wendigen Alonso als einzigen Sechser mit den beiden Innenverteidigern als Absicherung zurück: Keine schlechte Ausgangslage also für Messi bei schnellen Gegenstößen und auch generell bei Angriffen – Alonso war schon immer mehr ein Mann für die Doppelsechs und ist oft nicht imstande, so viel Raum abzudecken wie es nötig wäre. Auch scheint hier Martinos Standardaufstellung wieder eine gute Wahl zu sein. An Cesc sind nicht derart technisch hohe Anforderungen gestellt wie es bei Atléticos engmaschigen und tiefstehenden Ketten der Fall war, er dürfte besser ins Spiel kommen. Auch Neymar gefiel auf Sánchez‘ rechtem Flügel vor Wochen gegen Real mehr als gut.
Abschließend gesagt verfügt der FC Barcelona, wen wundert es, über eine immer noch hervorragende Mannschaft, die heute Abend den Pokal mit nach Hause nehmen könnte. Durch aufgrund des Verletzungspechs müssen sie in der Defensive gehörig aufpassen, nicht eingeschnürt zu werden. Frei nach dem Motto, selbst ist der Katalane, müssen sie den aggressiven Weg nach vorne suchen und attackieren solange es nötig ist. Ein Spektakel wird das Spiel vermutlich sowieso, beide Defensiven weisen einfach großes Fehlerpotenzial auf.
Lennart Kühl, www.abseits.at
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Lennart Kühl
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