Die Gerüchte um einen Wechsel von Luis Enrique auf die Trainerbank des FC Barcelona nehmen zu. Tata Martino hat auf Pressekonferenzen schon indirekt seinen Abgang angekündigt, während sich Sportdirektor Zubizarreta bereits mit Enrique getroffen hat. Dieser ist eigentlich nur die logische Folge, wenn man sich sein Profil ansieht: Erfahrung als Profitrainer, ehemaliger Trainer bei Barcelona B, früherer Star bei den Katalanen und eigentlich seit Guardiolas Abgang immer wieder im Gespräch als möglicher neuer Trainer. Aber welche Ideen und welche Geschichte stehen hinter diesem fast optimal wirkenden Profil?
In diesem zweiteiligen Porträt stellen wir Luis Enrique zuerst als Spieler und dann als Trainer vor.
Luis Enrique, der Trainer
Die nun schon im dritten Jahr vorgekommenen Gerüchte um Luis Enrique als neuem Trainer des FC Barcelona basieren vorrangig auf seiner ersten Trainerstation. Diese war nämlich die zweite Mannschaft des FC Barcelona, die bekanntlich auch Pep Guardiolas erste Trainerstation war. Dabei gelang Luis Enrique durchaus Beeindruckendes. 2007/08 war Guardiola selbst noch Trainer von Barcelona B gewesen und stieg aus der vierten in die dritte Liga auf; 2008/09 übernahm Luis Enrique.
Enrique schaffte es mit dem Aufsteiger direkt auf Platz 5 und verpasste die Aufstiegsplayoffs um nur einen einzigen Punkt. Den Aufstieg schaffte man dann aber in der Folgesaison 2009/10 und befand sich somit sogar in der zweiten Liga. In der Segunda ging der Erfolgslauf überraschend weiter; man beendete die Saison sogar auf dritten Platz und hätte aufsteigen können, wenn dies für B-Mannschaften nicht verboten wäre. Hierbei überzeugten das gute Pressing, die tadellose Umsetzung der Spielphilosophie der ersten Mannschaft und die starke Einbindung einzelner Akteure, insbesondere des aktuellen Red-Bull-Stars Jonathan Soriano, der auf 34 Tore kam.
Dazu führte er Spieler wie Cristian Tello, Marc Bartra, Martin Montoya, Oriol Romeu und Thiago Alcantara ans erste Team heran. Durchschnittsalter des Kaders(!): 20,6 Jahre. Doch 2011 verließ Luis Enrique die Katalanen und versuchte auf höchstem Niveau Fuß zu fassen – was für die Fragezeichen hinter seiner Eignung als Barcelona-Trainer sorgte.
Probleme bei der Roma
2011 wechselte Enrique zur AS Roma und übernahm dort den Trainerposten. Für viele war es damals ein Fingerzeig auf eine mögliche Weiterentwicklung des Hauptstadtklubs zu einem Ballbesitzverein von höchstem Format. Zu Beginn seiner Zeit wirkte es auch so; die grundlegenden Abläufe stimmten, die Neuverpflichtungen wurden eingesetzt und eigentlich mangelte es nur an der Feinabstimmung im Pressing, in der Absicherung und im Spiel im letzten Drittel, um eine klare Verbesserung der Roma herbeizuführen. Doch der letzte Schritt, diese Adjustierung der gruppentaktischen Mechanismen, kam einfach nicht.
Das Zurückfallen der falschen Neun – Totti oder Bojan – war nicht ideal mit den Bewegungen der Flügelstürmer abgestimmt, wo oftmals zwei verkappte Mittelstürmer in Osvaldo und Borini agierten. Auch das Aufrücken der Außenverteidiger war etwas unharmonisch, zu breitflächig und erzeugte nur wenige Synergien. Auch das taktische Mittel des abkippenden Sechsers wurde bisweilen zu unkreativ und linear angewendet.
