Luis Enrique variiert: Wie funktoniert Barcelona in einem 3-3-3-1 oder einem 3-3-1-3?
Spanien 17.Dezember.2014 Rene Maric 0
In der Champions League traf der FC Barcelona auf Paris St. Germain; das erste Gruppenspiel zwischen den beiden ging aus katalanischer Sicht verloren, weswegen man am letzten Spieltag unbedingt gewinnen musste, um nicht auf Platz zwei in der Gruppe zu landen. Nur wenige Experten und Fans trauten dies der Elf von Luis Enrique zu.
Die Leistungen in den letzten Wochen waren dafür zu inkonstant und leblos, die defensive Stabilität der ersten Monate unter seiner Ägide ging auch etwas verloren und offensiv gibt es immer wieder kleinere Probleme. Wie sollte man gegen das französische Topteam also vorgehen? Luis Enrique entschied sich für eine überraschende Veränderung, welche wir kurz analysieren.
Abkehr von der Viererkette
Erstmals in dieser Saison begann der FC Barcelona ohne zwei nominelle Außenverteidiger. Stattdessen gab es drei Innenverteidiger zu sehen. Gerard Pique gab den zentralen Innenverteidiger, Jeremy Mathieu (der im Clásico als Außenverteidiger auflief) und Marc Bartra gaben die Halbverteidiger. Einige hatten vor der Partie vermutet, dass entweder Pedro als Rechtsverteidiger oder Mascherano als zusätzlicher Innenverteidiger auflaufen würde, doch dies war nicht der Fall. Sowohl im Aufbauspiel als auch gegen den Ball gab es drei Verteidiger, die mehr oder weniger auf einer Höhe und in einer Kette agierten. Allerdings gab es auch Situationen, wo sie eine Vierer- und Fünferkette bildeten.
Auffüllende Rolle von Mascherano und Unterstützung durch die Flügelstürmer
Um gegen den Ball die Schnittstellen nicht zu sehr zu öffnen und eine gute Breitenstaffelung zu haben, aber nach wie vor mit prinzipiell nur drei Verteidigern zu agieren, erhielten die Flügelstürmer und Mascherano spezielle Aufgaben zur Unterstützung der Dreierkette. Mascherano auf der Sechs in diesem schwer definierbaren System, welches formativ je nach Situation eine Mischung aus 5-3-1-1, 3-3-1-3 und 3-3-3-1 war, ließ sich zum Beispiel immer wieder kurz zurückfallen, wenn die Halbverteidiger auf der Seite verteidigen mussten. Er konnte dann das entstehende Loch zwischen den seitlichen Verteidigern und Pique in der Mitte auffüllen und stellte kurzzeitig eine Art Viererkette her.
Dies wäre aber nicht genug gewesen; wenn Barcelona weit in die eigene Hälfte gedrückt wurde und/oder die gegnerischen Außenverteidiger sehr weit aufrückten, spielten auch die nominellen Flügelstürmer überaus tief. Vereinzelt gab es sogar fünf Verteidiger mehr oder weniger in einer Linie, welche sich vergleichsweise passiv verhielten und ballorientiert verschoben. Das sorgte für eine gewisse Grundstabilität und eine sehr gute Breitenstaffelung. Es verhinderte auch, dass Mascherano zurückfallen musste. Das verbleibende 5-3-1-1/5-3-2 hatte, auch wenn es in diesem Spiel nicht so oft und klar genutzt wurde, ein interessantes leitendes Element.
Versperren der Mitte bei tieferer Ausrichtung
Auch wenn Barcelona bei den tieferen Pressingphasen kaum Zugriff hatte und es generell an Intensität mangelte, standen sie vergleichsweise stabil. Paris spielte weitestgehend in einem 4-4-2/4-2-2-2, welches in der Mitte hoffnungslos gegen die Überzahl Barcelonas im Zentrum unterlegen war. Der situativ rückwärtspressende Messi als hängender Stürmer hinter Luis Suárez, Busquets und Iniesta als überaus spielintelligente Akteure auf den Halbpositionen und in Mascherano einer der besten Sechser der Welt zwischen ihnen verhinderten im Verbund gefährliche Kombinationen durch die Mitte.
