Vor mehr als 250 Tagen weinte der Fußballgott im fußballverrückten Brasilien. Bei einem Flugzeugabsturz verlor fast die komplette Mannschaft inklusive Betreuerstab des Klubs Chapecoense... Spiele, die man nicht vergisst: FC Barcelona empfing Chapecoense

Vor mehr als 250 Tagen weinte der Fußballgott im fußballverrückten Brasilien. Bei einem Flugzeugabsturz verlor fast die komplette Mannschaft inklusive Betreuerstab des Klubs Chapecoense kurz vor der kolumbianischen Stadt Medellín das Leben. Jetzt wagt der Verein einen Neubeginn. Der spanische Vizemeister und Pokalsieger CF Barcelona lud am Montag die Kicker von Chapecoense als Gegner im Spiel um den Joan-Gamper-Cup ein. Rund um das irrsinnige Wechseltheater um Neymar bewies diese Einladung Zusammengehörigkeitsgefühl und den Umstand, dass nicht alle Werte mit Füßen getreten werden. Der Endstand von 5:0 zugunsten der Hausherren war sekundär.

Doch der Reihe nach. Im Spiel der großen Gemütsbewegungen kam Defensivmann Alan Ruschel zu seinem Comeback. Er durfte die Brasilianer als Kapitän aufs Feld führen und wurde nach rund 35 Minuten unter stehenden Ovationen ausgewechselt. Ruschels Weg zurück auf den Fußballplatz war alles andere als ein Honigschlecken. Der 27-Jährige zog sich bei dem Unglück zahlreiche Brüche und Stauchungen an der Wirbelsäule zu und musste sich einer Notoperation unterziehen. Dass er wieder kicken kann, grenzt an eine medizinische Sensation.

Der Anstoß wurde von den beiden anderen Überlebenden des Flugzeugunglücks durchgeführt. Schlussmann Jackson Follmann, dem nach der Tragödie ein Unterschenkel amputiert werden musste und Verteidiger Neto ernteten den Applaus des fairen Publikums im Camp Nou. Apropos Neto: Es kann sein, dass er im nächsten Jahr wieder mit dem Fußballspielen fortfahren kann. Zudem liefen die brasilianischen Gäste mit einem eigens angefertigten Trikot mit 71 Sternen auf. Jeder Stern steht beispielhaft für ein Opfer des Unglücks.

Zum Spielfilm selbst: Gerade einmal sechs Minuten waren gespielt, als Gerard Deulofeu das 1:0 für die spielerisch überzeugenden Gastgeber sorgte. Ivan Rakitic schob das runde Leder zum frei stehenden Mitspieler, der den Ball im Tor unterbrachte. Die einseitige Partie war nur fünf Minuten später entschieden, als Sergio Busquets auf 2:0 erhöhte. Er hämmerte einen Distanzschuss unterhaltbar in die Maschen und der brasilianische Schlussmann hatte das Nachsehen. Keine 30 Minuten war die Partie alt, als Lionel Messi zum 3:0 traf. Der wendige Argentinier sorgte mit seinem in der Summe achten Tor für die Bestmarke beim Joan-Gamper-Cup.

Nach der Halbzeit ging das muntere Scheibenschießen zugunsten der Katalanen weiter. Luis Suárez in Minute 54 und Denis Suárez eine Viertelstunde vor Schluss machten alles klar. Nicht nur der neue Barça-Coach Ernesto Valverde war von seinem Kollektiv überzeugt, selbst wenn Paco Alcácer in der 89. Minute einen Elfmeter verschoss.

Insgesamt verloren 19 Spieler bei der Tragödie ihr noch junges Leben. In der Nacht zum 29. November 2016 waren sie beim Absturz des Charterflugs auf dem Weg zum Copa-Sudamericana-Finale gegen Atletico National gemeinsam mit 52 anderen Menschen ums Leben gekommen. Der Finalgegner verzichtete auf die Meisterschaft und widmete den Titel Chapecoense. Auch dieser Akt des Fair Plays muss gewürdigt werden und darf trotz astronomischer Ablöse- und Freikaufsummen keinesfalls unterbewertet werden. Solidarität, ein flüchtiges und in unseren Breiten oft vergessenes Wort, sollte immer groß geschrieben werden.

Wenige Tage nach dem Unglück bot der FC Barcelona dem südamerikanischen Traditionsklub die Möglichkeit an, an diesem Spiel, welches seit nunmehr über 50 Jahren jahrein jahraus in Erinnerung an den einstigen Vereinspräsidenten Joan Gamper ausgetragen wird, teilzunehmen.

Andreas Raffeiner, abseits.at

Andreas Raffeiner

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