Machtkämpfe beim FC Barcelona: Sind die Tage von Luis Enrique gezählt?
Spanien 7.Januar.2015 Stefan Karger 0
Der FC Barcelona verlor das wichtige Meisterschaftsspiel gegen Real Sociedad mit 1:0 und verabsäumte es zumindest zeitweilig an Real Madrid vorbeizuziehen, das gegen den FC Valencia ebenfalls den Kürzeren zog. Schlimmer als die sportliche Leistung der Katalanen sind die im Hintergrund laufenden Machtkämpfe, die den Verein und die Mannschaft entzweien.
Zunächst möchten wir euch auf die tolle Analyse von René Maric aufmerksam machen, die anschaulich erklärt warum die Katalanen gegen die Moyes-Truppe scheiterten. Bei den Barcelona-Fans verspielte Luis Enrique nicht nur aufgrund der Niederlage einiges an Kredit, sondern auch weil er Messi und Neymar vorerst nur auf der Ersatzbank Platz nehmen ließ und sich diese Personalentscheidung im Spiel negativ bemerkbar machte.
Ein Blick zurück
Nachdem der inzwischen leider verstorbene Guardiola-Nachfolger Tito Vilanova aufgrund seiner Krankheit zurücktrat, übernahm der Argentinier Gerardo Martino das Trainerzepter. Der neue Coach erzielte von Anfang an gute Ergebnisse, verlor als erster Barcelona-Trainer keine seiner ersten 16 Pflichtpartien und gewann auch seinen ersten Clásico gegen Real Madrid. Dennoch geriet er in Kritik bei Fans und Medien, von denen einige so weit gingen zu sagen, er habe die Prinzipien des Klubs verraten. Bei einem 4:0-Erfolg über Rayo Vallecano kamen die Katalanen auf nur 49% Ballbesitz, was in den spanischen Medien weit mehr Aufmerksamkeit bekam als der klare Sieg. Das letzte Mal hatte der Verein bei der 4:1-Niederlage im Mai 2008 gegen Real Madrid einen geringeren Ballbesitz als das gegnerische Team, danach vergingen 317 Partien, in denen die Katalanen in dieser oft überschätzten Statistik die Oberhand behielten. Im darauffolgenden Frühjahr stellte Tata Martino den Spielstil, wohl auch aufgrund des großen Drucks und der Erwartungshaltung, wieder um und ging mehr in die Richtung Ballbesitzfußball. Dies tat dem Team jedoch nicht gut, die Mannschaft verlor am letzten Spieltag die Meisterschaft und in der Champions League zog man gegen Atlético Madrid den Kürzeren. Gerardo Martino verließ den Verein und übernahm drei Monate später die argentinische Nationalmannschaft.
Zweifel bei Enriques Bestellung zum neuen Cheftrainer
Während die Barcelona-Fans Luis Enrique mit Sprechchören empfingen und das Präsidium dem neuen Coach jeden Wunsch von den Lippen ablas, war René Maric mit seiner Analyse auf abseits.at von Beginn an skeptisch. Ein kleiner Auszug:
Allerdings scheint es auch bei Celta Vigo einzelne Probleme in taktischer Hinsicht zu geben, welche bereits bei der Roma erkennbar waren. Der klare Ballbesitzfokus und das gute Pressing sind zwar löblich und auch effektiv, doch gruppentaktisch sind die Abläufe nach wie vor eher orthodox und gleichzeitig etwas instabil. Das Gegenpressing nach Ballverlust ist nur mäßig ausgeprägt und durch das sehr raumgreifende Offensivspiel auch bei gleichbleibenden strategischen Strukturen kaum auszubessern, da die lokalen Kompaktheiten in Ballnähe zu oft abgehen. Und obwohl das Pressing bei gegnerischem Aufbauspiel gut ist, so fehlt es auch hier am passenden leitenden Element und es ist ansatzweise zu breitflächig ausgelegt.
Desweiteren ist er wie bei der Roma noch nicht ideal dabei die Aufgaben der Spieler ideal auf ihre Fähigkeiten zuzuschneiden und diese Rollen wiederum effektiv und synergistisch ins Kollektiv einzubetten. So muss zum Beispiel der eher langsame Innenverteidiger Andreu Fontas zu häufig große Räume abdecken oder in gegnerische Dribblingaktionen oder gar Laufduelle einschreiten…
…Fraglich hingegen ist, ob Luis Enrique die nötige Kompetenz – welcher Art auch immer – besitzt, um konstant die passenden gruppentaktischen Abläufe für diesen Spielstil bereitzustellen.
Diese Einschätzung soll sich bewahrheiten, denn die Mannschaft scheint sich unter Luis Enrique zurückzuentwickeln. In den ersten 25 Spielen stand von Beginn an kein einziges Mal die gleich Mannschaft am Platz, der Coach hat weder ein passendes System, noch eine Stammelf gefunden. Was nun endgültig sein Genick brechen dürfte sind die internen Querelen die im Hintergrund laufen.
Machtkämpfe a la House of Cards
Messi und Neymar trafen am Freitag von ihrem (genehmigten) Südamerika-Urlaub zur Mannschaft, zwei Tage nachdem die restlichen Spieler ins Training einstiegen. Am darauffolgenden Sonntag setzte der Coach Messi und Neymar gegen Rayo Vallecano zunächst nur auf die Bank, mit der Begründung, dass sie lange Reisen hinter sich hatten und das Risiko zu groß war sie 90 Minuten lang einzusetzen. Noch am selben Tag wurde Sportdirektor Andoni Zubizarreta von Präsident Josep Maria Bartomeu entlassen. Als Begründung wurden Fehler in der Transferpolitik angeführt, allerdings kritisierte der ehemalige Tormann zuvor seinen Präsidenten in einem Interview, als er feststellte, dass dieser in jener Zeit Vizepräsident war, die zu der Transfersperre führte. Als Zubizarretas Nachfolger war sein Assistent Carles Puyol ein heißer Kandidat, doch dieser wollte sich die Machtspiele nicht antun und trat am darauffolgenden Tag zurück.
Ebenfalls am Montag fand das Training ohne Lionel Messi statt, angeblich wegen einer Magen-Darm-Entzündung. Der Trainer wollte eine interne Strafe über Barcelonas Superstar verhängen, die jedoch nach Interventionen von Xavi, Iniesta und Busquets verhindert wurde. Messi nutzte den trainingsfreien Tag um Chelsea, Filipe Luis und Thibaut Courtois auf Instagram zu folgen. Dass dieses Timing bloß ein Zufall war ist nur schwer vorstellbar, noch dazu da Messi sicherlich weiß, wie jede seiner Aktivitäten in den spanischen Medien ausgeschlachtet wird. In England und in Spanien lösten diese wenigen Klicks jedenfalls ein mediales Erdbeben aus. Am nächsten Tag absolvierte Messi ein Einzeltraining, während die anderen Spieler ihren trainingsfreien Tag hatten.
Am Donnerstag findet das Achtelfinal-Hinspiel im spanischen Cup gegen den FC Elche statt, am Sonntag folgt das Meisterschaftsspiel gegen Atletico Madrid. Es ist unwahrscheinlich, dass der Trainer vor diesen beiden Spielen entlassen wird, doch einen Punkteverlust wird er sich wohl nicht mehr erlauben dürfen. Selbst zwei Siege könnten nicht mehr reichen, wenn der interne Disput mit Messi nicht unverzüglich ausgeräumt wird – denn wer in Barcelona einen Machtkampf gegen Lionel Messi anfängt, darf nicht mit einem guten Ende rechnen.
Stefan Karger, www.abseits.at
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