In dieser Serie gehen wir auf einzelne Weltklassetalente ein, die auf dem Sprung standen – und ihn nicht schafften. Zumeist waren es persönliche Tragödien,... Am Höhepunkt die Ausfahrt verpasst (1) – Mario Jardel

Fußball in BrasilienIn dieser Serie gehen wir auf einzelne Weltklassetalente ein, die auf dem Sprung standen – und ihn nicht schafften. Zumeist waren es persönliche Tragödien, Verletzungen oder einfach die Umstände ihrer Karriere. In einigen Fällen tragen die Spieler für ihr Scheitern selbst die Verantwortung, in anderen kamen sie unschuldig zum Handkuss, da nicht zu beeinflussende Faktoren von außen das Ende der Karriere herbeiführten.

Wir lassen die Karrieren dieser Akteure Revue passieren, spekulieren über die mögliche Auswirkung ihres fehlenden Durchbruchs in der Geschichte des Fußballs und ein kleines „was wäre, wenn…?“ darf natürlich auch nicht fehlen. Immerhin besitzt für solche Spieler nahezu jeder Fußballfan noch eine schöne Erinnerung und jene fragende Wehmut, welche Erinnerungen man nicht alles verpasst hat.

In diesem Teil widmen wir uns …

Mario Jardel

Erst im Jahre 2011 hat der jetzt 39-Jährige offiziell seine Karriere beendet, doch im Grunde endete sie bereits vor neun Jahren. Zwischen seinem Profidebüt bei Vasco da Gama im Jahre 1991, und seinem Wechsel zu den Bolton Wanderers 2003 traf er in 310 Spielen unglaubliche 294mal. Dabei traf er in seinen sechs Saisonen in der damals noch stärkeren portugiesischen Liga 130mal für Porto in 125 Spielen und 53mal für Sporting in 49 Spielen (ausschließlich Liga). Dies bedeutet einen Schnitt von 1,05 Toren pro Spiel. Danach sollten es in acht Jahren bei 112 Spielen nur 47 Spiele sein; die meisten davon in unterklassigen Ligen.

Als er 2003 nach England wechselte, häuften sich die lebenseinschneidenden Probleme. Er laborierte noch an einer Knieverletzung aus dem Winter und auch privat sah es nicht gut aus. Ihm wurden Verbindungen in die Drogen- und Rotlichtszene nachgesagt – zudem betrog ihn seine Frau. Karen Matzenbacher war die ehemalige Frau des brasilianischen Weltmeisters Marcio Santos und galt in Brasilien als Frau, die nur auf Geld und Berühmtheit aus war. Im April 1995 zierte sie das Playboycover und verdrehte in den nächsten Jahren Mario Jardel den Kopf.

Dieser Jardel war ohnehin ein etwas sonderbarer Kerl. Verhandlungen über einen Wechsel zu Real Madrid ließ er platzen, weil er partout nicht rechtzeitig erscheinen wollte. Das Gleiche zog er vier Mal bei den Glasgow Rangers ab.

Stattdessen wechselte er nach vier Saisonen bei Porto im Jahre 2000 zum amtierenden UEFA-Cup-Sieger Galatasaray Istanbul. Bei seinem Debüt ließ er es sich nicht nehmen, fünf Tore zu erzielen. Im Spiel gegen Real Madrid um den UEFA-Supercup schoss er den spanischen Giganten mit zwei Toren im Alleingang ab.

Galatasaray warf in der Gruppe auch den AC Mailand raus und schied letztlich im Viertelfinale gegen Real Madrid aus. Dennoch landete Mario Jardel mit nur einem Tor Rückstand auf Raul vom späteren CL-Sieger Real Madrid auf dem zweiten Platz in der Torschützenliste der CL. Nahezu jeder Verein der Fußballwelt stand Jardel offen, doch er kehrte nach Portugal zurück.

 „Sogar er kann nicht immer treffen. Ich würde mir wünschen, die anderen Spieler würden nur halb so viele Chancen produzieren, wie Mario.“ –Trainer Lucescu bei Galatasaray

In der Türkei hatten Fans von Fenerbahce Nacktbilder seiner Frau hochgehalten. Bei Sporting sollte er wohl seine beste Saison haben. 42 Tore in der Liga, sieben im Pokal und sechs auf internationaler Bühne bedeuteten unfassbare 55 Tore in 42 Spielen.

In der Folgesaison zog er sich die zuvor beschriebene Knieverletzung zu. Danach kam er nie mehr in Fahrt. Die Verletzung ruinierte seinen Körper und Jardel war schlichtweg zu sehr auf die Affären seiner Frau konzentriert, um sich darüber Gedanken zu machen – er verfiel in eine Depression. Gerüchte um eine Beteiligung in kriminelle Machenschaften bestätigte er im Jahre 2004 offen.

Von Bolton wechselte er zu Ancona, wo sie ihn Lardel – lardo bedeutet Schweinefett – nannten. Journalisten sprachen bei Spielen darüber, ihm eine Schweigeminute zu zollen, um seine ehemalige Klasse zu ehren. 2004 kehrte er nach Südamerika zurück und tingelte in den nächsten Jahren durch die unterschiedlichsten Orte und Stationen. Letztlich war es eine Abschiedstournee eines Akteurs, der sein Potenzial nur kurz abrief und bei manchen bis heute als eines der größten Mittelstürmertalente galt.

War er potenziell der beste klassische Mittelstürmer der frühen 2000er?

Zugegeben, das spielerische Talent des drei Jahre jüngeren Ronaldo hatte Jardel natürlich nie. Doch in seinen sechs Jahren in Portugal und der Türkei war er nahezu auf einer Stufe mit dem legendären Mittelstürmer. Jardel besaß einige Attribute, die ihn perfekt für den europäischen Fußball machten. Seine Kopfballstärke suchte ihresgleichen und konnte nahezu von keinem Verteidiger der Welt konstant ausgeschaltet werden.

1,88m groß, vor seiner Depression gar etwas zu schlank, doch in der Luft war er unwiderstehlich. Sprungstark, herausragendes Timing, unglaubliche Durchsetzungskraft und dazu eine herausragende Kopfballtechnik. Aber auch im klassischen Strafraumspiel war er eine starke Waffe. Dabei fielen besonders seine Eiseskälte im Eins-gegen-Eins mit dem Torhüter, seine Beidbeinigkeit und der Abschluss mit nahezu klinischer Präzision ins Auge.

Hinzu kam natürlich sein Torriecher. Er besaß das Bewegungsspiel von Ruud van Nistelrooy, das Spielen mit der Abseitslinie von Pippo Inzaghi und das Timing von Roy Makaay. Doch seine mentale Anfälligkeit, seine Faulheit, die privaten Probleme und auch die extrem starke Konkurrenz und das System der Nationalmannschaft verhinderten eine größere und insbesondere längere Karriere. So werden sich die Porto-Fans nur daran erinnern können, wie sie eine noch beeindruckendere, wenn auch statischere, Version Falcaos aus Südamerika ans Land gezogen hatten.

Rene Maric, abseits.at

Rene Maric

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