Taktikanalyse: Ancelotti bezwingt seinen Ex-Klub Paris St.Germain mit 1:0
Fußball international 29.Juli.2013 Ben Pedro 1
Neu-Madrilene Carlo Ancelotti hat am Samstag seinen Ex-Klub dank eines Treffers von Karim Benzema in der ersten Halbzeit besiegt. Dabei kamen bei Real die Neuzugänge Carvajal, Isco und Casemiro zum Einsatz, bei Paris stand zur Enttäuschung der Zuschauer Edinson Cavani nicht im Kader, auch die anderen millionenschweren Neuzugänge Marquinhos und Digne ließen sich nicht auf dem Rasen blicken. Dennoch wurden die Zuschauer im Parc des Princes nicht enttäuscht und sahen ein Spiel auf gehobenem Niveau.
Die Gäste aus Madrid spielten im bereits aus der letzten Saison bekannten 4-2-3-1. Isco und Carvajal fanden sich direkt in der Startelf wieder, Nacho Fernandez übernahm die Position des noch im Urlaub weilenden Sergio Ramos in der Innenverteidigung.
In der Mitte spielten weder Xabi Alonso noch der U21-Europameister Illaramendi, sondern mit Khedira und Modric altbekanntes Personal.
Am gespanntesten erwartet wurde aber die Offensive, die sich wohl zur Enttäuschung einiger Taktik-Experten als genau das entpuppte, was erwartet wurde, nämlich eine extrem fluide 4er-Kombination aus Isco, Özil, Ronaldo und Benzema. Ancelotti verzichtete an diesem Punkt auf große Innovationen und setzte viel auf die tollen individuellen Fähigkeiten seiner Spieler.
Im Gegensatz zu Madrid bot PSG erstmal keine Neuzugänge auf, sondern startete mit dem Stammpersonal der vergangenen Saison, lediglich Thiago Silva und Verratti wurden vermisst, stießen aber im Laufe der Partie noch zu ihren Mannschaftskollegen.
Laurent Blanc schickte sein Team ebenfalls in einer 4-2-3-1 Formation auf das Feld, die durchaus Ähnlichkeiten mit der Spielidee Madrids hat. Auch bei Paris gibt es mit Matuidi und Motta einen Arbeiter und einen Ballverteiler auf der Doppelsechs – das Duo Martinez-Schweinsteiger lässt grüßen – sowie mit Lavezzi, Ibrahimovic und Lucas eine extrem variable und ballsichere Offensive, die noch von Pastore verstärkt wurde, der allerdings nicht wie Isco bei Madrid überall auf dem Feld zu finden war, sondern sich vornehmlich auf die Mitte und das linke Halbfeld beschränkte.
Spielaufbau durch die Mitte kontra schnelles Überbrücken des Mittelfelds
Das Spiel gab einem die gute Möglichkeit, zwei völlig verschiedene Arten des Spielaufbaus zu beobachten. Während Paris konsequent versuchte ihr Spiel über die beiden Innenverteidiger und den immer wieder nach hinten abkippenden Matuidi aufzuziehen, setzte Real Madrid bevorzugt auf schnelle, steile Pässe durch die Mitte.
Die beiden Innenverteidiger von Paris, Sakho und Alex, spielten den Ball immer wieder kurz auf Matuidi und etwas seltener auf Motta, welche dann wiederum versuchten, den Ball zwischen die Linien Madrids zu spielen. Dabei gab es allerdings in den ersten 20 Minuten erhebliche Probleme, da Madrid komplett auf Pressing in der Hälfte der Franzosen verzichtete und sich darauf beschränkte, die Angespielten Pariser zu attackieren und sie so zu einem Rückpass zu zwingen. Damit kamen die Gastgeber selten über die Mittellinie heraus und suchten deshalb immer wieder den Weg über die Seiten, was allerdings nicht zu großen Erfolgen führte. Besonders der, zwar laufstarke, aber technisch eher schwache Jallet war oft Anspielstation für die Ballverteiler in der Mitte und trieb den Ball dann alleine die Seitenlinie entlang. Sein Pendant Maxwell dagegen konnte sich nicht maßgeblich am Spielaufbau beteiligen, weshalb er entweder sehr eng stand und versuchte den kurzen Pass von Sakho zu bekommen oder ohne Ball in die Hälfte von Madrid marschierte und dort auf ein Anspiel wartete.
Dieser Umstand zwang Blanc bereits früh zu einer ersten taktischen Anpassung, weshalb er Javier Pastore weiter nach hinten beorderte, um sich dort die Bälle abzuholen. Durch das Abkippen des Zehners, wurde immer einer der beiden Sechser befreit, was die Aufgabe des Real- Mittelfelds deutlich erschwerte, andererseits aber auch eine Anspielstation in der gegnerischen Hälfte für Paris nahm, was letztendlich doch wieder in Flankenläufen von Jallet resultierte. Hier fehlte in der ersten Hälfte mit dem jungen Verratti ein genialer Ballverteiler, der schneller und vor allem sicherer die Bälle hinter die erste Reihe von Madrid spielen hätte können.
Auf der anderen Seite versuchte es Madrid mit einem deutlich schnelleren Ansatz. Die Bälle sollten über Modric und Khedira, wenn nicht sogar schon über die Verteidigung nach vorne durchgereicht werden.
