Allrounder im linken Mittelfeld – Die Rolle von Marcel Ritzmaier beim SC Cambuur
Weitere Länder 6.November.2013 Alexander Semeliker 0
Seit 2011 spielt Marcel Ritzmaier in den Niederlanden. Zunächst kickte er in der Jungend von PSV Eindhoven, ehe er im Jänner 2012 offiziell in den Profikader hinaufgezogen wurde. Im Sommer wurde der 20-Jährige schließlich zum SC Cambuur-Leeuwarden verliehen um Spielpraxis in der Eredivisie zu sammeln. abseits.at wirft einen Blick auf seine Rolle beim Aufsteiger.
„Ich bin halt Mittelfeldspieler und auf meiner Position haben sie drei Neue geholt. Als junger Spieler gehen da die Chancen eigentlich wieder nach unten“, begründet Ritzmaier seinen vorübergehenden Wechsel. „Dadurch war für mich von Anfang an klar, dass ich weg will, weil ich Spielpraxis brauche.“ In Leeuwarden marschiert er trotz seiner Jugend voran und nimmt eine wichtige Rolle ein. Mit einem Tor und drei Vorlagen ist er der zweitbeste Scorer des Teams.
Rechtslastige 4-3-3-Grundformation
Der SC Cambuur-Leeuwarden belegt in der 18 Mannschaften umfassenden Eredivisie derzeit Rang 15 und befindet sich daher mittendrin im Abstiegskampf. Zwei Punkte hat man Vorsprung auf einen Abstiegsplatz, der Rückstand auf den Zehnten beträgt jedoch auch nur drei Zähler. Das Problem ist dabei weniger die Defensive – 14 Gegentoren bedeuten den viertbesten Ligawert – als die Offensive. Nur elf Tore erzielten die Gelb-Blauen in zwölf Spielen. Vier davon gehen auf das Konto von Michiel Hemmen. Der 26-jährige und 1,93m große Hüne bekleidet im 4-3-3, das Trainer Dwight Lodeweges spielen lässt, die Mittelstürmerposition.
Die Flügelzange bilden der 20-jährige Jody Lukoki, der von Ajax ausgeliehen ist, und als rechter Außenstürmer spielt, bzw. Oliver Feldballe oder Kevin Brands auf Links. Wobei Lukoki der auffälligste und vermutlich höchst veranlagte Spieler ist. Er ist antrittsschnell und dribbelstark, trägt damit den Großteil des Offensivspiels. Dadurch entsteht eine markante Asymmetrie zur rechten Seite, über die 40% der Angriffe laufen – so viel wie bei keinem anderen Team. Dafür, dass dennoch kaum was durch die Mitte geht sondern typisch niederländisch über die Seiten, sorgt unter anderem Ritzmaier.
Hohe Reichweite und variable Spielanlage
Der ÖFB-Legionär spielt im linken Mittelfeld neben Mohamed El Makrini und Erik Bakker. Ersterer spielt dabei am tiefsten und ist für die Absicherung zuständig. Im Schnitt erobert El Makrini 5,8 Bälle pro Spiel – mannschaftsinterner Höchstwert. Bakker pendelt wie Ritzmaier situativ nach vorne und kann unter Umständen auch von einem offensiveren Spieler ersetzt werden. Die Grundordnung entspricht dann eher einem 4-2-3-1, in dem Ritzmaier den linken Sechser gibt. Die nachstehende Grafik zeigt beispielhafte Heat Maps, aus der sich die Unterschiede im Spiel der beiden ableiten lassen.
Während sich Bakker in erster Linie um die Zentralachse kümmert, bewegt sich Ritzmaier verstärkt in die Breite und nach vorne. Er tritt zudem die Standards, was man in der obigen Grafik an den Punkten in den Ecken sieht. „Ich bin von einem Top-Klub aus Holland gekommen und versuche, das Team zu leiten“, sagt er. Auf dem Platz stellt sich das so dar, dass er oft mit seinen Teamkollegen kommuniziert, sie einteilt und auch fußballerisch Verantwortung übernimmt. So ist er an 34,4% aller Torschüsse beteiligt – der höchste Anteil aller Cambuur-Spieler.