Auf den Seiten gab es viel Raum und auch nach hinten konnte sich Paris häufig befreien, die konstant großen Chancen fehlten ihnen und viel zu oft ließen sie sich durch die Formation Barcelonas auf die Seite schieben. Des Weiteren hatte diese Formation für Barcelona einen interessanten Effekt im offensiven Umschaltspiel. Zentral hatten sie viele Anspielstationen, u.a. mit Messi, Busquets und Iniesta drei extrem pressingresistente Akteure. Nach Balleroberungen konnten sie sich meist befreien und gut den Ball laufen lassen, was PSG wieder zurückdrängte. Einzig direkte Konter waren nicht sofort möglich, weil lediglich Suárez hochstand. Dafür war die Spielweise in eigenem Ballbesitz aber umso offensiver.
Vier Stürmer im 3-3-1-3/3-3-3-1
Wenn Barcelona den Ball hatte, gingen Pedro und Neymar sofort sehr weit nach vorne und agierten in ihren üblichen Rollen als Flügelstürmer. Bartra und Mathieu spielten neben Pique, standen aber sehr breit. Teilweise wirkten sie fast schon wie defensivorientierte Außenverteidiger, weil sie in der ersten Linie Breite gaben, aber nur einige Meter weit vorrückten, um Pässe aus dem Halbraum zu spielen, Gegner anzulocken oder um im Gegenpressing den Ball hoch zu erobern.
Mit dieser Staffelung entstand eine interessante „Unwucht“. In den ersten zwei Linien variierten die Halbspieler (Mathieu und Iniesta auf links, Bartra und Busquets auf rechts) zwischen einer Position im Halbraum und auf dem Flügel, boten sich hier flexibel an. Dadurch konnten sie die Passwinkel und die Anspielstationen sehr fließend variieren, PSG war im Pressing etwas ohne Zugriff und mit sechs Leuten im Zentrum in den ersten beiden Linien war die Zirkulation sehr stabil, auch wenn es vereinzelt am Übergang ins letzte Drittel fehlte.
Darum kümmerte sich aber Messi, der enorm weiträumig agierte. Er ließ sich bis ins erste Drittel zurückfallen, ging vereinzelt auch auf den Flügel oder besetzte eben den Zehnerraum. Konstant besetzt waren die Flügel aber auf beiden Seiten immer nur von einem Spieler: Dem jeweiligen Flügelstürmer. Und selbst hier war dies nicht immer der Fall.
Asymmetrie der beiden Flügel
Neymar und Pedro hatten unterschiedliche Rollen auf dem Flügel beziehungsweise ihre Verantwortungen waren nicht in gleichem Ausmaß vom Breitegeben in der Offensive und der Unterstützung der Verteidiger in der Defensive geprägt. Neymar blieb einige Male höher und zockte, während Pedro sich zurückfallen ließ und tiefer stand. Im höheren Pressing wich Neymar ebenfalls ein paar Mal aus seiner Position nach vorne und presste hoch, Pedro tat dies kaum.
Bei eigenem Ballbesitz schob Neymar ebenfalls immer wieder in die Mitte, suchte die Kombinationen mit Messi und inverse Durchbrüche, um zum Abschluss zu kommen. Stattdessen hielt sich Pedro zurück, gab Breite und versuchte eher Messi als Ablagestation zu dienen und generell durch das Geben von Breite die Offensive auf passive Art und Weise zu unterstützen.
Nicht von ungefähr waren es die nun stärker unterstützten und fokussierter eingebundenen Messi und Neymar, welche in der Halbzeit den Rückstand drehten und zur 2:1-Führung trafen.
Fazit: Probleme noch immer vorhanden, aber Veränderungsmut als gutes Omen
Nach der Halbzeit stellte Luis Enrique wegen der Führung wieder auf ein 4-3-3 um und ließ den Ball zirkulieren. Am Ende gewann Barcelona das Spiel mit etwas Glück, aber auch dank der guten Maßnahmen Enriques mit 3:1. Zwar waren noch einige Probleme im Bewegungs-, Positions- und Pressingspiel zu erkennen, doch dieses Spiel signalisierte erstmals, dass Enrique auch größere Umstellungen nicht scheut. Ein gutes Zeichen.
Rene Maric, abseits.at
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