Transfers erklärt: Darum wechseln Mario Mandzukič und Antoine Griezmann zu Atletico Madrid
Spanien 16.August.2014 Michael Waldhauser 0
Nach einer herausragenden Spielzeit, die mit dem Meistertitel gekrönt werden konnte, dachten viele, dass dem Überraschungsteam aus Madrid nun die gesamten Stars abhandenkommen könnten. Mit den Abgängen von Diego Costa, Filipe Luis und Thibaut Courtois (Leihende) zum FC Chelsea sowie dem Transfer von David Villa zu New York City schienen diese Prognosen auch einzutreffen. Der Qualitätsverlust durch die Abgänge der beiden Stürmer Costa und Villa konnten aber mit dem Kauf von Mario Mandzukič und Antoine Griezmann nun abgefedert werden.
Mario Mandzukič
Mario Mandzukič kam nach seinem Engagement bei Dinamo Zagreb über den VfL Wolfsburg in die deutsche Bundesliga. Dort konnte er in der Saison 2011/2012 derart überzeugen, dass Jupp Heynckes ihn zu Bayern München holte. Gleich in seiner ersten Saison etablierte er sich durchaus etwas überraschend als Stammspieler und setzte sich dabei unter anderem im Konkurrenzkampf gegen Mario Gomez durch. Die Spielzeit verlief für den Kroaten optimal: Die Bayern holten das historische Triple, Mandzukič traf dabei unter anderem im Champions-League-Finale gegen Dortmund.
Ab der Saison 2013/2014 übernahm Pep Guardiola das Trainerzepter bei den Münchnern. Schon vor dessen Ankunft wurde Mandzukič von den Medien abgeschrieben, er passe nämlich nicht in das von Guardiola angestrebte Tiki-Taka mit falscher Neun. Diese Prophezeiungen schienen sich bereits beim ersten Pflichtspiel der Saison, dem Supercup gegen den BVB, zu bewahrheiten, da der Kroate nicht in den Kader berufen wurde. Nach diesem Spiel konnte sich Mandzukič aber immer mehr in die Mannschaft spielen und sich trotz großer Rotationsspielereien Guardiolas mehr oder weniger einen Stammplatz im Sturmzentrum sichern. Jedoch nahmen die Berichte, dass Mandzukič mit der Spielweise und seiner unter dem Katalanen etwas veränderten Rolle nicht gänzlich zufrieden sei, nicht ab. Schließlich sollte wieder ein Spiel gegen Borussia Dortmund seinen Abgang besiegeln, da er im letzten Saisonspiel, im Cupfinale gegen die Schwarzgelben, wieder nicht im Kader stand.
Nun wechselt Mandzukič für kolportierte 20 Mio. € zum Champions-League-Finalisten der Vorsaison. Bei Atletico Madrid soll er den zu Chelsea abgewanderten Topstürmer Diego Costa, der in der abgelaufenen Spielzeit der absolute Schlüsselspieler der Rojiblancos war, ersetzen. Ob ihm dies gelingt, ist offen. Auf jeden Fall unterscheiden sich die beiden Stürmer trotz gewisser Parallelen durchaus in ihrem Profil.
Mandzukič ist ein sehr athletischer, antritts- und kopfballstarker Mittelstürmer, der neben seinen offensiven Fähigkeiten auch enorme Defensivqualitäten mitbringt. Im Offensivspiel weiß der Kroate neben seiner Stärke im Luftzweikampf, bei dem er sämtlichen Disziplinen wie Ablagen, Torschüsse und Ballbehauptungen beherrscht, auch mit seinen ausweichenden, raumöffnenden Bewegungen und natürlich im Strafraum zu überzeugen.
Bei Atletico Madrid dürfte er der von der Grundposition her höchste Spieler im 4-2-2-2 sein. In diesem soll er lange Bälle behaupten, seinen Mitspielern die Gelegenheit geben nachzurücken, seinen Nebenmann einsetzen, auf die Seite ausweichen, dort Räume öffnen und sich gegebenenfalls kurz in das starke, schnelle Kombinationsspiel einfügen. Darüber hinaus soll er im Strafraum natürlich als Abnehmer von Flanken und Hereingaben agieren. Der Kroate wird zudem die ohnehin schon extreme Stärke der Rojiblancos nach ruhenden Bällen weiter erhöhen. Auch im Defensivspiel gehört Mandzukic zu den besten Stürmern der Welt. Im meist den Gegner nach außen leitenden Pressing Atleticos könnte die Rolle Mandzukičs variieren. In einem tiefen Mittelfeldpressing würde er kompaktheitsgebend nah vor den eigenen Sechsern ballorientiert verschieben und somit dem Gegner die Nutzung des eigenen Sechserraumes erschweren. In einer Angriffspressingphase würde er zuerst aggressiv die Innenverteidiger und situativ auch den Torwart anlaufen, um sich im weiteren Angriffsverlauf nach hinten zu orientieren und seine Kollegen mit Rückwärtspressing in der Arbeit gegen den Ball zu unterstützen.
