Transfers erklärt: Darum wechselten Jackson Martinez und Luciano Vietto zu Atlético Madrid
Spanien 7.Juli.2015 Rene Maric 0
Wie schon in der vergangenen Sommertransferperioden gehen wir in dieser Rubrik auf einzelne fixe Transfers zumeist größerer Vereine ein, wo die Hintergründe und Motive beleuchtet werden. Wieso holt eine Mannschaft diesen Spieler? Wer ist dieser Spieler überhaupt? Was erwartet sich sein neuer Verein von ihm? Kann er die Erwartungen in seinem neuen Verein erfüllen? Diese Fragen sollen hauptsächlich beantwortet werden. Auch die taktische Perspektive soll nicht zu kurz kommen, immerhin ermöglicht ein neuer Spieler oftmals eine Vielzahl neuer Kombinationen und Synergien, die ebenfalls kurz erläutert werden sollen.
Dieses Mal geht es um zwei Transfers Atlético Madrids.
Offensivprobleme nach Diego Costas Abgang
2014 landete Atlético Madrid im Finale der Champions League und wurde – entgegen aller Erwartungen – spanischer Meister vor den Starensembles Reals und Barcelonas. Zwei Schlüsselspieler: Kombinations- und Dynamikmaschine Filipe Luis auf dem linken defensiven Flügel und Diego Costa, der Ein-Mann-Zwei-Mann-Sturm. Beide haben den Verein in Richtung London zu Mourinhos Chelsea verlassen. Seither hat Atlético gewisse Probleme, insbesondere in der Offensive.
Mandzukic schaffte es nicht – ebenso wenig wie Torres, Raul Garcia und Jiménez – die Lücke zu füllen. Zwar kann er sich wie Diego Costa sehr weiträumig horizontal bewegen, lange Bälle behaupten und ablegen, aber ihm fehlen dafür die vertikalen Möglichkeiten Costas. Diego Costa konnte sich teilweise unter Druck behaupten, drehen und dann mit enormer Geschwindigkeit auf das gegnerische Tor laufen. Kaum ein Stürmer dieser Größe in den letzten zwanzig Jahren konnte in solchen Situationen so konstant wie Diego Costa agieren; Diego Costa gab Atléticos Spielweise die benötigten Drehungen und Richtungswechsel.
Seither fehlt das und die vertikale Durchschlagskraft der Rojiblanco ist deutlich verringert. Dieses Jahr erzielte Atlético nur 67 Tore; weniger als Valencia und Sevilla, die Atlético beinahe von den CL-Plätzen verdrängt hätten. Zählt man nur die Tore aus dem Spiel heraus, würde Atlético sogar nur Platz 9 belegen. Sie erzielten nämlich unglaubliche 30 Tore nach Standards – keine andere Mannschaft hatte mehr als 20.
Deswegen benötigt Atlético Stürmer, die Vertikalität einbringen. Die zwei Neuverpflichtungen sollten das schaffen.
Jackson Martinez als Diego-Costa-light
Der bisherige Porto-Stürmer agierte situativ als Flügelstürmer oder gar als Zehner, hat aber seine Idealposition als hängende Spitze und als Mittelstürmer. Dabei überzeugt er trotz gewisser Mängel. Grundsätzlich gilt Martinez als hochtalentierter Akteur. Nach den Spielen gegen den FC Bayern sprachen sowohl Matthias Sammer als auch Josep Guardiola davon, dass Martinez ein absoluter Spitzenstürmer ist.
Auf den ersten Blick weiß man sofort, wieso. Martinez vereinigt hohe Bulligkeit und Körperlichkeit in seinem hochathletischen Körper. Dazu ist er technisch gut, kann immer wieder mit einzelnen, spektakulären Aktionen glänzen oder im Kombinationsspiel überzeugen. Von der reinen Physis her könnte er sogar Diego Costa leicht überlegen sein, auch wenn er diese extreme Durchschlagskraft und diese enormen Fähigkeiten im Bewegungsspiel nicht mitbringt. Jackson Martinez wartet auch mit hoher Intensität auf, offensiv wie defensiv.
