Logischerweise ruft die schlechte Saison des FC Barcelona viele Kritiker hervor. Diese beziehen sich allerdings nicht nur auf sportliche Dinge, sondern es wird auch immer mehr gegen den Vorstand rund um Präsident Sandro Rosell geschossen. Dabei steht vor allem der Begriff „Més que un club“ im Vordergrund, der den Culés mehr bedeutet, als jeder sportliche Erfolg.
Schuldenabbau im Kontrast zu Transfers und zukünftigen Plänen
Barca-Präsident Rosell wird derzeit aus allen erdenklichen Richtung kritisiert, in einem sind sich jedoch alle einig: Rosell tut dem Verein in puncto Finanzen gut. Der 49-Jährige Spanier steht wie kaum ein anderer für den konstanten Schuldenabbau und das Sparprogramm, das in den letzten Jahren immer mehr durchgesetzt wurde. Er holte zum ersten Mal in der Geschichte des FC Barcelona einen Trikotsponsor ins Boot und verbannte sogar die Farbtinten aus den Barcelona-Büros – zu teuer, so die Aussage Rosells.
Dies steht allerdings im krassen Gegensatz zu den Investitionen in der ersten Mannschaft. Ohnehin ist Barcelona eine der Top-5 Mannschaften, wenn es um die Spielergehälter geht, von Ablösesummen ganz zu schweigen, unvergessen bleiben die 70 Millionen für den Schweden Zlatan Ibrahimovic oder die überdimensionierten 25 Millionen, die man für den ukrainischen Abwehrflop Dmytro Chygrynskiy auf den Tisch legte und dies sind bei weitem nicht die einzigen Beispiele. Für Furore sorgte nun der Transfer von Neymar in dieser Sommerpause. Der Brasilianer kam vom FC Santos und kostete, wie man später verriet, fast 60 Millionen. Eine Summe, die für viele Barcelona-Fans unerklärlich ist, predigte Rosell doch in den Jahren zuvor immer wieder, unbedingt Geld sparen zu wollen.
Dabei zieht Barcelona im Vergleich zu anderen europäischen Topklubs in Punkten wie Schuldenabbau und Profit in den letzten Jahren den Kürzeren. Während Real Madrid in der Saison 2011 einen vorsteuerlichen Gewinn von 46 Millionen machte, musste Barcelona einen Verlust von 12 Millionen hinnehmen. Erfolg kostet bei Barcelona Geld, viel Geld. Der Sieg im Champions League Finale 2011 wurde trotz der 9 Millionen Siegerprämie zum Verlustgeschäft für Barcelona, da die Prämien für Spieler und Funktionäre exponentiell anstiegen.
Barcelona erhöhte zuletzt die Eintrittspreise für das Stadion, die Preise für eine Führung im heimischen Museum belaufen sich auf rund 25€. Dazu wurden die Trikotpreise noch deutlich von 70€ auf 85€ angehoben, wer das T-Shirt mit Namen und Nummer kaufen möchte, zahlt derzeit 100€. Dies widerspricht in den Augen vieler Fans dem Prinzip des FC Barcelona: Jeder soll ein Teil des großen Ganzen sein, jeder soll die Möglichkeit haben, dazu zu gehören.
Qatar Airways als neuer Trikotsponsor
Die Erhöhung der Preise steht im Gegensatz zur vielleicht am meist kritisiertesten Entwicklung der Amtszeit Rosell: Barcelona trägt das erste Mal seit Bestehen des Clubs und damit seit 1899 einen kommerziellen Sponsor auf der Brust. Bisher zierte UNICEF das Trikot der Katalanen, in der Saison war es noch die Qatar Foundation. Der Präsident rechtfertige seine Entscheidung zur besagten Foundation damit, dass sie dem Clubmotto entspreche. Nun soll allerdings Qatar Airways auf der Brust prangen – was von den Verantwortlichen als völlig normal gesehen wird, wird von Fans strikt abgelehnt. Man fühlt sich, als wäre der wahre Sponsor langsam und unauffällig auf das Trikot gemogelt worden.
