Bei der U21-Europameisterschaft stachen einige Teams beziehungsweise deren Abschneiden ins Auge. Während Italien und die Niederlande wohl fast perfekt die Erwartungen erfüllten, stach einer... U21-EM: Rückblick auf die Leistung der spanischen Juniorennationalmannschaft (2)

Spanische Fans, SpanienBei der U21-Europameisterschaft stachen einige Teams beziehungsweise deren Abschneiden ins Auge. Während Italien und die Niederlande wohl fast perfekt die Erwartungen erfüllten, stach einer der Fußballgiganten sehr positiv ins Auge, zwei andere fielen jedoch negativ ab. Die positive Überraschung war Spanien. Überraschung aber auch nur deshalb, weil sich nach dem letzten Titel von 2011 wohl niemand erwartete, dass man abermals das Turnier gewinnen, nicht nur den Gegner, sondern auch den Zufall in dieser Manier besiegen und dabei auch noch spielerisch so extrem überzeugen würde. Dem spanischen Fußball steht womöglich eine weitere goldene Generation bevor, die sämtliche aktuellen Loblieder verdient.

In diesem zweiteiligen Beitrag gibt es einerseits einen Blick auf das Konzept und die zwei Topstars und andererseits eine Betrachtung der Bankoptionen und unterschätzter Schlüsselspieler.

Im Schatten der Topstars

Es waren sogar sehr viele Spieler, die neben den beiden Topstars Isco und Thiago Alcantara überzeugten. Das beginnt schon ganz hinten. David De Gea im Tor war ein sicherer Rückhalt, wenn er gefordert war und konnte mit seinen herausragenden Fähigkeiten mit Ball am Fuß das Ballbesitzspiel seiner Mannschaft unterstützen. Nur wenige Torhüter sind technisch so begabt, wie der oft unterschätzte Mann von Manchester United.

Auch die Abwehrkette erhielt zu wenig Lob für ihre Leistungen. Sowohl Inigo Martinez als auch Marc Bartra sind sowohl gute klassische Verteidiger, also in den Bereichen Zweikampfstärke und defensives Positionsspiel, als auch sehr gute moderne Verteidiger, also in Aspekten wie Antizipation, proaktives Spiel, strategischem Spielaufbau und Kreativität aus der Tiefe. Ähnliches gilt für die beiden Außenverteidiger.

Martin Montoya und Alberto Moreno sind beide sehr komplette Außenverteidiger. Beide können extrem offensiv, etwas zurückhaltender oder gänzlich defensiv spielen. Meistens hält sich einer zurück, während der andere enorm weit nach vorne geht und im letzten Spielfelddrittel die Breite gibt. Im Turnierverlauf wurde dies gar während des Spiels variiert, um Problemzonen des Gegners bespielen zu können, ohne an defensiver Stabilität zu verlieren.

Teilweise agierten beide sehr hoch, insbesondere Moreno gab in den ersten Spielen der Mannschaft durchgehend Breite. Jener Moreno war auch einer der besten Spieler des gesamten Turniers, auch wenn seine hervorragende Leistung wegen der Spielweise seiner Mannschaft und seinen Mitspielern oft übersehen wird. Mit Daniel Carvajal gibt es außerdem noch eine hochklassige Alternative auf der Bank, welche die Stärke des Kaders dieser Mannschaft zeigt.

Zwei weitere hochinteressante Akteure spielten direkt vor der Abwehr. Asier Ilarramendi verrichtet seine Aufgabe immer unauffällig, ist aber ein herausragender Fußballer mit extremer Spielintelligenz. Zur Leistung gegen Deutschland schrieb ich bei Spielverlagerung folgendes über ihn:

„Ein „Balancespieler“ sorgt dafür, dass einzelne zu übertrieben ausfallende, monotone Synergie-Auswirkungen, zu dominante Spieler oder eine zu große Zahl an ähnlichen Spielertypen (und daraus resultierend ähnliche Bewegungsmuster oder Sackgassen im kollektiven Denken und in Mustern der Entscheidungsfindung) passend ergänzt werden. Bei Illarramendi war dies in dieser Partie nicht nur am stärksten ausgeprägt, sondern auch am besten zu sehen.

Im Aufbauspiel bot er sich für die Innenverteidiger an. Er stand zentral auf seiner Position als alleiniger Sechser,  schaffte Verbindungen zwischen den beiden Innenverteidigern und den Mittelfeldspielern. Meistens stand er zwischen Holtby und Volland, konnte von beiden aber wegen seines umsichtigen Bewegungsspiels und seines intelligenten Passspiels kaum gepresst werden. Zusätzlich harmonierte er gut mit seinen Mitspielern.