Antoine Griezmann
Neben beziehungsweise leicht versetzt hinter Mandzukič dürfte in den meisten Spielen der zweite offensive Neueinkauf zum Zug kommen. Für 30 Mio. € konnte Antoine Griezmann von Real Sociedad losgeeist werden. Mit den Basken konnte sich dieser in den letzten beiden Spielzeiten jeweils für das internationale Geschäft qualifizieren, dabei bildete der Franzose mit Carlos Vela eine sehr torgefährliche Flügelzange.
Griezmann ist ein Offensivallrounder, der in den letzten Jahren sowohl auf beiden Seiten als Flügelstürmer als auch im Zentrum als hängender Stürmer oder tiefensprintender Mittelstürmer agiert hat. Die meisten Einsätze erhielt er dabei eindeutig auf dem linken Flügel, dies dürfte bei seinem neuen Verein jedoch nicht der Fall sein. Die Flügelstürmer nehmen im System Atleticos nämlich eine andere Rolle als in den meisten anderen Mannschaften ein. Sie bewegen sich meist in den Halbräumen und sind eher Kombinationsspieler als breitstehende Flügeldribbler. Keineswegs ist der Franzose ein klassischer Flügeldribbler, dennoch scheint er bei Atletico im Offensivzentrum besser aufgehoben als auf der nominellen Außenbahn, auf der es ihm etwas an konstanten kombinativ-verbindenden Fähigkeiten mangelt.
Als Sturmpartner von Mario Mandzukič könnte er die etwas tiefere, hängende Position einnehmen. Aus dieser könnte er Ablagen des Kroaten oder sonstige Abpraller aufsammeln und danach dem Angriff Dynamik verleihen, sei es mit Schnittstellenpässen, Dribblings oder Abschlüssen. Im Umschaltspiel könnte er eine ähnliche Rolle einnehmen wie der abgewanderte David Villa. Er hätte dabei die wichtige Funktion, sich in die starken, das Gegenpressing aushebelnden Schnellkombinationen einzufügen, diese auch in ungünstigen Situationen aufrecht zu erhalten und das Umschaltspiel fortzuführen, um gleich danach vorzustoßen. Für diese Rolle braucht es neben einer starken (Pass-)Technik auch ein ausgereiftes individualtaktisches Bewegungsspiel. Dabei helfen eine gute, vorausschauende Positionierung bereits im Defensivspiel und eine Anpassung auf das gegnerische Deckungssystem. Ob Griezmann diese Rolle einnehmen kann ist fraglich – mit seiner Qualität, seiner Lernfähigkeit, durch die er sich in den letzten beiden Jahren bedeutend verbessern konnte und der zu erwartenden präzisen Trainingsarbeit Diego Simeones ist ihm dies jedoch auf jeden Fall zuzutrauen.
Eine andere Variante wäre eine etwas höhere Position Griezmanns im Defensivspiel, somit würde er auch im Umschaltmoment höher und näher an Mandzukič stehen. Atletico könnte die nun größeren Distanzen zu den beiden vorderen Spielern mit langen Bällen auf den Kroaten umgehen. Griezmann würde sich dann entweder im nun größeren Zwischenlinienraum positionieren und dort seine Vertikalität und Kreativität einbringen oder gar direkt an der Abseitskante warten, um mit seinem Tempo für Torgefahr zu sorgen. In diesen weiträumigen Aktionen kann der Franzose seine gesamte Stärke, die er auch im breitflächig angelegten Konterspiel Real Sociedads einbrachte, entfalten.
Fazit
Mario Mandzukič und Antoine Griezmann werden Atletico weiterbringen, das scheint festzustehen. Sollten sie mannschaftlich ordentlich eingebunden werden und offene Fragen wie die Hauptanspielstation im Umschaltspiel geklärt werden, so könnten sie die Leistungen des Sturmduos der vergangenen Saison sogar noch einmal übertreffen. Nun liegt es aber an Diego Simeone, das Optimum aus den beiden Neuzugängen herauszuholen.
Michael Waldhauser, abseits.at
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