Position abhängig von Spielhöhe
Was man in der obigen Grafik noch sieht ist, dass Ritzmaier auch nach hinten einen größeren Aktionsradius hat. Im Aufbauspiel lässt er sich ab und zu fallen um es variabler zu gestalten und El Makrini Vorstöße zu ermöglichen. Anders als sein Teamkollege, der die Bälle aus der Tiefe verteilt, geht Ritzmaier anschließend nach vorne. Entweder lässt er den Ball wieder nach hinten prallen und geht dann in offene Räume oder versucht sich mit dem Ball am Fuß zu drehen und selbst nach vorne zu dribbeln. Nachstehend sieht man zwei Beispiele.
Ist der Ball im zweiten Drittel orientiert sich Ritzmaier auf die Seite um die Balance zu halten. Der Linksaußen rückt nämlich gerne ein und der linke Außenverteidiger agiert im Offensivspiel zurückhaltend. Ein durchaus nachvollziehbarer Mechanismus, da Ritzmaier auch auf der Außenbahn einsetzbar ist. Unter Dick Advocaat kam er bei PSV sogar als Linksverteidiger zum Zug. Auch dafür sieht man unten ein Beispiel. Links sieht man, dass nach der Balleroberung das Mittelfeldtrio noch eng beieinander ist. Ritzmaier geht im Umschaltspiel dann nach außen um für Breite zu sorgen. Das Resultat sieht man im rechten Bild, in dem Ritzmaier am weitesten links positioniert ist.
Diese breite Position hält Ritzmaier meist bis ins Angriffsdrittel. Je nach Situation geht er dann wieder zurück ins Zentrum um für die Absicherung zu sorgen bzw. im Rückraum anspielbar zu sein und dann aus der Entfernung abzuschließen. Eine andere Möglichkeit ist, dass er mit Tempo in den Strafraum geht. So hatte er gegen Heracles Almelo großen Anteil am 2:0, als er im Umschaltspiel von außen nach innen zog (links). Ein anderes Beispiel für seine Vertikalsprints sah man im Spiel gegen Feyenoord, in dem er in der Anfangsphase eine gute Torchance hatte (rechts).
Probleme im Defensiv- und Passspiel
Cambuur spielt trotz des vergleichsweise niedrigen Standings ballbesitzorientiert, liegt mit einem durchschnittlichen Anteil von 49,4% im Mittelfeld. Daher ist das defensive Umschaltspiel besonders wichtig. Genau hier zeigt sich aber der Nachteil der teils extremen Breite und Höhe von Ritzmaier. Die Distanz zur idealen Position ist meist zu groß um rechtzeitig dort zu sein und gegnerische Konter zu unterbinden. So muss die Hintermannschaft oft zu taktischen Fouls greifen. Auch hierfür sind unten zwei Beispiele angeführt.
Es ist dabei jedoch zu differenzieren, ob es sich dabei um ein individualtaktisches Problem von Ritzmaier handelt, oder es auf die Vorgaben des Trainers zurückgeht, was aus der Ferne schwer zu beurteilen ist. Ähnliches gilt für das allgemeine Defensivspiel. Der Grad der Manndeckung ist bei Cambuur sehr hoch, was vor allem die taktisch reiferen Teams mit hoher Fluidität in der Offensive ausnützen. So ist die Tatsache, dass Ritzmaier zu den meist überdribbelten Spielern der Liga zählt, zu Teilen auch darauf zurückzuführen. Die schlechte Passgenauigkeit von nur 66,8% geht aber zum Großteil auf seine Kappe. Ein Punkt, den er auf jeden Fall verbessern muss, will er sich in Eindhoven durchsetzen.
Alexander Semeliker, abseits.at
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