Transfers erklärt: Darum wechselten Aleix Vidal und Arda Turan zum FC Barcelona
Spanien 9.Juli.2015 Rene Maric 2
Wie schon in der vergangenen Sommertransferperioden gehen wir in dieser Rubrik auf einzelne fixe Transfers zumeist größerer Vereine ein, wo die Hintergründe und Motive beleuchtet werden. Wieso holt eine Mannschaft diesen Spieler? Wer ist dieser Spieler überhaupt? Was erwartet sich sein neuer Verein von ihm? Kann er die Erwartungen in seinem neuen Verein erfüllen? Diese Fragen sollen hauptsächlich beantwortet werden. Auch die taktische Perspektive soll nicht zu kurz kommen, immerhin ermöglicht ein neuer Spieler oftmals eine Vielzahl neuer Kombinationen und Synergien, die ebenfalls kurz erläutert werden sollen.
Dieses Mal geht es um zwei Transfers des FC Barcelona. Der amtierende CL-Sieger hat sich nämlich trotz der Transfersperre weiter verstärkt. Auch wenn unklar ist, wie sehr.
Aleix Vidal: Der Alves-Ersatz
Dani Alves und der FC Barcelona. Eigentlich die perfekte Geschichte. Der Brasilianer ist eine Ikone für viele Fans, versteht sich mit den meisten Spielern herausragend und gehört sicherlich zu den besten Rechtsverteidigern aller Zeiten; zumindest in der Offensive. Seine Leistungen unter Guardiola in der enorm erfolgreichen Zeit zwischen 2008 und 2012 waren schlichtweg aufsehenerregend. Doch an diese Leistungen konnte er danach nicht immer anknüpfen. Immer wieder hatte er kleinere Fitnessprobleme, seine Defensivarbeit war inkonstant und auch die Entscheidungsfindung war nicht immer passend. Dazu gesellten sich einige Probleme mit der Vereinsführung und seine Forderungen bei Vertragsverlängerungen. Viele erwarteten sich darum in dieser und auch in der letzten Sommertransferperiode den Abgang Alves‘.
Der Brasilianer blieb und führte mit wieder verbesserten Leistungen Barcelona zum Triple. Für Barcelona ein Glücksfall, denn die zwei als Alves‘ Ersatz geplanten Akteure blieben bisher unter den Erwartungen. Martin Montoya ist ein Eigengewächs und ein durchaus starker Spieler, doch für Barcelonas System und Spielanlage ist er in der Offensive schlichtweg nicht ganz gut genug. Der Brasilianer Douglas fiel bislang komplett durch und gilt als Fehleinkauf.
Mit Aleix Vidal reagierten die Katalanen darauf. Der bisherige Sevilla-Spieler soll in der nächsten Saison – bzw. ab Winter, wenn Barcelonas Spielerregistrierungssperre abläuft – langsam in die Position Alves‘ hineinwachsen, dem Altmeister Minuten in der Rotation abnehmen und langfristig seine Rolle als Weltklassespieler auf dem rechten defensiven Flügel einnehmen.
Ob Vidal das kann, bleibt abzuwarten. Potenzial bringt er natürlich enormes mit. Körperlich ist er stark, mithilfe seiner Dynamik und Schnelligkeit kann er sich auch im 1-gegen-1 durchsetzen und für zusätzliche Überraschungseffekte sorgen. Dazu ist er ausdauernd und fleißig, was gute Voraussetzungen für das Pressing und Gegenpressing Barcelonas sind. Offensiv ist er dabei sogar so überzeugend, dass er eigentlich kein Rechtsverteidiger ist – die meiste Zeit seiner Karriere verbrachte er als Flügelstürmer, der immer wieder diagonal zum Tor ging oder sich mit seinen Dribblings an Gegenspielern zur Grundlinie oder in die Mitte vorbeidribbelte.