Kippte Thiago nach hinten ab, so orientierte sich Illarramendi nach vorne und zog im Idealfall auch noch Gegenspieler weg, um Räume zu schaffen. Zusätzlich suchte er sich dann schnell eine Position, aus der er angespielt werden konnte und erzeugte somit eine leicht veränderte Stellung im Mittelfeld. Weiters wies er seine Mitspieler an, was sie zu tun und zu lassen haben – in einer Situation sprach er sich mit Thiago ab, der dann nicht aufrückte, sondern kurzzeitig in seiner abgekippten Position verharrte. In einer anderen Szene kippte er weiter nach hinten als üblich und der Innenverteidiger Spaniens schob mit Ball am Fuß nach vorne.

Doch die Rolle als Balancegeber beschränkte sich nicht auf das Aufbauspiel. Hatten die Spanier dann in höheren Gefilden den Ball, so bot sich Illarramendi immer in der richtigen Position an und gab damit eine sichere Anspielstation, um das Spiel mit ein paar Kurzpässen zu verlagern oder dem gegnerischen Pressing die Dynamik zu nehmen.“

Auch die Bank überzeugt

Zu Thiago und Illarramendi im Mittelfeldzentrum kam nach den ersten Spielen des Turniers auch noch Koke statt Iker Muniain hinzu. Muniain gilt zwar als großes Talent, ist aber kein zentraloffensiver Mittelfeldspieler, sondern eher ein Flügelstürmer oder mitspielender hängender Stürmer. Die Aufstellung Kokes statt ihm war also taktisch wie spielerisch eine treffende Wahl, obwohl auch Koke eher unauffällig spielte.

Trotz des geringen Spektakels, das Koke versprühte beziehungsweise eben nicht versprühte, spielte er eine Schlüsselrolle beim spanischen Triumph. Er agierte passstark, intelligent in seinem Bewegungsspiel und ermöglichte Thiago eine Ebene höher zu spielen. Der Barcelona-Star rückte auf die zentraloffensive Position im 4-2-3-1 statt weiter auf der Doppelsechs zu agieren, gleichzeitig agierten Koke und Illarramendi asymmetrisch, wodurch phasenweise eine 1-2-Aufteilung im Mittelfeld entstand. Dadurch konnten die Spanier in ihrer besten Aufstellung, generell variabel und mit den passendsten Synergien spielen.

Ein wichtiger Faktor gegen Ende des Turniers wurde auch der eigentliche Einwechselspieler und spätere Torschützenkönig Alvaro Morata von Real Madrid, der mit seiner Tororientiertheit, körperlichen Präsenz und Athletik, sowie seiner Spielintelligenz den Spaniern noch eine zusätzliche Dimension gab. Der Star von Real Madrid trat übrigens schon in Österreich in Erscheinung, denn vor vier Jahren sorgte er bei der „Next Generation Trophy“ in Salzburg für Aufsehen, wo er Torschützenkönig wurde. Auch im Finale konnte er bei der 1:4-Niederlage gegen Dinamo Zagreb einen Treffer markieren. Damals wie heute überzeugte Morata durch seine Effektivität und ein ordentliches Bewegungsspiel in die freien Räume zwischen gegnerischem Tor und gegnerischer Abwehrkette.

Fazit

Diese spanische U-Nationalmannschaft könnte wegen ihrer herausragenden Stärke und Leistung in die Geschichte eingehen. Sie scheinen an jenen Erfolgen anzuknüpfen, welche die aktuelle A-Nationalmannschaft generiert. Aktuell scheint es nur ein einziges Problem zu geben: Die Weltmeisterschaft kommt fast schon zu früh. Zu viele der Topstars der spanischen A-Mannschaft sind noch in bestem Alter, wodurch auch die Topstars Thiago und Isco kaum Chancen haben in die Stammelf zu rücken.

Nichtsdestotrotz zeichnete diese Europameisterschaft ein nahezu utopisches Bild des spanischen Fußballs: Sie haben drei der letzten drei großen Titel geholt, sie haben einen herausragenden Nachwuchs, der ebenso Titel zu holen scheint. Neben den bereits erwähnten Topstars dieses Jahrgangs kommen auch noch grundsolide Spieler wie Ignacio Camacho, Cristian Tello, Rodrigo und Iker Muniain hinzu, die ebenfalls langfristig eine Rolle auf internationaler Bühne spielen könnten. Die Zukunft Fußballspaniens sieht also rosig aus.

René Maric, www.abseits.at

Rene Maric

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