Allerdings hat er auch einige klare Probleme. Seine Entscheidungsfindung, seine Konstanz und seine Bewegung im Raum sind oftmals schwach. Manchmal ist er ungemein unsauber in seiner Technik, überhastet viele Angriffe und hat kaum eine passende Anbindung zu seinen Mitspielern. Teilweise ist er auch problematisch beim Unterstützen seiner Mitspieler, weil er es manchmal schichtweg nicht oder falsch macht.
Dennoch sollte er bei Atlético eine interssante Option sein. Seine körperlichen Fähigkeiten und seine Möglichkeiten aus taktischer Perspektive – insbesondere unter Diego Simeone – sollten hilfreich sein, um mit Griezmann oder Vietto ein gutes Sturmduo bilden, welches auch mehr Vertikalität ins Spiel bringt. Besonders von Vietto kann man viel erwarten.
Vietto als große Hoffnung
Vereinzelt gilt Vietto als Verpflichtung für die Bank; schlichtweg ein hochwertiger, talentierter Ersatzspieler. Das ist natürlich möglich, nur sollte man das nicht unbedingt erwarten. Vietto zeigte bei Villarreal konstant starke Leistungen und wenn man Jackson Martinez als Diego-Costa-Light bezeichnen könnte, so wäre Vietto wohl sogar „Alexis-Sanchez-Light“.
Wie der Chilene überzeugt Vietto mit enormem Laufaufwand, viel Quirligkeit und einer Spielweise, die vor 30 Jahren noch als „Wühler“ benannt worden wäre. Natürlich ist er nicht so extrem athletisch wie Sanchez oder so dribbelstark, dennoch kann er sich mit seiner guten Technik, seiner Koordination und seiner Dynamik auch im 1-gegen-1 durchsetzen.
Bei Villarreal hatte er phasenweise sogar die Aufgabe sich im 1-gegen-2 oder 1-gegen-3 durchzusetzen, weil Marcelinos Mannschaft oft aus einer relativ tiefen 4-4-2-Formation mit viel schnellem, weiträumigem Umschaltspiel über die zwei Stürmer agierte. Vietto passt somit eigentlich perfekt zu Atlético und dürfte unter Simeone noch weiter aufblühen.
Die Frage ist jedoch, wie genau er eingebunden wird.
Wer rückt auf außen?
Die meisten erwarten, dass Vietto entweder auf die Bank rutscht oder aber mit Jackson Martinez das Sturmduo bildet, woraufhin Griezmann als Außenstürmer aufläuft. Grundsätzlich klingt dies logisch. Der Abgang von Arda Turan steht bevor, der Türke wird ziemlich sicher Atlético in diesem Sommer verlassen. Griezmann und Koke oder gar Oliver Torres und vielleicht Angel Correa könnten als Flügelstürmer agieren.
Allerdings spielte Griezmann diese Rolle im 4-4-2 Simeones bereits, was kaum funktionierte. Er konnte seine Durchschlagskraft nicht adäquat einbringen, war dafür defensiv nicht optimal und hatte Probleme bei den spielgestaltenden Aufgaben dieser Position. Nach seiner Beorderung in die Mitte funktionierte es wieder besser, für ihn und für die Mannschaft. Insofern könnte es durchaus sein, dass entweder Vietto auf die Seite rutscht oder auf der Bank Platz nehmen muss.
Eine andere Möglichkeit wäre die Umstellung auf ein 4-3-3. Hier könnten Vietto und Griezmann asymmetrisch neben bzw. hinter Jackson Martinez agieren, während Koke, Oliver und ein Sechser das zentrale Mittelfeld bringen. Besonders bei einer möglichen Rückkehr von Filipe Luis wäre dies durchaus denkbar. Mit Borja Baston gäbe es außerdem den perfekten Ersatzspieler für Jackson Martinez in diesem System. Der von seiner Leihe bei Real Zaragoza zurückgekehrte Mittelstürmer ist eine Tormaschine und ein echter Strafraumstürmer mit gutem Bewegungsspiel. Er wäre auch im 4-4-2 eine Alternative für Jackson Martinez.
Insgesamt scheint es also zu sein, dass Simeone an der Rückkehr der Vertikalität und Durchschlagskraft arbeitet, welche mit dem Abgang Diego Costas verloren ging. Vietto und Jackson Martinez könnten das schaffen.
René Maric, www.abseits.at
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