Dass die Qatar Foundation damals 30 Millionen pro Jahr versprach und Barcelona damit den höchst dotiertesten Werbevertrag aller europäischen Vereine abschloss, interessiert dabei kaum jemanden. Die Stimmung ist auch nach einem Jahr unverändert und droht sich jetzt aufgrund der Änderung zu Qatar Airways noch zu verschlimmern. Diese Entscheidung könnte Rosell demnächst zum Verhängnis werden, immerhin deutete Konkurrent und Ex-Präsident (2003-2010) Laporta bereits an, den Trikotsponsor im Falle einer gelungenen Wahl 2016 wieder zu verbannen.
Der Fall Abidal
Weit abseits der Finanzen steht der Fall des Eric Abidal. Kaum ein Spieler war so beliebt wie „King Eric“ bei der Blaugrana. Der Franzose hatte erst zweimal den Krebs besiegt und war zweimal sehr emotional wieder im Camp Nou begrüßt worden. Rosell stellte ihn im Falle einer schnellen Gesundung einen neuen Vertrag in Aussicht, die Spieler und der Trainer waren begeistert, als Abidal sein Comeback gab, nachdem er zuvor mit Fitnesstrainer Ricart in den Pyrenäen trainiert hatte.
Doch vor wenigen Tagen folgte die vielleicht größte Enttäuschung der Saison: Der auslaufende Vertrag von Abidal wird nicht verlängert. Trotz einer gut vorangehenden Genesung und einiger vielversprechender Kurzauftritte im Trikot der Katalanen entschied sich der Vorstand gegen eine Verlängerung und verabschiedete Abidal. Zwar bot man ihm eine Stelle als Funktionär an, die dieser allerdings dankend ablehnte. Abidal selbst hielt sich selbst lange zu den Umständen bedeckt, äußerte sich aber erst kürzlich: „Ich verstehe nicht, warum sie das getan haben. Ich habe für sie gekämpft, ich befinde mich in guter Verfassung. Die Ärzte waren überrascht über meine Fortschritte. Ich fühle mich besser als vor zwei Jahren. Es wurde kein Grund genannt.“ Es war nicht das erste Mal, dass ein angesehener Spieler in Barcelona mehr oder weniger durch die Hintertür verabschiedet wurde, doch gerade bei Abidal hat sich die Mehrheit der Fans ein anderes Vorgehen gewünscht.
Ähnlich wie auch bei Abidal wurde der Vertrag von Physiotherapeut Ricart nicht verlängert. Dieser war einer der beliebtesten Männer im Ärzteteam gewesen und bereits seit einigen Jahren im Verein. Dennoch wurde er, genauso wie Abidal, unrühmlich verabschiedet. Gründe wurden in beiden Fällen nicht genannt.
Die BoixosNois
Die BoixosNois sind eine seit 1981 bestehende Ultragruppe des FC Barcelona, die sich allerdings in der Vergangenheit zu einer rechtsradikalen Gruppe von Skinheads entwickelt hat, welche bereits des Öfteren in kriminelle Fälle verwickelt war. Zwar zählten sie nach ihrer Gründung zu den loyalsten Unterstützern des FC Barcelona, wurden allerdings mit der Zeit von Rechtsradikalen unterwandert und fielen besonders 1985 negativ auf, als sie nach dem Unglück von Liverpool die katalanische Fahne im Camp Nou durch ein Hakenkreuz ersetzten. Auch nach ersten Bestrafungen der Gruppe durch den damaligen Präsidenten Nuñez besserte sich die Situation nicht – im Gegenteil. Mitglieder der BoixosNois waren in zwei Morde an gegnerischen Fans im Jahr 1991 verwickelt. 2002 sorgten die Gruppe erneut für Schlagzeilen, als sie den zu Madrid abgewanderten Luis Figo mit einem Schweinekopf bewarfen, 2003 machten sie während der Präsidentschaftswahlen des FC Barcelona mit rassistischen Gesängen gegenüber Juden auf sich aufmerksam, was den neugewählten Joan Laporta dazu veranlasste ein endgültiges Stadionverbot auszusprechen. Ein Jahr später wurde dieser von zwei Mitgliedern der BoixosNois vor seiner Haustür attackiert und später mit Morddrohungen bedeckt.
Trotz des bestehenden Stadionverbots wurde in der Saison 2012/13 immer wieder Mitglieder der Gruppe im Camp Nou gesichtet, Rosell bestritt deren Anwesenheit zwar eine lange Zeit, musste später allerdings einräumen, davon gewusst zu haben und bezeichnete die BoixosNois sogar als „bonagent“ also „gute Leute“. Eine Handlung, die extrem an seinem Image kratzte und vieles in Frage stellte.