Dadurch, dass sich die Offensive Madrids extrem fluid bewegte, war auch fast immer jemand anspielbar, was in einigen guten Pässen durch die Reihen der Franzosen resultierte. Im Idealfall sollte der Spielaufbau somit gar kein Spielaufbau sein, sondern fast schon ein Konter. Bestes Beispiel: Das 1:0 für Madrid. Nach einer Ecke von Paris bekommt Diego Lopez den Ball, schaut kurz und spielt ihn dann in Richtung Mittelkreis, wo er von Cristiano Ronaldo nach vorne getrieben wird. Die Mannschaft von Laurent Blanc zeigte sich in dieser Situation unsortiert, womit der Pass nach rechts auf Özil gespielt werden konnte, dieser zog nach innen und spielte Richtung Benzema, der nur noch einen Schritt parallel zum Tor machte und mit rechts verwandelte – und dies alles innerhalb von 15 Sekunden.
Klappte diese Art von Angriff allerdings nicht, so startete Madrid ein fast schon Barcelona typisches Ballbesitzspiel rund um den Sechzehner des Gegners. Der Ball lief dabei immer wieder von außen, nach innen und wieder nach außen, solange bis irgendwo eine Lücke entstand, besonders wichtig dabei zeigten sich die Außenverteidiger Madrids, die dem Spiel in diesen Momenten die richtige Breite gaben, um kombinieren zu können. Brachte dies keinen Erfolg, so versuchten es die Madrilenen auch gerne aus der Distanz, was jedoch nicht von Erfolg gekrönt war. So erntete Modric einmal hämischen Beifall, als er einen Ball mehr Richtung Eckfahne, als in Richtung des Tores beförderte.
Pressing? Nein!
Ähnlich unterschiedlich wie die beiden Systeme bei eigenem Ballbesitz waren auch die verschiedenen Ansichten der Trainer, was das Verteidigen anging. Während Ancelotti sein Team so einstellte, dass erst ab der Mittellinie attackiert wurde, verzichtete Blanc komplett auf Pressing und schickte eine sehr passive Mannschaft aufs Feld.
Die Madrilen ließen Paris spielen, allerdings nur so lange, bis es in die Hälfte der Spanier ging. Dann wurde gleich mit mehreren Spielern attackiert und so entweder der Ball gewonnen oder es folgte ein Rückpass und damit ein erneuter Versuch von Paris, durch die Abwehr zu kommen. Um dies umzusetzen, formierte sich die Abwehrkette der Spanier extrem eng und hatte vor sich eine 4er-Kette aus Mittelfeldspielern. Benzema und Ronaldo blieben weiter vorne, womit ein 4-4-2 entstand, welches grundsätzlich extrem gut für Konter geeignet ist. Die Mannschaft kann so sehr schnell auffächern und den Zugriff damit erheblich erschweren, kann sich aber genauso schnell wieder formieren, wenn man den Ball aufgrund eines riskanten Passes verliert.
Im krassen Gegensatz zum Bild des „modernen Fußballs“ spielte Paris Saint Germain. Die Franzosen verzichteten nahezu komplett auf jegliches Pressing. Ob es nun dem frühen Zeitpunkt der Vorbereitung, etwas gegensätzlich dem baldigen Super-Cup Spiel gegen Bordeaux geschuldet war oder sogar eine bewusste und gewollte taktische Einstellung von Blanc war, kann man selbstverständlich nicht sagen, dennoch wirkte Paris in der Verteidigung extrem passiv. Die Franzosen versuchten vor allem durch Verschieben und das Zustellen von Räumen die Pässe in gefährliche Zonen zu unterbinden, verzichteten dabei aber auch jegliche Aggressivität und sogar auf Zweikämpfe. In zwei 4er-Ketten wurde abgewartet und nach Außen abgedrängt, aber nie wirklich attackiert. Dies ging Hand in Hand mit der Praxis Madrids, den Ball um den Sechzehner kreisen zu lassen und endete letztendlich in äußerst wenigen zwingenden Chancen.
Zwei neue Trainer – dennoch wenig Änderungen
Die wirklich neuen und bahnbrechenden Erkenntnisse brachte dieses Testspiel nicht mit sich. Dennoch gibt es einen guten Einblick in die Arbeit der beiden neuen Trainer bei Paris und Madrid. Während Ancelotti anscheinend versucht die Arbeit seines Vorgängers an wenigen Stellschrauben anzupassen, versucht Blanc mit Paris einen ballbesitzorientierten Fußball zu spielen, verzichtet dabei allerdings darauf, sich das klassische Barcelona-Vorbild zu nehmen, sondern geht seine eigenen Wege.
Auch zu den Debütanten lässt sich noch vergleichsweise wenig sagen. Carvajal spielte eine solide Partie, ohne offensiv groß in Erscheinung zu treten, Isco gab den gewohnt flexiblen und ballsicheren Spieler ohne allerdings groß zu beeindrucken. Der später eingewechselte Casemiro machte ein ordentliches Spiel, aber wirkte bisweilen noch etwas kopflos und überhastet, wer seinen Fallrückzieher am Mittelkreis sah, weiß wovon die Rede ist. Ein Kritikpunkt, der allerdings bei genug Spielpraxis bald wegfallen dürfte. Schließlich spielte der junge Brasilianer zuletzt noch in der zweiten Liga und wird sich erst mal an das höhere Tempo gewöhnen müssen.
Bei Paris machte sich vor allem das Fehlen von Thiago Silva und Verratti bemerkbar. Beide können ein Spiel an die Hand nehmen und führen. Silva kann das Spiel von hinten heraus eröffnen und der junge Italiener kombiniert Defensive perfekt mit modernem Ballbesitzspiel. Wahrscheinlich wäre der Mannschaft von Laurent Blanc mit den beiden das Aufziehen ihres Spiels deutlich einfacher gefallen, so offenbarte sie noch einige Schwächen vor dem ersten Pflichtspiel der Saison. Es wird interessant zu sehen sein, wie Blanc Cavani in sein System einbauen will, da Ibrahimovic als Mittelstürmer gesetzt sein wird und auch die 3er-Reihe dahinter gut funktionierte.
Ben Pedro, abseits.at
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Ben Pedro
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