Türkei 2024? Der Außenseiter im Duell um die Europameisterschaft
Fußball international 27.September.2018 Werner Sonnleitner 0
Nachdem wir euch schon die Kandidatur Deutschlands um die Ausrichtung der Europameisterschaften 2024 vorgestellt haben, widmen wir uns jetzt dem einzigen Rivalen, der Türkei. Im Schatten der im deutschsprachigen Raum naturgemäß präsenteren Kampagne unseres Nachbars, beleuchten wir jetzt jene des Konkurrenten vom Bosporus. Die Vergabe erfolgt heute Nachmittag, alles zum Prozedere findet ihr im allgemeinen Vorbericht.
Die türkische Bewerbungsgeschichte nahm seinen Ursprung im Jahr 2014. Da zog der Türkiye Futbol Federasyonu (TFF) als aussichtsreich(st)er Kandidat völlig überraschend seine Bewerbung für die Finalspiele der transeuropäischen Fußball-Europameisterschaft 2020 zurück. Stattdessen wollte man „all in“ auf eine Kandidatur für das darauffolgende Turnier 2024 gehen. Zuvor mühte man sich schon mehrmals vergeblich und scheiterte mit dem Ansinnen die Turniere 2008, 2012 oder 2016 auszurichten. Damit hat man im knapp achtzig Millionen Einwohner zählenden Land bislang noch immer kein fußballerischer Großereignis veranstalten dürfen. Also reichte der türkische Verbandspräsident Yıldırım Demirören am 26. April 2018 die Bewerbung für das Turnier 2024 bei der UEFA ein. Wieder einmal. Doch dieses Mal darf man sich als Außenseiter durchaus Hoffnungen machen, wie wir später noch erfahren.
Wo würde das Turnier stattfinden?
Die UEFA-Anforderungen sehen mindestens 30.000 Sitzplätze für die Stadien vor. So wurden im Vorjahr folgende zehn Stadien in diesen neun Städten ausgewählt:
Stadt | Stadion | Sitzplätze |
Ankara * | Başkent Stadyumu | 41.923 |
Antalya | Antalya Stadyumu | 32.539 |
Bursa | Timsah Arena | 43.331 |
Eskişehir | Eskişehir Yeni Atatürk Stadı | 34.930 |
Gaziantep | Gaziantep Stadyumu | 34.930 |
Istanbul-Başakşehir * | Atatürk-Olympiastadion | 75.145 |
Istanbul-Sarıyer | Türk Telekom Stadyumu | 52.650 |
İzmit * | Kocaeli Stadyumu | 33.000 |
Konya | Konya Büyükşehir Stadı | 41.981 |
Trabzon | Medical Park Stadyumu | 41.461 |
*) noch in der Bauphase bzw. würde für das Turnier umgebaut
Die Bewerberstädte müssen übrigens dafür sorgen, dass in einem Umkreis von 500 Metern rund um die Stadien neben den strengen Sponsorenauflagen auch keine politischen und religiösen Demonstrationen durchgeführt werden. Natürlich laufen auch in den türkischen Ligen Kampagnen für die Euro 2024, da wird mit dem Slogan „Share together“ geworben.
Die Stimmung im Land und die Chancen
Der Favorit heißt zwar – wie von uns bereits angeführt – Deutschland. Ein Zuschlag für die Türkei wäre zum jetzigen Zeitpunkt die deutlich riskantere Wahl: die Währung stürzte zuletzt ab, Wirtschaft und Tourismus aber auch große Teile der Gesellschaft leiden unter den politischen Spannungen rund um Staatschef Recep Tayyip Erdoğan. Diese Defizite will man mit einer nie dagewesenen staatlichen Unterstützung kompensieren. In diesem regierungsseitigen Support könnte dann auch der entscheidende Vorteil pro Türkei liegen. Ein (UEFA-)Turnier wird bekanntlich streng nach den eigenen Spielregeln des Fußballverbandes organisiert und soll den Ausrichter nur im besten Lichte darstellen. Spießt sich dies mit bestehenden Gesetzten – Stichwort: Demonstrations- oder Steuergesetze – müssten die staatlich angepasst werden. Diese Unterwerfung geht der Bundesregierung eindeutig zu weit und die sagt dazu klar „nein“, während man in Ankara den Wünschen der UEFA-Verantwortlichen vorsichtig formuliert „aufgeschlossen“ ist.
Dazu umgarnt man in der Türkei bei quasi jedem fußballerischen Anlass offen die Wahlmänner und möchte zusätzlich mit einer bewusst geschnürten Anti-Deutschland-Taktik Stimmung gegen den in vielen Bereichen europäischen Themenführer machen. Außerdem will man mit der ausgelassenen, speziellen Stimmung in den türkischen Stadien punkten, im Land mit der jüngsten Bevölkerungsstruktur Europas. Bei den osteuropäischen UEFA-Delegierten gelten die Türken als Favorit.
Am Bosporus ist man ambitioniert und von der Staatsspitze abwärts möchte man sich nicht die Blöße geben, zum vierten Mal in Folge bei einer Bewerbung zu scheitern. Diese zähe Ausdauer könnte schlussendlich – vielleicht gerade deswegen – belohnt werden. Man kann also davon ausgehen, dass der Verband nicht blauäugig in dieses brisante Duell mit Deutschland ging. Die Unterstützung der Bevölkerung ist man sich – zumindest offiziell – sicher, wenngleich es hinter vorgehaltener Hand viele kritische Stimmen zu diesem teuren Prestigeprojekt gibt.
In wenigen Stunden haben die Spekulationen dann ein Ende und wir werden erfahren, wo die Fußball Europameisterschaft 2024 ausgetragen wird.
Werner Sonnleitner, abseits.at
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Werner Sonnleitner
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