Die Jugendarbeit
Nach dem letzten Spieltag der Liga Adelante (zweite spanische Spielklasse, Anm.) am 8.Juli musste der FC Barcelona ein trauriges Fazit unter das Jahr seiner B-Mannschaft ziehen. Unter Trainer Eusebio konnte die Mannschaft nicht an das gewohnte Bild der letzten Jahre anknüpfen, als noch Luis Enrique oder Pep Guardiola Trainer der zweiten Mannschaft Barcelonas waren. Die Mannschaft musste sich vieles erkämpfen und konnte ihre spielerische Überlegenheit nicht mehr wie gewohnt ausspielen und dies, ohne einen Spieler im Laufe der Saison an die erste Mannschaft zu verlieren. Ganz im Gegenteil kamen sogar Sergi Roberto und Marc Muniesa wieder zurück in die zweite Liga, da sie bei den Profis keine Einsatzzeiten erhielten. Dennoch blieb Barcelona letztendlich sogar hinter der erst kürzlich aufgestiegenen Castilla des Erzrivalen aus Madrid zurück. Überhaupt konnte Tito Vilanova die gewohnt gute Jugendarbeit des FC Barcelona in der letzten Spielzeit nicht fortsetzten.
Entscheidende Personalien, die den Fans sauer aufstoßen, sind dabei Marc Bartra, Luis Alberto, Thiago Alcantara und Martin Montoya. Marc Bartra kam über den ganzen Verlauf der Saison nur auf wenige Einsätze und musste schließlich gegen die Bayern zweimal ins kalte Wasser hüpfen. Eine Vorgehensweise die sich in einer 0:7-Klatsche nach Hin –und Rückspiel rächte. Doch auch in den eher unwichtigen Spielen gegen Ende der Saison bekam Bartra kaum eine Chance. Untypisch für Barcelona. Thiago, seines Zeichens eines der größten Talente aus Europa, wurde zwar deutlich öfter aufgestellt, als Bartra, kam dennoch nicht auf viele Einsätze über die volle Spielzeit, womit Barcelona es verpasste, den Vertrag des U21-Kapitäns automatisch zu verlängern und seine Ausstiegsklausel damit deutlich zu erhöhen. Die Konsequenz: Die europäischen Top-Klubs stehen Schlange für einen Transfers des Spaniers. Sein Vater soll bereits erste Gespräche mit Real Madrid und Manchester United führen, schließlich könnte Thiago sprichwörtlich für ein Trinkgeld den Verein verlassen. Gänzlich abgeneigt scheint dieser nicht zu sein, schließlich äußerte sein ärgster Konkurrent um einen Stammplatz Xavi erst, dass er noch viele Jahre bei Barcelona spielen wolle und sich zu 100% fit fühle. Ein harter Schlag für Thiago, der sich nach den zuletzt eher schwächeren Auftritten der Barca-Ikone einige Stammelfeinsätze erhofft hatte.
Ähnlich geht es Martin Montoya. Dieser zeigte in den Spielen, in denen er ran durfte meist eine ausgezeichnete Leistung. Allerdings wurde ihm immer öfter Dani Alves vorgezogen, der laut Meinung vieler Fans seinen Zenit überschritten hat und langsam aber sicher durch Montoya ersetzt werden sollte. Dennoch hielt Tito Vilanova stur an seiner Aufstellung fest und das große Rechtsverteidigertalent durfte erst im letzten Spiel der Saison über die volle Dauer ran. Typisch für Montoya, dass er auch in diesem Spiel sehr gut spielte und sogar ein Tor erzielte. Dennoch wird sich der U21-Spieler während seines Aufenthalts bei der U21-EM in Israel sicher Gedanken um seine Zukunft und seine Rolle im Kader machen.
Ein ganz anderes Problem gibt es bei Luis Alberto. Der spanische Stürmer spielte in der zweiten Liga eine sehr gute Saison und war einer der Erfolgsgaranten im B-Team der Katalanen. Trotzdem ließ Barcelona die Chance auf eine feste Verpflichtung verstreichen, obwohl man eine Kaufoption hatte. Nun kehrt einer der besten Spieler der letzten Spielzeit zu Sevilla zurück oder wechselt sogar gleich weiter zu Liverpool.
Ben Pedro, abseits.at
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