Hierbei ist er variabel, auch wenn er nicht ganz so kreativ in seinen Aktionen wie Alves ist. Es ist zu bezweifeln, dass Vidal so extrem durchschlagskräftig und aggressiv sein wird, wie es Alves zu seinen besten Zeiten war. Dafür fehlt es Vidal etwas an der extremen Athletik und Kombinationsstärke. Dennoch sollte er im Stande sein langfristig in diese Rolle hineinzuwachsen und ausreichend gute Leistungen zu erbringen. Die Frage ist, ob dies schon in der nächsten Saison der Fall sein wird; immerhin hatte Alves im System eine besondere Rolle als oftmals tief bleibender und/oder einrückender Außenverteidiger, der Messi besonders unterstützte.
Arda Turan als Offensivallrounder
Der zweite große Transfer dieser Transferperiode scheint nicht Paul Pogba, sondern Arda Turan zu werden. Dieser Wechsel wird von vielen skeptisch beäugt. 35 Millionen € für einen Spieler, der nicht optimal ins System passt? Zahlreiche Experten sprechen davon, dass es Turans Position – ein spielmachender, dribbelnder und einrückender Außenstürmer hinter zwei Stürmern vor einer Doppelsechs – bei den Katalanen schlichtweg nicht gibt.
Die Außenstürmer Neymar und Messi sind außerdem nicht nur andere Spielertypen als Arda, sondern einfach nicht zu verdrängen – von vermutlich keinem anderen Spieler auf der Welt. Was denken sich die Katalanen also bei diesem Transfer, den angeblich sogar Luis Enrique unbedingt forderte?
Es gibt drei mögliche Positionen, die Arda Turan einnehmen könnte, beispielsweise könnte er als Achter auflaufen. Iniesta ist nicht mehr der Jüngste, Rakitic könnte seine Position als linker Achter übernehmen und Arda Turan würde als rechter Achter spielen. Das mag überraschend klingen, doch in Barcelonas System läuft der rechte Achter oftmals diagonal nach außen, unterstützt Messi und gibt Breite. Messi kann dadurch einrücken und Alves tiefer bleiben, was schwierig zu verteidigen ist. Bleibt Messi selbst breiter, dann schiebt in diesem System der rechte Achter oftmals sehr weiträumig und dynamisch nach vorne; ebenfalls eine passende Aufgabe für Turan.
Turan ist dribbelstärker und agiler als Rakitic, wodurch er diese Rolle vermutlich besser ausfüllen könnte. Die nächste Position ist jene des Rechtsverteidigers; sollte sich Vidal nicht durchsetzen, ist Turan im System Barcelonas eigentlich die Idealbesetzung für diese Rolle. Als letzte Option ist es natürlich möglich, dass Turan schlichtweg als Back-Up für die drei Positionen ganz vorne agiert.
Er könnte situativ als (falsche) Neun anstatt Suarez auflaufen und seine enorme Laufstärke einbringen oder er könnte ebenfalls Messi oder Neymar als Flügelstürmer ersetzen, die wiederum als (falsche) Neun das Sturmzentrum übernehmen.
Dennoch macht dieser Transfer nicht zu hundert Prozent Sinn. Für das Zentrum hat Barcelona mit Rafinha Alcantara, Sergi Samper, Andres Iniesta, Sergi Roberto, Alex Song und Ivan Rakitic gleich sechs Spieler für zwei Positionen. Für die Rechtsverteidigerposition ist wie erwähnt Vidal gekommen, Alves ist außerdem zumindest für eine weitere Saison noch durchaus tauglich. Mit Munir, Sandro Ramirez, Adama Traore, Pedro, Luis Suarez, Messi und Neymar ist eigentlich auch die Offensivabteilung optimal besetzt. Ob und wie Turan hier Platz finden wird, bleibt abzuwarten.
Einzig vermehrte Ausleihen und Verkäufe würden den Transfer verständlich machen. Wenn Munir und Sandro Ramirez vorne, sowie Sergi Roberto und Sergi Samper im Mittelfeld verliehen und Song verkauft wird, dann wäre Arda Turan der perfekte Kaderfüller für mehrere Positionen, der auf mehreren Positionen und in jedem Spiel ohne Kopfzerbrechen beim Trainer auflaufen kann. Für ein Top-Team heutzutage ist das womöglich sogar die 35 Millionen € wert.
René Maric, www.abseits.at
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Rene Maric
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