Hinzu kam eine mangelnde Stammelf. Später sollte Pjanic als falsche Neun agieren, Lamela kam als Flügelstürmer in die Elf, die Außenverteidiger (Rosi, José Angel, Cicinho, Taddei, etc.) wechselten fast durchgehend und ähnlich sah es in der Mittelfeldzentrale aus, wo die Spieler vor dem Sechser De Rossi oftmals gewechselt wurden. Nach nur einer Saison verließ Luis Enrique die Roma und kann diese Station trotz vieler guter Ansätze nicht als Erfolg verbuchen. Anders sieht es bei seiner aktuellen Trainerstation aus.
Luis Enrique bei Celta Vigo
Zwei Spieltage vor Schluss befindet sich Celta Vigo auf Platz 8 und liegt somit nur hinter den sieben finanziell und individuell besser gestellten Mannschaften, während sie mit der anderen Überraschungsmannschaft, Rayo Vallecano, und den valencianischen Teams UD Levante und CF Valencia direkt auf den Folgeplätzen nachkommen.
Celtas Spielweise ist hierbei lobenswert. Sie kommen auf den sechsthöchsten Ballbesitz und können diesen auch gut ausspielen. Zentral gibt es einige Varianten im Aufbauspiel, wobei der Fokus auf individuellen Durchbrüchen auf dem Flügel liegt. Besonders Rafinha, der jüngere Bruder von Thiago Alcantara und Leihgabe von Barcelona, kann überzeugen. Er pendelte je nach Gegner und Rolle zwischen einer zentralen Position und einer Rolle als Außenstürmer.
Allerdings scheint es auch bei Celta Vigo einzelne Probleme in taktischer Hinsicht zu geben, welche bereits bei der Roma erkennbar waren. Der klare Ballbesitzfokus und das gute Pressing sind zwar löblich und auch effektiv, doch gruppentaktisch sind die Abläufe nach wie vor eher orthodox und gleichzeitig etwas instabil. Das Gegenpressing nach Ballverlust ist nur mäßig ausgeprägt und durch das sehr raumgreifende Offensivspiel auch bei gleichbleibenden strategischen Strukturen kaum auszubessern, da die lokalen Kompaktheiten in Ballnähe zu oft abgehen. Und obwohl das Pressing bei gegnerischem Aufbauspiel gut ist, so fehlt es auch hier am passenden leitenden Element und es ist ansatzweise zu breitflächig ausgelegt.
Desweiteren ist er wie bei der Roma noch nicht ideal dabei die Aufgaben der Spieler ideal auf ihre Fähigkeiten zuzuschneiden und diese Rollen wiederum effektiv und synergistisch ins Kollektiv einzubetten. So muss zum Beispiel der eher langsame Innenverteidiger Andreu Fontas zu häufig große Räume abdecken oder in gegnerische Dribblingaktionen oder gar Laufduelle einschreiten.
Diese Probleme mit der adäquaten Anpassung der Taktik an individuelle Begebenheiten könnten allerdings bei höherer individueller Qualität und bei so bekannten Spielertypen wie beim FC Barcelona von geringerer Wichtigkeit sein. Ähnliches ist beim eher mittelmäßigen defensiven Positionsspiel wie in der klassischen Strafraumverteidigung oder in grundsätzlichen Aspekten wie dem Verschieben ebenfalls der Fall. Seine teilweise ineffektiven Anpassungen innerhalb der jeweiligen Spiele wiederum könnten auf höchstem Niveau stärker ins Auge fallen.
Fazit
Es könnte interessant werden. Wie hat sich Luis Enrique in den letzten Wochen, Monaten und Jahren verbessert? Welchen Plan hat er für den FC Barcelona, wenn er diese Stelle annimmt? Und wenn nicht – wie sieht seine Zukunft aus? Man kann sicherlich davon ausgehen, dass er entweder beim FC Barcelona oder in einigen Jahren bei einem anderen Topklub noch einmal unterkommen wird. Und es ist ebenfalls relativ sicher, dass sein Idealfußball so aussieht wie dieser Treffer bei der Roma:
Fraglich hingegen ist, ob Luis Enrique die nötige Kompetenz – welcher Art auch immer – besitzt, um konstant die passenden gruppentaktischen Abläufe für diesen Spielstil bereitzustellen.
Wer sich näher mit Luis Enrique befassen möchte, dem sei übrigens dieser spanische Artikel ans Herz gelegt: Link
René Maric, www.abseits.at
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Rene Maric
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