Die Ursachen der Formkrise bei Real Madrid
Spanien 12.März.2015 Rene Maric 2
Im Herbst und Winter 2014 galten die Madrilenen als die klar beste Mannschaft der Welt. Sie lagen auf Platz 1 in der Liga, hatten durch den Titel in der Champions League vom Sommer ohnehin den Status als aktuell stärkstem Team und die Neuzugänge schlugen ein. Bis Anfang Januar feierten sie eine beeindruckende Siegesserie von 22 Siegen in Folge, bevor sie gegen Valencias 3-1-4-2 verloren. Nur ein Ausrutscher schien es zu Beginn, doch aktuell hat Real nur zwei der letzten fünf Spiele in der Liga gewonnen. Aktuell liegen sie in der Liga hinter dem FC Barcelona und es wird Kritik an Trainer und Mannschaft laut. Doch wo liegen die Ursachen für diese Schwäche?
Verletzungen sorgen für Systemeinbruch und Balanceverlust
Trotz anfänglicher Schwierigkeiten und immer wieder vorkommenden Chancen für den Gegner funktionierte das System lange Zeit herausragend. James Rodriguez und Isco unterstützten als eher zurückhaltende, tiefere Flügelstürmer die beiden Sechser Modric und Kroos, welche offensiv wie defensiv über eine herausragende Entscheidungsfindung verfügen. Dadurch konnte trotz der sehr offensiven Ausrichtung und dem Mangel an Defensivarbeit Cristiano Ronaldos im 4-4-2 eine relativ hohe Stabilität und eine extreme Präsenz im Angriffsspiel erzeugt werden.
Mit Modrics Verletzung rückte Isco hier verstärkt in den Fokus. Sowohl James als auch Isco liefen nun gleichzeitig mit Kroos und einem anderen Sechser (Illarramendi oder Khedira) oder sogar mit Isco als zweitem Sechser neben Kroos und der Flügelzange James-Bale auf. Bereits hier fingen einzelne Probleme an, doch James‘ Defensivarbeit, der enorme Ballbesitz durch die Spielstärke Iscos und Kroos‘, sowie schlichtweg etwas Glück und eine starke Leistung der Abwehrreihe (insbesondere der Innenverteidiger) bewahrte Real vor Niederlagen. James übernahm in gewisser Weise die Rolle von Isco bzw. von Di Maria aus der letzten Saison als Balancegeber, Isco spielte stattdessen als Modric-Ersatz.
In den letzten Partien fehlte aber James; mit einem anderen Sechser, Isco auf dem Flügel und Bale mit Ronaldo fehlte es etwas an Balance, die James als Balancegeber und die massive Spielstärke der Offensivspieler gaben. Khedira und Illarramendi verändern das System, wodurch die Bewegungen und Kombinationen nicht klappen. Sie sind ein gutes Beispiel, dass defensivorientiertere und defensivstärkere Einzelspieler nicht unbedingt ein System defensivorientierter und defensivstärker machen. Deswegen wurde auch Lucas Silva geholt, welcher sich aber erst akklimatisieren muss und auch etwas anders ist als Modric und Isco.
Darum variierte Ancelotti auch vermehrt zwischen 4-4-2 und 4-3-3, sowohl in der Arbeit gegen den Ball als auch im Spiel mit dem Ball. Doch auch hier gab es Probleme; mal waren die Räume in der Mitte nicht gut besetzt, mal waren die Flügel weit offen und es fehlte an horizontaler Kompaktheit. Desweiteren leidet Real auch darunter, dass die zwei großen Namen der Mannschaft aktuell schwach spielen.
Formschwäche der Superstars
In vier seiner letzten acht Spiele blieb Cristiano Ronaldo ohne Schuss aufs Tor. Das ist eine Rarität, da Cristiano Ronaldo in den letzten Jahren im Schnitt die mit Abstand meisten Schüsse pro Spiel in ganz Europa hatte. Sowohl der portugiesische Superstar als auch Bale, der ebenfalls eine Weltrekordablöse kostete, wirken aktuell weit weg von ihrer Bestform. Beide können ihre Athletik nicht ordentlich ausspielen und sind dadurch in ihren Möglichkeiten eingeschränkt.
Hierbei stellt sich allerdings die Frage, ob persönliche oder strukturelle Gründe vorliegen. Sind die Spieler einfach außer Form wegen mangelnder Ernährung, psychologischen Problemen, den Nachwehen einer früheren Verletzung (Bale) oder dem Alter (Cristiano)? Oder können sie ihre Stärken nicht mehr einbringen, eben weil durch die Veränderung des Systems, eines womöglich unpassenden Trainings sowie die Anpassung der Gegner an ihre Spielweise dafür sorgt, dass sie nicht mehr in Form sein können?
Diese Frage ist natürlich nur subjektiv zu beantworten. Es wirkt weitestgehend so, als ob die nahezu perfekte Einbindung Cristiano Ronaldos im Herbst eben durch das System und die Mitspieler erzeugt wurde, was aktuell nicht der Fall ist. Cristianos Läufe gehen darum oftmals ins Leere. Allerdings hatte Cristiano auch in den letzten Jahren häufiger Formkrisen ab dem späten Dezember bis in den März hinein, woraufhin er danach wieder in optimale Fitness kam und seine Leistungen sich besserten. Es bleibt also abzuwarten.
Bei Bale scheinen es die Nachwehen seiner früheren Verletzung und ebenfalls strukturelle Probleme zu sein; inwiefern letzteres zu lösen ist, bleibt abzuwarten. Doch es könnte schneller gehen, als man glaubt.
Rückkehrer geben Hoffnung
Modric stieg bereits ins Mannschaftstraining ein und könnte sich in den nächsten Wochen zurückmelden. Zwar sollte es auch ohne ihn gegen Levante am nächsten Spieltag klappen, doch in der folgenden Woche wartet Barcelona im Camp Nou zum womöglich entscheidenden Spiel im Kampf um die Meisterschaft. Spätestens hier wäre Modric enorm wichtig, um mit seiner enormen Spielintelligenz und Pressingresistenz für Stabilität zu sorgen. Aktuell wirkt sich insbesondere die mangelnde Präsenz im Zehnerraum fatal aus, da es Real an den Verbindungen mangelt. Modrics starken Pässe und seine gelegentlichen Vorstöße füllen dieses Loch.
Mit Modric könnte Isco wieder auf den Flügel gehen, dort den einrückenden Spielgestalter geben und für Balance sorgen, während Bale gegen den Ball in einem 4-4-2 den rechten Flügelstürmer gibt und bei eigenem Ballbesitz weit nach vorne schiebt; das ist nämlich jenes System, welches in der erfolgreichen Phase im Herbst genutzt wurde.
Desweiteren kehrt Anfang April James zurück; sollten Bale als Einzelspieler und Real als Team bis dahin weiter die gleichen Probleme aufweisen, ist ein 4-4-2 mit Isco und James als Flügelpärchen denkbar. Jedoch stellt sich die Frage, ob James und Modric rechtzeitig wieder in Form kommen können. Nach ihren längeren Verletzungen bleibt abzuwarten, ob sie nahtlos an ihre Leistungen vor der Verletzung anknüpfen können.
René Maric, www.abseits.at
Rene Maric
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