Transfers erklärt: Darum wechselte Lewis Holtby in die Premier League und Ivan Perisic zum VfL Wolfsburg
Fußball international 2.Februar.2013 Rene Maric 0
In dieser Rubrik gehen wir auf einzelne fixe Transfers zumeist größerer Vereine ein und beleuchten die Hintergründe und Motive. Wieso holt eine Mannschaft diesen Spieler? Wer ist dieser Spieler überhaupt? Was erwartet sich sein neuer Verein von ihm? Kann er die Erwartungen in seinem neuen Verein erfüllen? Diese Fragen sollen beantwortet werden. In dieser Ausgabe blicken wir auf zwei interessante Transfers in der deutschen Liga.
Lewis Holtby: von Schalke 04 zu den Tottenham Spurs
In den letzten Wochen erlebten die Schalker eine gewisse Krise und fielen nach starken Leistungen zu Saisonbeginn hinter die Europapokalplätze zurück. In den Fan-Foren war dabei öfters zu lesen, dass auch die mangelnde Konstanz Lewis Holtbys eine Rolle spielte. Als Grund wurde, wie bei Klaas-Jan Huntelaar, das sich ewig herauszögernde Verhandeln über die auslaufenden Verträge ausgemacht.
Huntelaar sollte letztlich verlängern, während U21-Nationalmannschaftskapitän Holtby sich seinen Traum erfüllte und in die Premier League wechselte. Bereits seit Jahren wartet Holtby, der einen englischen Vater hat und als Fan des FC Everton gilt, auf die Chance bei einem englischen Verein zu unterschreiben. Diese Möglichkeit gab es bei dem Angebot der Tottenham Spurs, wo er unter André Villas-Boas bei einem der angesehensten Jungtrainer Europas trainieren wird.
In der Jugend wurde Holtby noch bei Borussia Mönchengladbach wegen körperlicher Defizite aussortiert, nun gilt er auf seiner Position als der laufstärkste Spieler der Bundesliga. Immer wieder toppt er die Laufstatistiken seiner Mannschaft, obwohl er als hängender Stürmer im Zentrum der offensiven Dreierreihe des 4-2-3-1-Systems agiert. Dies ist auch ein Indiz für seine Spielweise: Holtby beteiligt sich aktiv an der Defensivarbeit, schafft viele Räume und rückt im Zuge des Positionsspiels immer wieder auf die Außenbahn.
Dadurch passt er auch sehr gut ins Spielsystem seines neuen Arbeitgebers. Im Normalfall läuft die Mannschaft von Villas-Boas in einer 4-2-3-1- oder einer 4-4-2-Formation auf; beim 4-2-3-1 haben sie mit Gylfi Sigurdsson einen vertikaleren und durchschlagskräftigen Spieler als nominellen Zehner, während Clint Dempsey eher ein zweiter Stürmer ist und nicht die nötige Unterstützung für das Mittelfeld darstellt.
Holtby wäre hier die mannschaftsdienlichere Alternative, der die Verbindungen zu den Flügeln besser herstellt. Außerdem könnte er auch auf der Doppelsechs auflaufen, wo Holtby bei Schalke ebenfalls schon zum Zug kam. Hier gibt es mit Sandro Ranieri einen defensiven Sechser, der als Abräumer und Ballzirkulator den Stammplatz auf dem defensiven Part innehat. Neben ihm gibt es mit Moussa Dembele einzig einen spielgestalterischen Akteur, denn Jake Livermore und Tom Huddlestone sind zu defensiv, um diese Rolle konstant zu bekleiden.
Desweiteren könnte mit dem defensiv- und laufstarken Holtby auch auf ein 4-1-2-3-System umgestellt werden. Sandro würde dann als defensiver Sechser seine Stärken perfekt ins Spiel einbringen können und Dembele könnte sich dann stärker in die Offensive orientieren und seine Paraderolle als technisch starker Box-to-box-Akteur ausüben. Mit Holtby als zweitem Achter würde auch die nötige Balance in dieses System einkehren.
Ob und wie sich Holtby mit seiner wenig spektakulären und kräftezehrenden Spielweise in der intensiven Premier League zurechtfinden wird, ist eigentlich die größte Frage. Kulturell und spielerisch sollten sich für ihn eigentlich keine Probleme ergeben.
Ivan Perisic: von Borussia Dortmund zum VfL Wolfsburg
Womöglich hat Ivan Perisic vor einigen Wochen den Abgang vom BVB selbst provoziert. In einem Interview mit einer Zeitung aus seiner kroatischen Heimat beschwerte er sich über die wenigen Einsatzminuten, die er partout nicht nachvollziehen könne. Neben einer Geldstrafe erhielt er auch die Möglichkeit sein Können am Platz zu beweisen, was ihm aber nicht glückte. Das Kapitel Borussia Dortmund war ohnehin ein unpassendes.
Als Mittelstürmer hatte er nie eine Chance gegen Robert Lewandowski und als Flügel passt er nicht gut ins System – beziehungsweise passt das System nicht zu ihm. Perisic ist weder so defensivstark wie Jakub Blaszczykowski oder Kevin Großkreutz noch kann er seine Fähigkeiten im Strafraum ausüben. Einige Male wurde er sogar auf der Sechs ausprobiert, um zu sehen, ob er auf dieser Position seine Kreativität einbringen kann – er scheiterte jedoch an der nötigen Defensivstärke und Stabilität im Passspiel. Zu oft spielte er zu schnell vertikal und verlor dadurch Bälle, was die Dortmunder Spielweise anfälliger werden ließ. Im Vergleich mit den defensivstärkeren Bender und Kehl, sowie dem deutlich kreativeren Gündogan, hatte er somit langfristig keine Chance.
Dazu kamen die bereits erwähnten Probleme bezüglich seiner Fähigkeit zur Selbstkritik und seine zu hohe Erwartungshaltung, weswegen er sich verabschieden musste und wollte. Der belgische Torschützenkönig von 2010/11 sucht nun sein Glück beim VfL Wolfsburg. Dort dürfte er vorrangig über die Flügel kommen. Mit Landsmann Ivica Olic wäre es möglich, ein 4-2-1-3 als Variante des 4-3-3 zu spielen. Diego wäre dabei der Freigeist auf der Zehn vor der Doppelsechs, wie es ja zurzeit praktiziert wird.
Mit Perisic auf rechts könnte man einen verkappten Stürmer installieren, der ebenso wie Gegenüber Olic zum Tor zieht. Die offensiven Außenverteidiger Fagner und Schäfer könnten dann ihre Stärken besser miteinbringen. Alternativ könnte Ivan Perisic, der in den Medien schon mit Michael Ballack verglichen wurde, mehr Kreativität in die Doppelsechs der Wolfsburger bringen. Allerdings könnte darunter die defensive Stärke des Kollektivs leiden und die Nutzung dürfte im Normalfall auf bestimmte Situationen und Spielphasen begrenzt werden.
René Maric, www.abseits.at
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